Nordsee Skagerrak Kattegat

Dänemark empfängt uns auch erstmal regnerisch. In Ribe fahren wir gegen Abend im Sturzregen den zentralen, aber schmucklosen PP Syd an, auf dem Womos kostenlos nächtigen dürfen. Unmöglich ist es, dieses uns noch nicht bekannte Städtchen, das Älteste in Dänemark,  zu besuchen, es gießt einfach zu heftig und hört nicht auf, so dass wir uns früh in die Koje begeben. 

Am nächsten Tag fahren wir unbeirrt weiter, dem guten Wetter entgegen, über die AB bis vor Aalborg, dann links zur Küste hin. Im Svinklov in der Jammerbucht möchte ich einen Blick werfen auf die mir vertraute, wunderbare Landschaft. Es ist doch auch immer wieder schön, an geliebten Stellen, wenn auch kurz, zu verweilen. Wim versteht es noch nicht so wirklich, hier ist wieder nichts, das typisch dänische "Nichts", das aber so intensive Gedanken, ein so Bei-sich-Sein wie fast nirgendwo garantiert. Aber mit dieser „Leere“ kann nicht jeder etwas anfangen, sie positiv für sich nutzen. 

Die Reise geht weiter immer nach Norden, wirklich der Sonne nach. Wir landen in Hirtshals auf dem perfekt gelegenen CP am Kystvejen direkt am Meer. Es ist schon Abend, es bleibt bewölkt, aber rundum ist alles in sattes Blau getaucht. Wir genießen diese wunderschöne Stimmung, das alle 30 Sekunden aufblitzende Blinklicht des nahen, über 50 m hohen Fyr und die beleuchteten Silhouetten der vorbeiziehenden Schiffe. Eine herrliche Ruhe herrscht, eine besondere Welt hier weit oben.  

Natürlich wacht man an solch einem Platz froh und gut ausgeruht auf. Heller ist es am Himmel, laues Lüftchen weht, Fahrradwetter. Wir durchkreuzen den kleinen Ort Hirtshals mit seinem großen Hafengelände. Angeblich sahen holländische Seefahrer in Vorzeiten im angrenzenden Höhenzug die Ähnlichkeit mit einem Hirschhals und verzeichneten dies so in ihren Seekarten. So könnte aus dem Hirschhals der Ortsname Hirtshals geworden sein.   

Das Wetter entwickelt sich prächtig, es ist eine Wonne, sich hier im Grün und Blau zu bewegen. Ich liebe das sehr. Links vom CP zieht sich ein weiter Küstenstreifen, auf dem man auf den Klippen oder am Strand lustwandeln kann in einfach unsagbar schöner Natur, egal ob man seine Spuren durch das hohe Gras zieht oder durch den Meeressand, jeder Tritt und jeder Blick ist Vergnügen. Die glutrot untergehende Sonne am Abend krönt unseren tollen Tag am Meer, oder ich sollte sie eher "blutrot" nennen. Denn wir stehen hier am Anfang der 100 km langen, sehr weiten Jammerbucht. Ja, die Jammerbucht hat ihren Namen wirklich vom "Jammer". In früheren Zeiten sind hier unzählige Schiffe untergegangen und Seeleute umgekommen. Daran muss ich in dieser Region immer denken, wie viel Leid die Familien ertragen mussten, denn Frauen und Kinder waren dann alleine, mussten sich allein durchbringen, den Mann, Vater und Ernährer nahm ihnen die See.  

Heute zieht es uns weiter. Bis zum letzten dänischen Zipfel möchte ich Wim führen. Skagens Gren oder besser gesagt Grenen ist das Ziel. Gut, wir hätten auch ohne Weiteres noch in Hirtshals verweilen können, aber irgendwie ist schon eine erwartungsvolle Unruhe in uns, ob das alles klappt mit unserem neuen Womo, ob sie die Reparaturen und Änderungen vernünftig hinbekommen, ja, solche Gedanken eben,  die recht zappelig und unruhig machen, die uns dann auch eher zu Umtriebigkeit als zum Stillstand verleiten. 

Am frühen Nachmittag erreichen wir unser Ziel, den CP Grenen Strand und ein schönes Plätzchen direkt am Pfädchen zum Strand. So haben wir das gerne, praktisch für uns und die Hunde, mit denen es übrigens hier in Dänemark bisher keinerlei Probleme gab, nirgendwo waren wir nicht willkommen, nirgendwo haben wir Sorge um unsere Hunde haben müssen aufgrund verschärfter Gesetze, wegen derer ja im Netz oft wirklich schon hysterisch zu nennende Botschaften aufzulesen sind.  

Das schmale Pfädchen schlängelt sich an mannshohen Heckenrosen vorbei leicht ansteigend auf eine weite und breite Dünenlandschaft. Die Dünengräser wiegen sich im Wind, das Meer rauscht, es liegt uns wie ein blauer Teppich zu Füßen. Von hier oben hat man einen tollen Blick auf den CP und noch schöner auf den Leuchtturm Skagen Gra Fyr. Alle 4 Sekunden sendet er seinen Lichtstrahl 20 Seemeilen weit hinaus auf's Meer.

Wie in Dänemark vielfach zu finden, so liegen auch hier am Strand, zum Teil von Meereswellen umspült, Reste von Bunkeranlagen aus dem 2. Weltkrieg. Auch solche Anblicke lassen mich intensiv nachdenken, zum einen über die Menschen, die sich hier kämpferisch durchzuschlagen hatten, voller Angst, wie sie zurecht kommen mussten, ob sie ihr Leben retten konnten; und zum anderen wünsche ich mir, dass diese Mahnmale vielen Generationen noch erhalten bleiben mögen, dass sie noch viele Menschen nach uns bewegen und berühren können, dass diese monströsen Betonklötze erweichend wirken und zum Frieden aufrufen können.     

Das ganz besonders intensive Licht hier oben begeistert mich immer wieder. Ich kann es nur nicht einfangen wie die vielen Maler, die in den 1880er Jahren hier oben in Skagen Teil einer Künstlerkolonie waren und ihre Kunstauffassung in der Freiluftmalerei auslebten und zu großem Ruhm kamen.      

Und die Hunde haben Spaß, balgen an den sandigen Stellen herum, jagen die Böschungen hinauf durch die hohen Grasbüschel. Die großen angeschwemmten Kiesbänke, wie es sie hier gibt, sind für ihre Renn- und Kampfspielchen nicht so gut geeignet, darüber staksen sie recht langsam und bedächtig. So lassen sich Tage und Stunden herrlich vertrödeln und klingen zufrieden aus.       

Der nächste Tag bringt uns wieder auf unsere Räder. Bis in den nahen Ort Skagen radelt man ungestört. Hyggelig, wie der Däne sagt, reihen sich die Häuschen aneinander, geschäftig geht es im kleinen Hafen zu. Die Terrassen der Lokale sind sehr gut besucht, die Menschen genießen die Sonne. Ein Kamel steht vor einem Laden, das mich an Marokko denken lässt und über die riesengroße Verschiedenheit dieser beiden Länder. Beim Slagter kaufen wir marineret Svinemorb auf Flodekartofler, das sich später am Abend nach Braten im heimischen Womo-Backofen als absolute Köstlichkeit erweist.        

Am frühen Abend, die Sonne wärmt noch alles sehr schön auf, radeln wir noch nach rechts der Straße entlang an die Nordspitze nach Skagens Gren, was "Ast von Skagen" bedeutet. Wir spazieren vom Parkplatz aus am Strand entlang, blicken auf die auslaufende sandige Landzunge, eine der größten Landzungen der Welt, an der sich Kattegat und Skagerrak treffen, hier am nördlichsten Punkt Dänemarks. Allzu lange können wir uns nicht aufhalten, es dämmert, Wind frischt auf, und es wird recht kühl. Also ab ins hyggelige Womo.       

Jetzt gondeln wir schon 10 Tage herum, und heute geht es auch weiter. Am Kattegat entlang soll unser heutiges Ziel ein besonders schönes Plätzchen sein, Wim hat heute schließlich Geburtstag. Auf geht's bis zum südlichsten Punkt der Halbinsel Helgenaes zum Sletterhage Fyr in der Aarhus Bugt. Dort soll man am Leuchtturm für eine Nacht frei stehen können. Ich hoffe, das ist auch so, denn es liegt schon sehr abseits.

Und wir haben Glück. Es ist ein großer, gut besuchter Parkplatz, auf dem wir uns in hinterer Reihe eine Lücke suchen. Langsam wird es leerer, Besucher fahren, und in erster Reihe wird alles frei, so dass wir wechseln können. Wir stoßen per Fototausch mit meiner Schwester Merle an, die gestern Geburtstag hatte und im Augenblick in einer herrlichen Bucht in Kroatien mit ihrem Womo steht.    

Wunderschön leuchtet der Leuchtturm im Abendlicht. Wir spazieren etwas herum, kaufen dem Eismann quasi sein letztes Eis ab, genießen die letzten Sonnenstrahlen und das aufziehende blass-goldene Abendlicht, schauen den vorbeifahrenden Schiffen zu, und es geht uns einfach gut.    

Mutterseelenallein haben wir die Nacht an diesem schönen Fleckchen Erde verbracht und starten heute morgen weiter Richtung Süden. Von hier oben ist ja alles irgendwie Süden. Die Landschaft in dieser Region so nah an der Ostsee ist einfach schön, beschaulich und entschleunigend. Wir kurven durch die Lande, vorbei an typisch dänischen weißen Kirchen mit trutzigem Kirchtürmen, schnuckeligen Dörfern und Gehöften, Meeresarmen und kleinen Häfen.

Ankommen wollen wir in Assens Strand auf Fünen auf einem CP. Das gelingt uns auch. Der große Wiesenplatz direkt an der Ostsee hat einen Platz frei für uns. Na ja, etwas übertrieben, wir sind fast die einzigen Gäste, sehr viele Dauercamper stehen hier, aber keinen zieht es in diesen Tagen zur See, es scheint schon alles winterfest.         

Wie ein See, seicht plätschernd, Ostseefluten kullern über den Kiesstrand, ein paar Möwen, die brav verharren auf einem verwitterten Holzsteg, ein paar weiße Wolkenbänder, kristallklare Luft, ein paar braune Algenhäufchen auf hellem Kies, mehr muss es manchmal gar nicht sein, um sagen zu können: "welch ein Tag" ... der uns dann auch noch mit einem spektakulären Sonnenuntergang beschenkt. 

Mange tusend tack Dänemark. Es war sehr sehr schön bei Dir.

So endet unsere kleine Dänemark-Umrundung nach 12 Tagen bei unserem norddeutschen Händler. Wie schon fast erwartet, war unser Womo, obwohl fest versprochen, nicht fertig. Wir mussten unverrichteter Dinge mit unserem Adria wieder nach Köln zurück fahren, um dann endlich zwei Wochen später zum Abholen wieder kommen zu dürfen. Tja ... man ist ja mobil, nicht nur auf Reifen, auch im Kopf.