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30.05.2022 Montag

Blauer Montag, ja, und heiß dazu. Im Schweiße unseres Angesichts packen wir zusammen und verlassen die eindrucksvolle Zauber-Märchen-Welt Kappadokien, in die sich gerade noch in unserem Blick zwei wild entschlossene Allrad-Wohndosen wühlen. Viel Spaß hier, für uns geht‘s Richtung Nevsehir. Und zum Abschied steckt uns Kappadokien noch ein paar faszinierende Aussichten zu.

Ab Nevsehir befahren wir ein kurzes Stück die D 300 wie auf der Hinreise, um eine neue AB Richtung Ankara zu erreichen, die unser Navi-Rüdiger noch nicht kennt. Die endlose Weite hier oben ist schon gigantisch und kann von der Bevölkerung landwirtschaftlich wohl gut genutzt werden. 

Gleiches gilt für die Gegend, die wir auf der AB durchfahren, rechts vorbei am besuchten riesigen Salzsee Tuz Gölü. Knochentrocken alles, Bewässerungen helfen, dass es grünt auf diesem ewig weiten Land. Langweilig ist es, kein Verkehr, kaum Reize. Da staunt man schon über Tanklastzug-Karawanen, die uns, ordnungsgemäß auf dem Standstreifen gesichert, begegnen. Die aufgeschütteten Hänge am Fahrbahnrand mit ihren Anpflanzungen werden so bewässert. Ohne Wasser geht hier nichts, hier, wo kaum ein Baum, kein Strauch, das Auge aufhalten.

Ein klein wenig gewinnt der Landstrich beim Passieren des lang gestreckten Sees Kizilirmak, der sich wie ein strahlend blaues Band rechts von uns durch die bisher eintönige Farbenwelt dahin zieht. Leider ist ein Stopp für uns noch zu früh, und für ein kurzes Päuschen wäre der Umweg zu groß, da die Abfahrten von den AB im Land häufig sehr weit auseinander liegen. Also weiter. 

Kurz vor Ankara kann ich an einem See einen großen Park ausfindig machen. Lokale liegen an der Straße, große Parkplätze erkennt man. Ein Nachtlager müsste dort möglich sein. Die Strecke führt über schlechten Asphalt vor der irren Wolkenkratzer-Skyline Ankaras. Am angepeilten Lokal ergibt die Nachfrage, dass ein Übernachten nicht gestattet wird, wir den Bereich in einer davor liegenden Parkanlage nutzen könnten. Gut, also da hin. Solche Parks sind häufig großflächig eingezäunte Bereiche, man muss Eintritt zahlen. Wir fragen beim Wächter nach „eat and sleep“, kein Problem, zahlen, rein. Auf einem leeren PP parken wir, werden schon von großen Hunden erwartet, die auch prompt bellenden vorm Womo stehen. Es ist hier ohnehin nicht so berauschend, aber auf unserer Route gibt es quasi nichts. Kaffee oder nicht? Die Frage erübrigt sich, da zwei Wächter auftauchen, die Übernachten verbieten. Was bleibt? Flötenpöttchen vom Herd und Abmarsch.

In der Hoffnung, dann eben an der D 200, die wir bisher noch nicht hatten, irgendwo unterzukommen, lassen wir es erstmal laufen auf dem äußeren südlichen Ring um Ankara herum und nehmen auf 9 Uhr die sehr ordentliche D 200. Sehr ordentlich verlässt uns auch die Wohnwelt nicht. Trotz vielfach gesehener gigantischer Wohnungsbauten, staunen wir immer wieder über Vielfalt, Anzahl und Notwendigkeiten. So auch jetzt. Gut, hier im Umkreis der Hauptstadt mit knapp 5 Mio. Einwohnern, die sich wie eine Krake mit zahlreichen Armen auf das Land legt und sich ausbreitet, wird Wohnraum sicher immer gebraucht. Aber egal, eine Muster-Wohnblock-Ausstellung nach der anderen reiht sich aneinander, und es scheint, ein Modell will das andere übertrumpfen. Ich denke an die junge Frau in Anamur, 10 € Lohn für ganztags Erdbeeren pflücken. Wie es ihrem Hundeliebling wohl geht? Jedenfalls besser, als wenn er hier leben müsste im „goldenen Käfig“. 

Google lässt ahnen, dass bald eine Tanke mit geschottertem Platz kommen müsste. Da ist sie auch schon. Wir schlüpfen mal rein, stehn mal dumm rum. Ein freundlicher kleiner Mann im weißen Hemd winkt, gern sollen wir kommen, Platz sei genug, einfach parken, bei ihm sei es schön. Jawoll, es wird nicht gefackelt, wir haben schon lange nicht mehr mit Brummis gekuschelt. Wir stellen uns weit nach hinten und beschließen, gleich unser Abendessen im „Restoran“ einzunehmen. So viele LKW-Fahrer können nicht irren. Und es bewahrheitet sich. Denn nachdem sich der lustige Mann als Chef vorgestellt und all seine Leckereien in tadellosen Theken präsentiert hat, richtet er uns eine herrliche Platte „mit allem“ an. So können wir uns auf seiner Terrasse mit Blick auf die D 200 ein wenig quer durch die türkische Küche schmecken. Gut gespeist und flankiert von etlichen LKW fällt die Geräuschkulisse nicht ins Gewicht und wir fallen um, dem neuen Tag entgegen.

31.05.2022 Dienstag

Luken auf, und mein Blick fällt auf sattes Gelb vor Himmelblau. Der Tag kann ja nur gut werden. Außerdem gelingt es Wim, im Shop der Tanke köstlich frische Kringel zu beschaffen und mir ein Moluzella-Blütchen mitzubringen, das er zufällig wild wachsen sah und das sein Gärtner- und Floristenherz höher schlagen ließ. So gut gestärkt können wir die Weiterreise antreten.

Zwischen Melonentransportern und einigen LKW durchfahren wir Polatli und Sivrihisar. Die Städtchen wirken herausgeputzt, die Gegend eher langweilig mit vielen Steinbrüchen und ansonsten Landwirtschaft auf ziemlich flachem, dürren Land ohne jeden Baum. Gelegentlich sieht man kleinere Parzellen, auf denen Nadelbäume wachsen. Wirkt seltsam, da sie wie Weihnachtsbaumschonungen wirken. Da, wo Bauerngehöfte und landwirtschaftliche Betriebe angesiedelt sind, liegen nicht weit entfernt wieder diese entsetzlichen Zeltlager der Flüchtlinge, im Dreck, im Staub, ohne jeden Schatten. Himmelschreiende Sünde. Als wir dazwischen einen Laden passieren, der lebensgroße Figuren wilder Tiere als Deko-Artikel anbietet, fragt man sich so einiges.

Die Stadt Eskisehir mit ihrer offensichtlich starken Mischung aus Alt und Neu umfahren wir. 

Bald danach erreichen wir den Abzweig nach links in eine waldreichere und hügeligere Landschaft. Hoffentlich wird die kurze Strecke bis zum Ziel, eine Übernachtungsmöglichkeit in einem Naturpark am See, nicht zu abenteuerlich oder gar unmöglich. Man weiß ja nie. Jedenfalls wird es schon angenehm ländlich, Bienenkästen stehen parat und der Straßenbelag fordert Achtsamkeit. Wir kraxeln ein Stück steil hinauf, für das die Beschilderung Schneeketten empfiehlt. Das kann eigentlich nix Gutes bedeuten. Denn Seen liegen selten hoch auf Kuppen, und wir haben nur noch 3 km, bedeutet wohl: schwarze Abfahrt - würde der Skifahrer sagen. Und da kommt auch schon das Gefälle-Schild. 10 %, nicht wirklich einschüchternd, findet Wim und lässt laufen. Und nach ein paar Windungen rollen wir über tadelloses Betonpflaster auf einen schicken Torbogen mit Wärterhäuschen zu. 

Ein älterer etwas brummeliger Mann schaut sich unser Gespann an. Auf unsere Frage, ob wir im Park übernachten dürfen, greift er zum Telefon, wechselt ein paar Worte, legt auf und nickt. Er fragt, woher wir kommen, Deutschland freut ihn sichtlich, er strahlt, reißt 4 Eintrittsbons ab für 2 Personen und 2 Fahrzeuge, wir zahlen 48 TL und werden mit freundlichen Hinweisen zum Erreichen des Platzes im Park verabschiedet. Gespannt sind wir und kriechen im Schritttempo los. Und da liegt er nun, der blaue See im lauschigen Kiefernwald. Wir folgen der schmalen Straße bis zum Restaurant und dem großen sandigen Platz, auf dem wir ein passables Plätzchen finden, Laube und Grill inklusive. Sehr schön. 

Hunde raus und erstmal ankommen. Der Restaurantbesitzer stattet uns einen Besuch ab und fragt, ob wir Strom bräuchten, was nicht nötig ist. Kurz darauf kehrt ein Mann „unseren“ Kamin aus. Läuft bei uns. 

Bei den anderen Familien auch, die so nach und nach eintrudeln auf den bisher total leeren Platz. Autos fahren vor, Menschen klettern raus, besiedeln sofort eine der unzähligen Lauben im Wald und laden sämtlichen Hausrat aus von Grill bis Teekochofen sowie tütenweise Fressalien. Tischdecke drauf, alles anfeuern, Wasser marsch, los geht‘s. Bald wabern Rauchschwaden und Gemurmele um das Kieferngeäst, es riecht lecker nach Gegrilltem und man erkennt im Unterholz geschäftiges Gewusele, bei dem jeder Handgriff zu sitzen scheint nach jahrelanger Übung. Und, wie endet es, die treuen per Reisetagebuch Mitreisenden ahnen es. Ja, vorweg genommen: ich darf wieder eine Runde Welpenbildchenblöckchen mit Stiften ausgeben, gerne, nämlich für die Kinder der Familie in der Nachbarlaube, deren Vater uns völlig selbstverständlich zwei köstlich gefüllte Fladenrollen mit Serviette liefert und hinterher noch Tee und Zucker bringt. Damit nicht genug, auch noch seinen Grill mit der glühenden Kohle anschleppt und die in unseren Grill abkippt als er sieht, dass Wim unseren befeuern will. Ich habe in Köln noch niemals einer türkischen Familie Essen gebracht - entschuldigend könnte ich anführen, dass es solche Lauben- und Nachbarlauben-Gelände gar nicht gibt.

Die Gedanken werden zerstreut von einer großen Gruppe junger Leute, die vorfährt und sich sofort johlend mit tierischem Spaß ins Kettenkarussell begibt und Runde für Runde dreht. Ein kleiner Wohnwagen wird noch irgendwo ins Gelände, das eigentlich nur für’s Zelten Möglichkeiten bietet, geschleppt. Das war dann das Programm zum Abendessen für heute. Morgen werden wir noch bleiben und die Radtour unternehmen.

01.06.2022 Mittwoch

Viel Hundegebell in der Nacht störte nicht wirklich. Gustavo nimmt es auch nicht sehr mit, er verhält sich nachts erstaunlich ruhig und gibt nur, wenn überhaupt, kurz und leise Antwort. Wir wollen heute morgen ein türkisches Frühstück einnehmen im Lokal gegenüber. Ein großer Reisebus parkt vor unserer Nase, obwohl der riesige Platz leer ist. Eine Gruppe Mütter mit Kindern steigt aus, einige Kleinbusse bringen Kindergruppen, alle in gleichen TShirts. An langer Tischreihe frühstücken schon einige, als wir dort ankommen. Teekännchen dampfen in Reih und Glied. Man sitzt teils mit teils ohne Kopftuch auf gepolsterten Sofas und lässt es sich schmecken.

Währenddessen kommt eine deutlich wichtige Gruppe Männer heran, einer mit Schlips. Ein blitzblanker schwarzer Passat parkt am Lokal, getönte Scheiben. Ein Filmteam steht am Seeufer vor einem Flaggenmeer. Oha, wir spekulieren, vermutlich eine Art Bürgermeister, eher ranghöher, der hier politisch werbewirksame Aufnahmen machen will, da auch die TShirts der Kinder mit dem Schriftzug versehen sind, der die Flaggen ziert. Günstigerweise naht unser Restaurantchef, und ich frage ihn. Ja, sei Gouvernement, diese Region hier werde präsentiert. Ist wahrscheinlich bedeutsam, da auch dieser Stausee hier, wie etliche andere, zur Sicherung der Wasserversorgung der von Wasserknappheit ständig bedrohten und unaufhaltsam wachsenden Hauptstadt Ankara angelegt wurde. Toll ist, dass dann auch gleich Naherholungsgebiete eingerichtet werden mit unabdingbar nötigen Lauben und Grills, in denen die Bevölkerung sich gegen kleines Eintrittsgeld schattig vergnügen kann. Unser Restaurantchef lacht und geleitet 3 stämmige, reserviert seelenlos guckende Herren, die die Location blitzschnell abscannen, zu einem Tisch in der Ecke, an dem sie sich so leicht entspannen. Das nutzt der Mann im Schlips, um an unseren Tisch zu kommen. Er holt Luft, und bevor er etwas sagen kann, wünsche ich ihm einen guten Tag und frage ihn, ob er ein Filmstar sei. Seine Mine erheitert sich, und seine ganz offensichtliche „rechte Hand“, seine Vorzimmer-Dame mit Kopftuch, lacht sich hinter ihm lauthals schlapp. Wir amüsieren uns alle, auch in der Ecke der Bodyguards huscht ein Lächeln von einem zum anderen. Der wichtige Mann erläutert, dass er nur die Region besuche. Leider ist sein Englisch quasi nicht vorhanden, so dass wir nur begrenzt plaudern können. Er flirtet sich ein wenig aus der Situation und betont, ein Teil seiner Familie lebe in Hamburg. Strahlend und zwinkernd gehen wir auseinander.

Und wir widmen uns nun dem, was uns aufgetischt wird. Und wie! Sagen wir mal so: ein türkisches Frühstück ist eher ein Brunch. Neben Honig, Nutella, Marmelade, Gelee stehen vor uns Gurken, Tomaten, Butter, Margarine, Schafs-, Hart- und Reibekäse, gebratene Wurst, überbackene Pommes, Schmortomaten, Rührei mit Tomaten und Paprika, Brot und dünne mehrlagige Fladen. Tee gibt‘s dazu und reichlich Nachfrage, ob es recht und genug sei. Ist es! Wim hat zuletzt getauscht 10 € = 170 TL. Das Frühstück mit Seeblick kostet 180 TL, wohlgemerkt für 2 Personen.

Gut gestärkt sattelt Wim die Räder. Eine Runde um den See ist geplant, bleibt aber im Sumpf stecken, da man das andere Ufer nur durch eine morastige Senke erreichen kann, was wir dann mal bleiben lassen. So kreisen wir etwas im herrlichen Kiefernduft auf gepflasterten Wegen herum, haben bei 100 aufgehört, die überall im Wald liegenden Lauben und Grillkamine zu zählen und genießen die schönen Aussichten auf den Musaözü Göleti. Und der Landrat oder was auch immer mit seinem Gefolge fahren hupend und grüßend an uns vorbei. Der Rest des Tages fließt mit uns dahin, und morgen geht es Richtung Marmarameer.

02.06.2022 Donnerstag 

Zeitig können wir starten. Gestern Abend schien es, als wäre ein Gewitter im Anmarsch, aber es verzog sich in der Nacht alles ohne Regenguss. Heute knallt die Sonne schon mit viel Kraft vom Himmel, und wir knattern vorbei an den gemütlichen Wald-Lauben und staunen nicht schlecht, denn Yussuf muss hier gewesen sein. 

Dann geht‘s raus aus dem Park und das Steilstück hinauf auf die Ebene. Hier oben im leicht bewaldeten Gebiet könnte man sich bestimmt den Wolf wandern. In der Senke unten vorm Dörfchen warnt ein Schild vor Kühen. Und da werden sie auch schon gehütet am Straßenrand. Die Bäuerin findet Zeit, uns trotz Handy am Ohr fröhlich zurück zu winken. 

In den Feldern, die sich an der Überlandstraße entlang ziehen, sind Menschen, die wie bunte Ostereier in Nestern wirken, mit harter Feldarbeit beschäftigt. Sie ernten und ackern auf Flächen, die ihnen sicher niemals gehören werden. Ansonsten fallen große steinbearbeitende Unternehmen auf. Ganze Berge sehen wie neu aufgeschüttet aus, andere wie aus- und angefressen. Natürlich wird man für die unsagbar vielen Neubauten auch das Material irgendwo her holen müssen, wie auch das nächste Städtchen zeigt mit ellenlangen Lagern von irgendwelchen Baumaterialien und Steinzeug. 

Aber sofort, quasi hinter den Ortsschildern, wird es jeweils wieder sehr ländlich. Da ticken die Uhren gewiss anders. 

Durch eine Schlucht hindurch geht es stetig bergab. Schemenhaft erkennt man fast zufällig den schneebedeckten Gipfel des knapp 2600 m hohen Ulu Dag, der den hier siedelnden Griechen als Heimstatt der Götter galt, heute beliebtes Ausflugsziel der Großstädter und das besterschlossene Skigebiet der Türkei ist. 

An Stauseen und Flüssen geht es vorbei. Wirklich Reizvolles findet sich nur selten. Auch die Stadt Bandirma empfängt uns ziemlich öde mit großem Polizeiaufgebot, wie wir das unterwegs schon häufig erlebt haben, und der verzwickten Straßenführung im Zuge einer Großbaustelle. 

Bald muss das Marmarameer doch in Sicht kommen. Und es kommt, wenn auch nicht so lieblich, wie irgendwie grundlos erhofft. Man hat ja manchmal irgendeine Vorstellung, selbst gebastelt, angelehnt an nichts. Früher reisten Kolleginnen schon erfreut ans Marmarameer. Das klang immer zauberhaft, vielleicht aber nur der Name. Denn jetzt strahlt uns zwar das Meeresblau an, aber auch ein wenig lockender Küstenstreifen. Auf dem Meer liegen etliche große Dampfer, quer, was seltsam aussieht.

Wir biegen ab auf die Halbinsel in Richtung Erdek. Hier reiht sich ein Gartengrundstück mit schmalen Stichwegen zum Strand ans nächste, genutzt als CP oder Hotel oder Ferienhausanlage. Leider ist die Zufahrt zum ausgesuchten CP zu zugewachsen, wirkt lauschig, aber wenn‘s nicht passt, passt‘s nicht. Also zum nächsten. Wim prüft die Zuwegung zunächst zu Fuß, wird unterwegs von einem Holländisch sprechenden Türken quasi versucht  umzuleiten auf seinen CP. Da der aber schattenlos ist, müssen wir dankend ablehnen und den anderen mit dichtem Piniendach nehmen. Wir passen rein. Passt, wackelt, hat Luft .. naja, viel Luft ist nicht. Der Hausherr, etwas speziell, wie man heute so sagt, weist uns einen Platz auf dem fast leeren Platz zu. Schön ist es hier mit Blick auf das Meer inmitten der Licht- und Schattenspiele der hohen Bäume. 

Was heute noch so passiert? 

DIE „Krankenfahrt“ meines Lebens! Die passiert ! 

Eine längere Geschichte zum Staunen und Wundern !

Seit Tagen macht sich nämlich ein Kratzer an meinem Bein nicht aus dem Staub, will nicht so recht heilen, trotz meiner Behandlung mit Betaisadona und einer Salbe. Mist ist sowas, aber aber aber. „Der Tod muss einen Anfang haben“, sagte meine Oma immer lachend. Seit heute Nacht sticht es verdächtig und ist unzweideutig gerötet. Mannomann. Ich fluche, was nichts ändert. Ich heule, was nur zu verquollenen Augen führt. Ich denke nach, und Wim bittet den Hausherrn des CP um Rat, der ruft ein Taxi, ich werde abgeholt. Ab geht‘s zur „Klinik“. 

Eines steht fest: wirklich krank darf man bei solch einem Krankentransport nicht sein. Murat, der Fahrer, muss annehmen, ich komme nieder, es pressiert, eilt schrecklich, Fruchtblase droht zu platzen oder Ähnliches. Oder er will einfach nur zeigen, was so in seinem gelben Spielmobil steckt, was er da so rausholen kann auf den paar Kilometern bis ins Städtchen Erdek. 

Ich jedenfalls danke dem Erfinder des Haltegriffs an der B-Säule, Ingenieurskunst vom Feinsten aus dem Rennstall „Ford“, und bin um einigermaßen damenhafte Haltung auf dem nichts verzeihenden Kunstleder der Rückbank beim Um- und Durchfahren vielzähliger Schlaglöcher bemüht. Geschmeidigkeit einer Wildkatze im Hüftbereich ist dabei absolute Voraussetzung. 

Auch Murats Musikanlage, der er richtig volle Kanne passende Mucke entlockt, spielt mit, gibt alles. Gut, beruhigend für wirklich Kranke wäre sie gerade nicht, psychologisch-therapeutisch wenig wertvoll. Aber sie vertreibt trübe Gedanken und beschert zum offenen Fenster, in das der heiße, mit feinem Staub satt angereicherte Fahrtwind strömt, der den Blick ohnehin bald verschleiert, weil die Brille eingesaut ist, ein tolles nostalgisches „Jung-und-das-erste-Mal-allein-im-Urlaub“-Feeling. Komisch. 

Angekommen mitten in der trubeligen Kleinstadt stoppt Murat elegant seine Kutsche, springt raus, öffnet Mylady ganz Gentleman die Wagentür und geleitet sie, also mich, durch eine Pforte, klärt mit zwei männlichen Bediensteten am Empfang wohl den Grund meines Besuchs. Meinen Pass möchten sie sehen, speisen meine Daten in ihr System, was einige Zeit dauert. Ich nehme an, sie können die Angaben im Ausweis nicht direkt ihren auszufüllenden Spalten zuordnen. 

Währenddessen saust Murat zur Tür, schreit irgendwas rüber auf die andere Straßenseite zu irgendeinem Mann, der wiederum ebenfalls zum Empfang bzw. zu mir kommt. Er sei Reza, habe lange in Mannheim gelebt, aber jetzt seit 8 Monaten wieder in die Türkei zurückgekehrt, erzählt er mir auf Deutsch mit Mannheimer Nachhall, als stecke ein klein wenig Bülent drin. Er würde gerne dabei sein, bei meiner „Einweisung“ und Behandlung hier, wäre sicher nicht schlecht. Nun ja, latsche ich eben mit zwei neuen Männern im Schlepptau los, es geht ja nur um meinen Unterschenkel, so hochpersönlich intim ist es ja nun wirklich nicht. 

Einen kurzen Moment nur stehen wir im gut gefüllten Wartebereich, ich werde schon sofort reingerufen in ein Behandlungszimmer, in dem 7 weibliche Wesen unterschiedlich gekleidet in einer Reihe nebeneinander sitzen und mich anstrahlen. Ich werde gebeten, mich auf die Pritsche zu legen. Eine junge Frau, in einer Art „Blaumann“ steckend, legt sich das Stethoskop um und kommt zu mir. Sie schaut sich meine Verletzung an, nickt, alles klar, 10 Tage Antibiotika. 

Brav und umsichtig übersetzt Reza alles sehr gewissenhaft und fordert von mir 180 TL, mit denen er Murat „nach oben“, wo auch immer das ist, schicken will, da ich ansonsten das Rezept nicht bekommen würde. Das sei der normale Ablauf. Ich geh dann mal lieber selber „nach oben“, wir Deutsche sind ja nicht ohne Argwohn. Schlimm! Manchmal hasse ich mich dafür. Aber man kann nicht alles zulassen, völlig fremde Männer zu peinlichen Untersuchungen mitnehmen und denen noch Geld in die Hand drücken. Wenn das schief geht, erzähl das mal einem! 

Murat begleitet mich fürsorglich. Oben in einem Büro werde ich schon erwartet von zwei jungen Damen und zwei jungen Männern, die Damen pflichtbewusst bei der Arbeit, die Herren langgestreckt auf ihren vom Schreibtisch abgewandten Stühlen. Mit Nadeldrucker, der mit seinen hohen stechenden Tönen Erinnerungen an frühe Bürozeiten und zahnärztliche Behandlungen weckt, fertigt eine Mitarbeiterin sehr freundlich das Rezept aus, nachdem ich 180 TL bezahlt habe. Ein junger Mann sagt spaßig so etwas wie: „Sag ihr doch 180 Euro!“ Ich deute es jedenfalls so, nämlich als ich „nein nein, 180 Lira“ antworte, lachen alle lauthals in der Annahme, ich hätte alles verstanden. Der junge Mann wirkt im ersten Moment leicht betreten, fängt sich aber zunehmend und setzt sich wieder vernünftig und grinsend an seinen Arbeitsplatz. 

Alles erledigt und wieder ab nach unten, wo Reza wartet. Nächste Station hat er schon vorgeplant: Apotheke. Sie liegt gegenüber, unser Besuch scheint schon angekündigt, als wir 3 eintreten. Läuft bei uns! Eine lustige, sehr hilfsbereite Apothekerin erläutert mir Medikament und Einnahme. Reza übersetzt, als ginge es um ihn persönlich und seine Gesundheit. Die Apothekerin packt mir noch eine Salbe dazu, ich zahle 70 TL, und wir 3 verabschieden uns. 

Draußen hat sich inzwischen ein Mann mit seiner Verkaufskarre voller Kirschen und Aprikosen hingestellt. Großes Hallo, man kennt sich. Sofort angelt Murat nach einem Kirschenpaar und hängt es mir ans Ohr, um danach eine Kirsche nach der anderen ohne Hemmungen von der Karre zu angeln und zu verzehren zu meinen Erläuterungsversuchen, was und wer Casanova war. Da der Kirschenmann auch leben will, nehme ich von den Kirschen 1 kg, sie lachen einen echt an und schreien förmlich: „Nimm mich mit!“. 10 Aprikosen werden nach Abwiegen noch oben drauf gepackt, und ich zahle sage und schreibe 20 TL. Unfassbar wenig. 

Reza erzählt, er habe in Deutschland auch als Taxifahrer gearbeitet, er fahre mich zum CP zurück. 70 TL pro Fahrt war vereinbart, er und Murat würden sich das dann teilen. Aber wenn ich noch was zu besorgen hätte, könne man das selbstverständlich gerne in einem erledigen. 

Ob‘s irgendwo einen Hähnchengrill gibt? Wim würde sich freuen. Kein Problem. Beide kennen einen, also wir 3 wieder ins Auto und ab geht‘s. Vorm Laden wird mit quietschenden Reifen eine Vollbremsung hingelegt und wieder raus aus der Kiste. Nein, nicht ich alleine, nein, ich und Murat und etwas später Reza, er ist schlecht zu Fuß, fühlt sich aber irgendwie verantwortlich. Schlagartig ist die Hähnchenbude voll. Murat legt mir mit Blick eines Ehrenmanns seine Hand einen Moment auf den Arm, geht nach draußen zum Schaufenster, das den freien Blick auf das bruzzelnde Geflügel bietet, und zeigt dem Hähnchenmann exakt das Objekt seiner Begierde, nämlich das Mitte Spieß Klemmende. Gut, das wird dann rausgewurschtelt aus der Reihe, geklärt ob geteilt oder im Ganzen, verpackt, 50 TL bezahlt, und wieder raus. Laden schlagartig leer. 

Ist es unverschämt, jetzt noch irgendwo ein Brot zu fassen? Nein, absolut nicht. Reza und Murat besprechen kurz, wer das beste Brot im Land hat und starten. Um etliche Ecken herum und gehörig bergauf wird irgendwo an einem Schaufenster voller Brote angehalten. Murat regelt das alleine, unglaublich, genießt mittlerweile Rezas vollstes Vertrauen, kommt aber sicherheitshalber vor endgültigem Kauf zum Auto und zeigt mir die erwählten Brote. Alles bestens. Einpacken. 

Nun aber zurück zum CP. Eine schöne Fahrt, eine schnelle Fahrt, steigen Sie ein,  steigen Sie zu, hier ist das Vergnügen, hier wird was geboten. 

Und so ist das hier wohl in der Türkei, wenn Frau allein in die Klinik fährt: 

sie kommt mit 2 neuen Männern wieder heim. 

Und Murat sagt: „Kauft man in der Türkei einen Mann, bekommt man den zweiten geschenkt!“. 

Wim hält sich den Bauch vor Lachen! 

03.06.2022 Freitag

Heute passiert mal nichts, wunderbar.

Wim frickelt einen Streuner-Sichtschutz für Gustavo. Mittlerweile ist ein Rudel von mehr als 6 großen Hunden unterwegs am Strand. Durch die angelehnte Pforte des CP kommen sie selbstverständlich herein spaziert, gesellen sich still dazu, ein Loch im Gebüsch auch noch ausgerechnet hinter unserem Womo wird als Notausgang genutzt. Chianga nimmt es gelassen, knurrt gelegentlich und dreht ihnen den Rücken zu. Sie sendet Signale, die die anderen verstehen und akzeptieren. Nur Gustavo, der angeblich so sozialisierte Hund laut Organisation, nimmt die Signale nicht entsprechend auf, vor allem ohne Respekt. Das macht alles sehr schwer. All sein Bellen nutzt auch nix, die Streuner schlendern herum wie sie wollen. Und, wie gesagt, ein ständiges Verscheuchen tut uns so leid und geht an die Nerven, weil man es einfach nicht machen will. Wir erzählen längere Zeit mit einem jungen Mann aus dem Nachbarzelt. Er berichtet uns, dass ein Teil der Bevölkerung die Streuner als Teil der Gesellschaft sehen, der versorgt werden müsse. Sie fütterten sie, aber auf medizinische Versorgung angesprochen, weiß er auch keine Lösung zu nennen. Einem anderer Teil der türkischen Familien bedeuteten Hunde nichts. So sei es ja überall auf der Welt. Und wieder andere nutzen sie eben zu Hütezwecken. Fakt ist, dass wir in allen bisher bereisten Ländern nirgendwo solch große Rudel an vogelfrei lebenden Hunden gesehen haben, und in Sizilien waren es schon viele oder an manchen Stellen in Marokko am Atlantik. Aber hier in der Türkei begegnen sie einem überall. Wir wissen sehr wohl, dass andere andere Ansichten zu diesem Thema haben. Wir wissen aber auch, dass wir auf unseren aktuellen Routen diese Erfahrungen gerade machen. 

04.06.2022 Samstag

Der heutige Tag bringt uns einen Ortswechsel. Wir ziehen weiter, aber erstmal zieht der Tjaffer seinen Hänger durch die doch schmale Ausfahrt und den rumpeligen Weg bis an die Straße und Concördchen folgt solo. Auf einer freieren Fläche vor einem Haus, an dem ich der Hausfrau zuwinke, laden wir um, Hänger an Womo, Tjaffer auf Hänger. Gerade fertig damit, erscheint ein pausbäckiger Mann mit einer Handvoll Aprikosen und drückt sie Wim durchs Fahrerfenster in die Hände. Ein zweiter eilt herbei, gleiche Prozedur. Auf‘s Foto wollen sie beide. Ja sag mal. Was ein Spaß. Sie freuen sich so über ihre gelungene Überraschung und unser perplexes Staunen. Mit diesem schönen liebenswerten Bild der beiden Strahlemänner vor Augen fahren wir am Strand des Marmarameeres vorbei bis hinauf zur D 200.

Tolle Ausblicke werden geboten auf wogende Getreibefelder vor blauem Meer. Rauf und runter kraxelt man. Wirklich eine sehr sanfte schöne Landschaft hier. 

Reisfelder schließen sich an, wo vorher Brot und Oliven wuchsen, den Wein vermissen wir, aber die Dardanellen kommen in Sicht.

Wir nehmen wieder die imposante Brücke hinüber, dieses wirklich sehr beeindruckende Bollwerk menschlichen Schaffens, verabschieden uns von Asien, und unser Kontinent hat uns wieder. 

Ziel für heute ist zunächst die Querung der lang gestreckten Landzunge und Erreichen einer kleinen „Nase“ in der Nord-Ägäis oder des Thrakischen Meeres, ich weiß nicht genau, wie sich der Meerarm hier nennt. Als Navi-Rüdiger davon spricht, nach links auf die „unbefestigte Straße“ zu wechseln, beruhigen wir ihn, denn noch ist asphaltiert, nicht beanstandungsfrei, aber befestigt, kann man grad noch so gelten lassen. Flach zuckeln wir dahin bis zu dem Punkt, wo sich eine Surfer-Ecke auftut, biegen dann nach links ab. 

Jetzt bricht der Asphalt ab. Hier ist er den Straßenbauern ausgegangen. Dann eben ohne weiter. Es ist nicht mehr weit, aber 3 km ohne Wendemöglichkeit können für ein Gespann schon belastend sein, also für den Fahrer, für Wim, den ich wirklich in jede Wildnis loslassen kann, während ich mich dem Bejubeln der herrlichen Ursprünglichkeit dieser Landschaft und dem Meer und den Farben und den Blumen hingebe. Hoffentlich liest Wim das irgendwann mal …

Ende der Wegstrecke ist schadlos erreicht. Zu Fuß prüft Wim die Stehmöglichkeiten. Es ist noch früh am Nachmittag, keiner parkt hier, keine Menschenseele sichtbar, kein Hund. Paradies in Klippenlage mit umwerfender Sicht. Umwerfend auch, weil es tierisch heiß ist, aber irgendwie erträglich, weil es ganz schön windet. 

Wir lassen uns erstmal fallen. Ob‘s 5 Minuten waren, man kann es nicht mehr sagen, denn quasi sofort rollt ein Traktor an, noch während wir überlegen, ob vor unserer Schnauze noch einer einparken könnte. Traktor passt jedenfalls. Ein verwegener schneidiger Bursche, vom Typ eine Mischung zwischen Otto Waalkes und „Fluch der Karibik“, springt mit Leckerchen bewaffnet aus seinem Trecker, füttert die Hunde, Gustavo bleibt das Bellen im Hals stecken. Er will uns nur begrüßen, fordert einen Kaffee ganz kess, aber liebenswert, und erzählt drauf los in sehr gebrochenem Deutsch. Ein paar Monate habe er in Österreich gewohnt, sei Koch von Beruf und würde am Wochenende einem Bauern helfen bei der Feldarbeit. Aha, ein zweiter junger Mann kommt hinzu per Rad. Ein kleiner Plausch und sie verschwinden wieder.

Der Abend zaubert einen phantastischen Sonnenuntergang rundum in die Welt, die um uns liegt und eine von Wim kreierte köstliche Schmorpfanne mit gekauften kleinen Köfte und breiweich gebruzzelten Auberginen mit Tomaten in feinstem Olivenöl. Einfach lecker!

05.06.2022 Sonntag

Ein Bilderbuch-Sonntag, ein Gemälde, ein Kunstwerk in Türkis-Blau. Gaby Köster hätte gefragt: „Jidd ett datt Teil och in Lila?“ Nein, gibt es nicht. Lila ist aus. Aber in Anlehnung an sie fühlen wir uns heute mal wie „die dümmste Praline der Welt“ und genießen selbige, die Welt.

Schwupp, jemand parkt, Gustavo macht den Schießhund-Job, den wir nie vergeben haben, jemand ruft „huuuiiiii“, und dieser jemand saust mit reichlich Hände voller Kirschen am anderen Ende des Womos auf uns zu, übergibt sie Wim freudig grinsend, wünscht alles Gute und verschwindet wieder. So schnorren wir uns durch die Lande, in der großen morgendlichen Stille hier, in der nur diese riesigen Ameisen auf der Erde mit ihren Schleppereien von hier nach da Radau ohne Ende machen und sich die Spinnen im Spinnen üben. 

Schmetterlinge mit Teleobjektiv jagen gelingt. Sogar eine Libelle verirrt sich nach oben auf den Klippenrand ins trockene Gehalme. Man muss eben nur lange genug warten …

… was auch für den Höhepunkt des Tages gilt, nämlich den Zeitpunkt zu erwischen, an dem uns die Bucht allein gehört, ganz allein. Nein nein, nicht dass Wim und ich nochmal nackt baden wollten, wobei das auch nicht übel wäre, nein, diese Bucht hat einen unbezahlbaren Vorzug: total eingekeilt in Klippenhänge, überschaubar und nur über eine schmale, halb zugewachsene  Betonstufen erreichbar. Ideales Trainingsareal für „Übung Freilauf“. Hier werden wir es nochmal wagen, unseren Knallfrosch von der Leine zu lassen. Wenn Chianga mitläuft, sich so viel Neues zum Erschnüffeln bietet und auch Wasserwaten gefordert ist, wird er wohl nicht direkt die Wände rauf gehn, im wahrsten Sinne des Wortes, und ausbüxen. Und der Moment kommt, die die Bucht belagernde Familie geht endlich. Nix wie runter, bevor die Abendbadenden kommen. Leinen los … Vogel frei … vogelfrei … 

Und beide Hunde haben genug zu tun, Chianga macht vor, wie man badet, Gustavo lässt sich nicht lumpen, solche gemeinsamen Erlebnisse brauchen die beiden. Und wir haben keine Bange, dass Gustavo andere Richtungen nehmen könnte. Ein herrliches Stündchen, worauf wir lange gewartet haben, was richtig von Herzen fehlte. 

Gewittrig heiß und schwül ist es. Eigentlich dürfte man sich keinen Millimeter bewegen, was wir dann auch befolgen. Es braut sich am Himmel zunehmend etwas zusammen, verzieht sich aber wieder. 

Der Abend kommt und mit ihm ein himmlischer Sonnenuntergang zur farblich sehr schön dazu passenden Hühnchenpfanne mit frischen geschenkten Aprikosen, Zwiebeln, Reis und einer bis dahin im Kühlschrank sehr zurückgezogen lebenden Zucchini. Das vom Hähnchenmann in Erdek mitgegebene Gewürz wird gleich mit verwertet. Kampf dem Verderb. So endet unser letzter Abend in der Türkei. Morgen wollen wir sehn, wie es uns in Griechenland ergeht. 

06.06.2022 Montag 

Unter dusteren Gewitterwolken verlassen wir unsere Klippennase, fahren an den schon goldenen Kornfeldern vorbei und den weiten Sonnenblumenfeldern am Meer entlang. Vor Erreichen der Hauptstraße versperrt uns das für uns wohl letzte türkische Streunerrudel den Weg und fordert hinterher rennend lauthals bellend Wegezoll. 

Sehr tropfenreich verabschiedet uns die Türkei auf den letzten Kilometern bis zur Grenze Griechenland. Eine endlos lange LKW-Schlange bewegt sich keinen Millimeter und steht. Glück haben die Jungs, dass die Sonne nicht so knallt. Was wohl der Grund ist, dass sich über Kilometer rein gar nichts tut. Wir können nebenher durchziehen, keine weiteren Autos sind vor uns, und kommen zur pompösen türkischen Grenzstation. Es dauert, und dauert, bis der Mitarbeiter die Schranke und dann sein Fenster öffnet. Pässe werden kontrolliert, Weiterfahrt abgenickt. Nächste Station werden die Fahrzeugpapiere gesichtet. Es herrscht Unklarheit und leichte Ungehaltenheit, welches Kennzeichen nun welchem Fahrzeug zugeordnet werden muss, man prüft und telefoniert und würdigt uns mit sehr strengen Blicken. Seltsam, ob sie das erste Mal einen deutschen Fahrzeugschein in der Hand haben? Nach längerem Kontrollieren, letztlich an den Fahrzeugen selber, werden wir durchgewunken zur weiteren Prüfstelle. Nochmals Fahrzeugpapiere-Studium, eindringlich, und zur Verschärfung der Situation läuft das jetzt aber hoffentlich allerletzte türkische Hunderudel auf uns zu unter den Blicken eines hochaufgerüsteten, etwas abseits stehenden Scharfschützen in Tarnklamotten. Es muss wohl alles so sein.