Rückreise ~ Kalabrien>Apulien>Ferrara>Gotthard

Montag 27.01.2014 

Ankunft Italien, der Stiefel hat uns wieder. Wir verlassen die Fähre, passieren die sehr enge Unterführung, die heute, wohl nach heftigen Regenfällen, unter Wasser steht. Über die Autobahn geht es ein Stück ins Landesinnere. Hohe schneebedeckte Bergzüge liegen um uns herum.   

Auf der Fahrt durch Kalabrien nach Norden hin wird es grauer und grauer, am Himmel und auch in der Natur, bei 11 Grad. Das strahlende Sizilien ist weg. Dank Navi wird die Fahrt wieder sehr abenteuerlich. Wir werden wieder einmal über haarsträubende, für einen LKW ungeeignete Straßen geschickt und hangeln uns irgendwie am Fußgewölbe des Stiefels entlang, quälen uns durch bis zu einem CP irgendwo an der Küste.   

Der CP ist ziemlich voll, viele Überwinterer und überwiegend Deutsche stehen hier. Sogar eine deutsche Fernsehzeitung kann man kaufen. Mal sehn, wie lange wir bleiben wollen. Wir machen das abhängig vom Wetter, das heute nicht vielversprechend ist.

Morgen ist Mercato in einem Nachbarörtchen. Da könnten wir ja einen Besuch abstatten. Außerdem hat die WLAN-Karte schon wieder kein Guthaben mehr, die Seiten im Internet werden nicht angezeigt. So ein Mist! Abends essen wir Salat, geräucherten Ricotta, eingelegte Artischocken, Schnitzel und Brot, dazu unser erstes Birra Moretti, unterwegs haben wir nämlich einen kleinen Einkauf erledigt. 

Dienstag 28.01.2014

Der Himmel zeigt sich grau, beim Frühstück regnet es. Die Entscheidung fällt nicht schwer, wir entschließen uns zum Aufbruch und verzichten auf einen ersten Marktbesuch in einem Nachbardorf. Beim Rausfahren spricht uns eine Holländerin aus Amsterdam an, weil ihr Mann auch Wim heißt. Sie hat unser Schild vorne im Womo gesehen. Sie verbringen mehrere Monate auf dem CP und lassen ihren Wohnwagen dort stehen. Ein Mann erzählt uns, er sei aus Leverkusen und überwintere dort 5 Monate. Na Prost, nicht unbedingt etwas für uns. 

Wir fahren los und kommen gut durch. Man wundert sich, wo der ganze Verkehr ist. Aber wir sind der Meinung, dass hier einfach keiner herrscht. Hier werden eben nicht so viele Lebensmittel und Geräte quer durch die Lande kutschiert, man kauft im Ort was es gibt und fertig.

Am Ende des Fußgewölbes Nähe Absatzanfang Höhe Tarent fahren wir ins Landesinnere. Bald ändert sich beinah schlagartig die Landschaft. Es gibt unendlich viele Mauern, Parzellen sind abgeteilt, die Flächen exakt bepflanzt mit Getreide und Olivenbäumen. Apfelsinen oder Zitronen gibt es nicht mehr. Hügel reiht sich an Hügel. Irgendwie kommt mir der Gedanke an Zwergenhausen oder Trollgegend. Schon seltsam und sehr verwunschen, wie eine Märchenwelt. Und da zeigen sich auch schon erste Trulli. Ich finde das sehr spannend. Alberobello, das Trulli-Zentrum, ist nicht mehr weit entfernt. 

Den SP findet das Navi sehr gut. Er liegt unmittelbar im Zentrum in einem Olivenhain. Ein freundlicher Mann kommt sofort aus dem Nichts herbei und versorgt uns mit allem, selbst mit einem Stadtplan, für 18€ die Nacht. Wirklich toll ist es hier auf dem Platz.

Aber wie toll ist erstmal das Schlendern durch die Trulli-Gassen, so ein wundersames Vergnügen in einem wirklichen Schatz, der zum Weltkulturerbe gehört, also etwas ganz Besonderes ist. 

Zunächst lernen wir:

1 Trullo ist 1 Trullo, 10 Trullos sind keine Trullos, sondern Trulli. Ganz einfach.

Ein Trullo ist ein Rundhaus mit dicken Mauern aus Naturstein, ein Trockenmauerwerk ohne Mörtel, gut gegen Hitze und Wärme speichernd im Winter. Das Typische an den Trulli sind die aus Bruchsteinen geschichteten Dächer. Es waren Häuser der armen Leute in Apulien. Schon damals im 17. Jahrhundert war man sehr darauf aus, Steuern zu sparen. Also ließ man sich Behausungen einfallen, die im Falle einer königlichen Inspektion schnell abgebaut werden konnten, nämlich nur gestapelte und gefächerte Steine. Für Häuser, die nicht existierten, brauchte man natürlich keine Steuern zahlen. Und ein Trullo war sehr schnell zu zerlegen, sofern eine Steuerprüfung nahte. Sehr einfallsreich, diese Art der Steuerhinterziehung.     

Im neueren Teil Alberobellos kehren wir in einer Bar ein, trinken Cappuchino und essen ein leckeres Törtchen. Es gibt einen Hotspot, und ich kann mal alles durchsehen und Nachrichten nach Hause schicken. Wir trinken einen zweiten Cappuchino, und dazu bringt uns doch der Mann hinter der Theke ein Stück Kuchen für jeden zum probieren, einfach so! Also man erlebt Sachen! Wir gehen noch etwas herum und schlagen dann den Rückweg zum Womo ein. 

Plötzlich gibt es einen Wolkenbruch mit Hagel, aber wie. Die Trulli-Gasse wird im Nu zum reißenden Bach. Alles fließt. Wir schaffen es zurück zum Womo, sind aber nass wie aus einem See gezogen. 

Wir lesen. Ich gehe abends um 18 Uhr zur Trullo-Kirche, weil dann eine Messe ist. Da möchte ich mir doch gerne einmal ansehen. In der Zwischenzeit wird Wim kochen. In der Kirche sind etliche Leute, sie beten den Rosenkranz. Ein Pastor kommt, Rauschebart und langes Haar, gebändigt im Pferdeschwanz, Birkenstock ohne Socken, und hält die Messe. Es wird nur am Anfang und am Ende gesungen, das hat mich erstaunt. Das Lesen der Messe auf Italienisch klingt oft wie Latein, ist ja aber klar.

Ein leckeres Abendessen wartet, es gibt Pasta, Paprika geschmort mit Pesto Genovese, dünne gebratene Scheiben vom Bovino, und den extra guten geriebenen Parmiggiano haben wir vergessen. 

Mittwoch 29.01.2014

Wir sind zeitig heute morgen weggekommen. Das Wetter ist wunderbar, blauer Himmel, Sonnenschein. Kalt ist es aber, in der Nacht war es nur 3 Grad. Die Fahrt geht bis zur Küste nach Monopoli durch herrliche Landschaft, überall Trulli zu sehen, uralte Olivenhaine, Mauern und nochmal Mauern. Ganz außergewöhnliche Bilder. 

Die Küstenstraße fährt sich gut, geht später durch ein großes Salinen- und Gemüseanbaugebiet. Ich sehe ein Flamingopaar. 

Hinter Manfredonia geht's um den Sporn, den Gargano. Zunächst verläuft die Straße breit und durch lange Tunnels, wird dann aber kurvig, steiler, Serpentinen mit wunderbaren Ausblicken auf helle steile Felsenküsten, Pinien, Buchten und türkisfarbenes Meer. Postkartenlandschaften. 

Vieste auf der Halbinsel kommt in Sicht. Wir parken ziemlich am Zentrum und durchkreuzen ein paar Gassen. Steil geht's rauf und runter, eng und unzählige Stufen. Alles hat mal wieder geschlossen. Nicht mal ein Café hat geöffnet. Wir finden eine Pizzeria und dürfen mit Bazou einkehren. Seltsamer Raum, voller Wandteller und Borde. Wir essen frittierte Fische und eine Pizza. Ganz lecker. 

Wir wollen weiter, SP oder CP suchen. Unzählige kommen nacheinander an der Straße am Meer vorbei, aber keiner scheint offen. Ein SP soll im nächsten Ort sein. GPS findet es nicht, wir wenden in enger Gasse, fahren zurück, in einem Gemüseladen nennt ein junger Mann uns einen Agriturismo Osteria Pane et Vino. Den finden wir nach kurzem Suchen. Gottseidank. Es ist schon dunkel. Wir können im Olivenhain am Lokal parken und über Nacht bleiben. 

Offenbar erwartet man, dass wir noch zu Abend essen. Wir sind zwar noch satt wie die Zecken, gehen aber trotzdem anstandshalber in die Osteria. Sehr gemütlich ist es dort. Und ein paar Gäste und eine Horde junger Leute kommen noch. Wir bestellen ohne Karte Antipasti, eine Kleinigkeit denken wir, geht immer noch. Eine Ladung kommt an auf verschiedenen Tellern mit verschiedenem Gemüse, alles sehr lecker. Ich kann nicht mehr, Wim schiebt sich noch Pasta mit Cingale-Ragout rein. Danach gibt‘s Dolci, Espresso und mehrere Sorten Schnaps. Einer der Schnäpse war grün, selbstgemacht, ein Schnaps mit Lorbeerblättern. Toll! Eine kleine Flasche schenkt uns die Wirtin später. Einfach köstlich alles und ausgesprochen freundlich. Der Chef will noch grillen, aber wir sind derart satt, dass wir abwinken müssen, was er gar nicht verstehen kann. Am Nebentisch wird später das gegrillte Filetstück Fiorentina präsentiert. Schade, dass bei uns kein Hunger mehr herrscht, das sah so toll aus, und die 3 Männer haben sich auch genüsslich darüber her gemacht. Wir zahlen 40 € für Essen, Trinken und den SP mit Strom. Beim Rausgehen gucken wir noch einer tanzenden lustigen Mädelmeute zu, sie nehmen mich mit auf die Tanzfläche, ein Tänzchen wird gemacht, und dann schleppen wir uns zum Womo und fallen ins Bett. 

Donnerstag 30.01.2014

Noch satt von gestern fällt es schwer, sich vorzustellen, abends schon wieder aus essen zu gehen, nämlich wie geplant auf unserer weiteren Reise nach Hause in Villamagna in der Fattoria Lizia, in der wir ganz zu Beginn unserer Beziehung mal gelandet waren. Wir beratschlagen und entscheiden, es nicht zu machen, sondern eher länger zu fahren bis Ferrara in ca. 600 km. Ferrara ist die Fahrradstadt, mit vielen Sehenswürdigkeiten und gehört zum Weltkulturerbe. Man vergleicht sie mit Amsterdam. Und einen SP ziemlich im Zentrum gibt es auch. Also auf, raus hier aus diesem kulinarisch exquisiten Nest.  

Die Fahrt über die Autostrada Adriatica geht zügig und flott. Die Mariella ist mit Schnee überzogen. Im Gran Sasso zeigt sich auch ein weißer Monte Imperatore. Irgendwie tut es mir leid, dass wir nun doch nicht in Villamagna einkehren.

Mit einem letzten Blick auf die sehr stürmische Adria im Gepäck, geht es die letzten 100 km über Land an Ravenna und Valli di Comachio vorbei. Alte Erinnerungen werden auch hier wach an erste Campingurlaube mit Zelt an der Adria Anfang der 70er Jahre. 

Wir finden den SP in der Stadt gut, werfen für eine Nacht 6€ in den Automat. Wim dreht eine Runde mit Bazou. Ich bereite Essen vor. Es gibt die dünnen Fleischscheiben vom Rind, aus denen ich mit dem restlichen Käse aus Kalabrien Rouladen mache, Kartoffeln, Paprika und Zucchini. Wir lesen und dann ist Schlafenszeit. 

Freitag 31.01.2014

Wir schlafen ziemlich lange. In der Nacht war es etwas kalt, am Morgen habe ich die Heizung höher gestellt. Draußen ist es grau, aber Wim kann Brötchen ergattern. So ist ein leckeres Frühstück gesichert, allerdings fehlt etwas Belag-Auswahl. Wir wollen trotz drüber Aussichten die Räder schnappen und herum radeln. Tatsächlich finden wir den im Internet rausgefundenen Wochenmarkt, viele Buden mit üblichem italienischem Sortiment. Kein Vergleich zu den südfranzösischen verspielteren Märkten. Es fehlt natürlich auch die Sonne! Ferrara hat viele Paläste und sehr eigentümliche Gassen mit Pflaster aus hochgestellten Kieseln. Schön anzuschauen. 

Das Wetter hält einigermaßen. Wir werden daher die Stadtmauern umradeln, 9 km, zur Freude von Bazou, wie sich rausstellt. Der hat viel Spaß auf den Pfaden und Wiesen und rast wie ein Berserker strotzend vor Kraft. Herrlich anzusehen. Meine erste lange Tour mit meinem neuen Fahrrad ... und das in Ferrara, auch toll! Hat sehr viel Spaß gemacht. Unterwegs ist es schon ziemlich kalt, es regnet auch, aber alles in allem gut auszuhalten, und es hat sich gelohnt.

Wir kaufen den für Ferrara typischen Schokoladenkuchen für Zuhause und einiges aus der Pasticceri für den Nachmittagskaffee im WoMo. Der wird dann auch sehr gemütlich im Warmen und Trockenen genossen. 

Wir lesen und planen die Weiterfahrt bis vor Bellinzona, dann wohl Station in Bad Bellingen, und danach werden wir weitersehen. Heute Abend gehen wir aus zum Essen. Beim Weggehen verabschiedet sich die Treppenstufe des Womos und gibt keinen Ton mehr von sich. In einer Trattoria gönnen wir uns ein 5-Gang-Menü mit typischen Gerichten, Ferraras: Suppe mit Tortellini, mit Kürbis gefüllte Ravioli und Salbei, Kartoffelpürree mit einem Sugo aus Salami, was mir aber nicht sonderlich schmeckte, und Schokoladenkuchen mit Zuppa Inglese. Danach fallen wir logischerweise ins Bett. 

Samstag 01.02.2014

Wim holt Brötchen und repariert notdürftig die Stufe. Wir entsorgen und versorgen, fahren ab und suchen einen Supermarkt für Lebensmitteleinkauf für Zuhause. Einzig zu finden ist ein Lidl, na toll! Stufenwarner plärrt auch wieder. Wir regeln alles und nehmen Ziel Locarno unter die Räder. Fahrt wieder ohne Probleme auf freien Straßen. Wir werden nach Wetterlage entscheiden, ob wir über den Gotthard fahren oder in Locarno bleiben. Locarno erreichen wir, es liegt unter heftigen Regengüssen in Nebelsuppe. Wir fahren weiter. Unterwegs zum Gotthard setzt Schneefall ein, irgendwann auch nur noch 0 Grad. Aber es ist Gottseidank noch wenig gefallen, und wir kommen vorsichtig gut durch. Hinter dem Gotthard ist alles trocken, weder Regen noch Schnee. So geht's flott voran. Kleine Pause mit Brötchen vor Basel. Es wird dann auch schnell dunkel und es regnet. So freuen wir uns auf die Therme in Bad Bellingen mit SP für 12€. Wim holt Brötchen im Rewe, wir essen die Hähnchenteile vom italienischen Lidl, Salat dazu, ein Moretti, lustiges Biathlon mit Stars im TV und dann ins Bett. 

Sonntag 02.02.2014

Wim holt wieder Brötchen und wir frühstücken gemütlich. Wir entschließen uns, über die Eifel den Rest der Strecke zurück zu fahren. Alles in allem ist das ein Umweg von 30 km, worauf es nun wirklich nicht mehr ankommt, und die Familie in der Eifel wird sich freuen.

Wir gehen aber zunächst einmal in die Therme. Das warme Wasser tut gut. Wim schwitzt ein paar Mal in der Sauna. Ich scheue das, was mir sehr leid tut. Ich bin ohnehin traurig. Verlustängste sind näher als ich denke, und immer wieder quälen mich die Gedanken an meinen so plötzlich gestorbenen Dayo, offenbar eine richtig traumatische Erfahrung, die mir immer noch sehr zu schaffen macht. Außerdem rückt die Heimat immer näher und damit Freude, aber auch viele unschöne, aufgeschobene Dinge. Ich freu mich aber trotzdem auf Zuhause, den Frühling.

Wir werden heute hier nach dem Thermenbesuch wegfahren bis zu einem Brauhaus 60 km weiter. Dort gehen wir essen und können dann kostenlos lt. ADAC über Nacht stehen. So haben wir noch ein Erlebnis. Morgen geht's dann auf zum Endspurt. Letzte Etappe Birresborn.

Und schon stehen wir nach schöner Fahrt, entlang an den leicht verschneiten Schwarzwaldbergen, auf einem großen Dorfparkplatz in Riegel. Im Vorbeifahren sehen wir den Platzanbieter lt. ADAC, das Brauhaus Riegel, heute Ruhetag! Ist nicht zu fassen. Wim geht um die Ecken und kommt strahlend zurück. Gaststätte gefunden. Wir gehen dort sehr gut und lecker essen mit Riedel Landbier. Und wir schaffen es noch, rechtzeitig zum Tatort wieder in unserem WoMo zu sein. Es wäre auch sehr schade gewesen, den zu verpassen. 

Montag 03.02.2014

Eine gute ruhige Nacht liegt hinter uns. Es hat gefroren und ist sehr neblig. Wim marschiert los und holt Brötchen, für jeden 2 - Normalzustand wird allmählich wieder hergestellt. Das letzte Stück unserer spannenden und wunderschönen Reise liegt vor uns. Bei der Familie angekommen ist die Wiedersehensfreude groß. Schön ist es, und dankbar sind wir, offene Ohren für unsere Erzählungen zu haben und einen lustigen Abend miteinander zu verbringen.

Nach knapp 6000 gefahrenen Kilometern können wir sagen:

Danke Sizilien - du hast uns begeistert.