Mulmshorn ~ Itzehoe ~ Flensburger Förde

01.05.2021 Samstag

Es grünt so grün und die Bäume schlagen aus, daher höchste Zeit, sich in Sicherheit zu bringen ... und die waldreiche Vulkaneifel zu verlassen. Nach langen Monaten und Wochen der Unsicherheit und der Kreuz-und-quer-Überlegungen, dem Hingerissen-Sein zwischen Akzeptanz und Verständnis für Corona-„Spiel“-Regeln im Sinne der Solidarität und der eigenen Gesundheit macht ein sehr unliebsamer, aber unaufschiebbarer Termin in Itzehoe unser Abrücken nötig. Aber Glück im Unglück: „Modellregionen“ öffnen, und so freuen wir uns sehr, den winkenden bunten Flatterbändern des heimischen Mai-Baums im Dörfchen zurück winken zu können und Fahrt aufzunehmen gen Norden. Bald werden wir statt „Land in Sicht“ rufen können: „Meer in Sicht“ ! 

Meine Güte, wie nachdenklich und zweifelnd waren wir so oft in der letzten Zeit ... und mit uns Hunderttausende. Leiden wir doch eigentlich nicht so sehr unter den Corona-Maßnahmen und haben keine tief einschneidenden und Zukunft beeinträchtigenden Folgen (hoffentlich) zu erwarten, so lastet doch das Schicksal unserer Söhne, der Lieben um uns und der Menschen überhaupt wie ein Sack auf uns, und unsere eigentliche Lebensplanung, nämlich im selbstgewählten Ruhestand viel zu reisen, geht auch nicht auf. Ein Gefühl von „die Zeit rennt mir davon“ stellt sich unweigerlich ein, wobei man ja nicht weiß, ob es nicht ohnehin aufgetreten wäre, auch ohne Corona. So ist es eben mit den „Nebenwirkungen“ - die ich auch nach meiner gerade hinter mir liegenden zweiten Impfung glücklicherweise nicht zu beklagen habe, und Wim nach seiner ersten ebenfalls nicht. Durch- und angeimpft geht es also durchs Maiengrün der hügeligen Eifel-Landschaft hinab in die Rheinebene, vorbei an Rapsfeldern in strahlendem Gelb, die sich günstig auf das Gemüt auswirken. Deutlich grüner ist die Natur hier schon als bei uns in den höheren Eifellagen, in denen es in all den vergangenen Nächten noch gefroren hat. 

Wir umkreisen staulos Köln, was immer noch sehr ungewohnt ist. Sonne-Wolken-Gemisch begleitet uns auf der Route. Seltener als gedacht, sehen wir andere Womos. Nach ca. 470 km steuern wir hinter Bremen, 4 km von der AB entfernt, in Mulmshorn das Kräuter-Hotel Heidejäger an. Telefonisch hatte ich von zuhause aus schon nachgefragt, ob eine Übernachtung möglich sei. Der große Parkplatz ist leer. Ein Wäldchen und mehrere Wanderpfade grenzen an. Hier schmeckt unser erstes Womo-Dinner, das uns sehr freundlich mit weißem Tischtuch und Kerzchen serviert wird. 

02.05.2021 Sonntag

Die Nacht verläuft erwartungsgemäß ruhig und friedlich ohne Besuch irgendwelcher Ordnungsbehörden. Wir lassen uns Zeit, bevor wir wieder starten. Die lange womo-lose Zeit hat doch dazu geführt, dass noch nicht wieder alle Handgriffe und Abläufe sitzen, alles ist noch nicht wieder eingespielt, sei es die Suche nach der passenden Steckdose und z.B. die Lichtschalter, oder sei es das Finden der Plätze, damit die Hunde und wir uns nicht dauernd im Weg stehen. Das dauert immer ein wenig, ehe da wieder jeder weiß, wo er sich am besten „hinräumt“. Es fehlen immerhin gut und gerne über 220 qm an gewohntem Lebensraum, das erfordert äußerste Konzentration von jedem, sonst gibt’s schnell Ärger. Außerdem haben wir unser Concördchen noch nicht so lange. Da fällt einem eher ein, wo bestimmte Sachen im Vorgänger lagen und nicht, wo man sie nun deponiert hat. Und: man wird älter. Ja ja, auch das fordert seinen Tribut, und die Memory-Spiele trainieren. 

Aber genug gespielt, die 60 km bis Hamburg sind flott bewältigt und, wie üblich, fasziniert wieder der Blick über die gigantischen Hafenanlagen. Die weiße „Hummel“ liegt wie gewohnt vor Anker, schön, wenn mal etwas ist, so wie es immer war. Heute begegnen wir sehr vielen Womos. Zwangsläufig denken wir darüber nach, wo die wohl die Nacht verbracht haben. 

Der Elbtunnel schluckt uns, und schnell erreichen wir Itzehoe. Auf den wetterbedingt eher trostlosen sog. Malzmüllerwiesen stehen einige Womos. Und wir jetzt auch mit Aussicht auf einen kleineren See und zwischen spazierenden Entenpaaren. Hier müssen wir nun ausharren bis Dienstag ... aber dann geht‘s ab an die See. 

03.05.2021 Montag

Friedliche Nacht und Ruhe am Morgen, ja da schläft es sich schon mal eine Stunde länger. Gut so, denn den heutigen Tag müssen wir irgendwie „ableben“, den Termin morgen im Nacken. Solche Tage sind nie schön, wenn Unliebsames bevor steht. Aber der Sonnenschein entschädigt, ebenfalls die schöne Lage am idyllischen Weiher.

Einige Womos mit hiesigem Kennzeichen stehen hier. Vermutlich leben die Menschen in ihren Womos und dürfen sich hier aufhalten während der Corona-Zeit. Da alle mit sehr weitem Abstand zueinander stehen, ergibt sich kein Gespräch. Hin und wieder huscht jemand um sein Fahrzeug herum oder rüstet zum Entsorgen, mehr tut sich nicht. Außer ein wirklich Aufsehen erregendes Gefährt wird bestaunt. Wie vom Himmel gefallen und total am falschen Ort gelandet wirkt es und weckt sofort die Lust auf die Ferne, auf Marokko, Staub und Dreck und Abenteuer.

Da wir für heute abend einen Termin für einen Corona-Schnelltest, den wir morgen am CP vorlegen müssen, vereinbart haben, erkunden wir per Rad die Gegend und kurven etwas herum, gönnen uns ein Eis in der Sonne aber mit sehr kühlem Wind. Itzehoe hat ein paar schöne Eckchen, alte Fassaden und geöffnete Läden und Außengastronomie. Ein sehr sehr ungewohntes Bild: Menschen. Sie flitzen herum, shoppen, chillen, mit und ohne Abstand, mit und ohne Maske. Für so einen Montag nachmittag herrscht schon Betrieb. Ein paar Brötchen für abends wandern in den Fahrradkorb. Bis auf den Test am Abend passiert heute nichts mehr. 

04.05.2021 Dienstag

Es gießt. Aber den daraufhin verworfenen Plan, mit Rad statt mit Womo zum Termin zu fahren, greifen wir wieder auf, nachdem es sich doch noch etwas aufhellt und der Regen eine Pause einlegt. So flitzen wir los, erledigen das Nötige, verlassen Itzehoe und schlagen uns anschließend ca. 140 km weiter nach Norden durch’s Regengrau über den NOK, die Förde bis hinter Kappeln an den Ostseestrand auf den gebuchten CP Nordstern in Norgaardholz. 

Alleinlage. Wir staunen nicht schlecht darüber, kein anderes Womo vor Ort auf dem Streifen für Womos, das hatten wir anders erwartet. Der dahinter liegende CP ist wohl zum überwiegenden Teil von Dauercampern belegt. Der Mann in der Rezeption scheint auch nicht sehr angewiesen zu sein auf Tagestouristen. Klar, die Dauercamper sichern wohl das Auskommen. Er ist genervt von dem Papierkram, sie hätten so vieles zu beachten, ist aber dabei sehr freundlich und spaßig, und der Womo-Platz würde sich auch noch in den nächsten Tagen füllen. Nun zur Anmeldung:

Reservierungsbestätigung vorlegen, klappt.

Mit der Luca App auf dem Handy scanne ich den QR-Code, klappt. 

Der negative Test, ja am Vorabend in Itzehoe gemacht und per Mail erhalten, wird als Foto per sms an eine Nummer mit Angabe des Kfz-Zeichens gesendet, klappt. In 3 Tagen muss der Test wiederholt und wieder verschickt werden. 

Toilettenschlüssel wird ausgehändigt. Duschen geschlossen. Aber wir erledigen ja ohnehin alles im Womo. 

Hundestrand sofort vor der Tür.

Angrenzendes Lokal geöffnet.

Keine Menschenseele zu sehen.

Ohje, Himmelsblau wäre „nett“.

Klein wenig fehlt die Dankbarkeit in uns, nun hier auf Reisen zu sein mit Meerblick. Aber man sieht, auch das ist nicht alles ! Der Tag geht, Johnny Walker kommt .. manchmal muss man ihn einfach reinlassen, egal wie er auch heißen mag ;-). Und letztlich entlockt mir das plötzlich per sms einflatternde „danke“ auf die Zusendung der Tests doch ein Lächeln, und ich erledige noch flott das „Auschecken aus der Location“, wozu mich die Luca App auffordert, bevor Schlafenszeit ist. Also merke: Wo Dein Luca sich eincheckt, da muss Dein Luca sich auch auschecken!

05.05.2021 Mittwoch

Rumhängetag, Handbüchertag, Regentag

Nichts zu machen heute, außer nass werden.

Ich häkele, Wim liest, ich lese, Wim .. nein, er häkelt nicht. Aber als Verzweiflungstat hätte es auch im Bereich des Möglichen gelegen. Nein, eiskalt draußen, peitschende Regenschauer, wirklich kein Wetter, Spaß am Campen zu fördern. Außer uns ist immer noch kein anderes Womo hier. Gelegentlich rollt ein Kastenwagen heran, entsorgt Müll und anderes und verschwindet wieder. Die Wasserpumpe springt unvermittelt immer mal wieder kurz an. Noch ist aber der Grund nicht feststellbar. Jedenfalls steht noch nichts unter Wasser. Hauptsache, die Bettdecken bleiben nachts trocken.

06.05.2021 Donnerstag

Heute soll sich die Wetterlage bessern, scheint aber hoch oben noch nicht angekommen zu sein. Den Radausflug verschieben wir daher mehrfach. Telefonisch vereinbare ich den morgen fälligen Test-Termin in einer Apotheke im Nachbarort. Tatsächlich rollen 2 weitere Womos an. Und gleich wirkt es etwas lebendiger. Seltsam ist es für uns, hier so reserviert und gebucht zu sitzen. Bei den Wetteraussichten wären wir ansonsten aufgebrochen in eine andere Richtung. Jetzt aber „müssen“ wir ausharren, gebucht ist gebucht. 

Eine kleine Radrunde geht später noch, bis uns bei 6 Grad die Ohren abzufallen scheinen. Aber wenigstens lockert die graue Wolkendecke auf, und die Sonne kann das Meeresblau und die Rapsfelder strahlen lassen. 

07.05.2021 Freitag

Regen, aber Wetterberichte geloben Besserung. Und die zeigt sich auch im Laufe des Vormittags immer deutlicher. Weitere Womos rollen an. Der Platz ist mittlerweile komplett ausgebucht bis Ende Mai, wie uns der Betreiber erzählt. Viele werden sich freuen, noch ein Plätzchen ergattert zu haben. Bleibt zu hoffen, dass sich alle an die Regeln halten, sich testen lassen, und die Modellregionen nicht geschlossen werden müssen wegen steigender Inzidenzen. Ein Ausflug per Rad bringt uns weiter nördlich durch hügelige Landschaft mit Wiesen, Feldern und Wäldern, meist mit Blick auf die Flensburger Förde, durch die die deutsch-dänische Grenze verläuft, bis zu einer kleinen Kirche am Ostseestrand. Leider ist der Eingang verschlossen. Schade, sicher hängen die typischen großen Schiffsmodelle von der Decke hinab in den Kirchenraum, Erinnerungen an Dänemark. 

So treten wir wieder, nach einer Runde Strandflitzen, in die Pedale und den Rückweg an, und das mit Kapuze und zugeknöpft bis oben hin, denn es ist sehr stürmisch hier rund um dieses perfekte Revier für Segelsportler aus aller Welt.

Der nächste Testtermin steht an. Wir erledigen V+E und fahren zum vereinbarten Termin in den Nachbarort, wo in einem Sportheim alles vorgerichtet ist und ein Arzt die Testung erledigt. Negativ. Ergebnis per sms verschicken, fertig. Kleiner Einkauf im Supermarkt und zurück. Der Kiosk an der Badeanstalt am CP öffnet heute übers Wochenende. Das Schnitzel mit Pommes für 5,00 € ist echt klasse und wird in anderer, prächtiger - kalorienfreier - Weise von einem immer wieder auf‘s Neue begeisternden Naturschauspiel ergänzt.

08.05.2021 Samstag

Tagesbeherrschendes Thema ist das Hoffen auf Wetterbesserung und Sondieren der Lage aus erhöhter Sitzposition des Führerhauses so weit das Auge reicht …

09.05.2021 Sonntag

Muttertag. Himmelsblau. Laues Lüftchen. Nach Frühstück mit Ei wird gesattelt an diesem Tag, zum Heldenzeugen gemacht, na ja, belassen wir es mal bei der Bewältigung und dem Vergnügen einer längeren Radtour, meist immer am Ostseestrand entlang. Wir wollen Charlotte besuchen. Wir kennen uns noch nicht. Aber, wie gerade im Radio zu hören war, verliebt sich alle 11 Sekunden ein Impfling in einen anderen, und es wird um Registrierung bei www.impfling.de geworben. Mag sein, wir verlieben uns heute auch … in dieses beflügelnde Wesen, das so beschwingt daher kommt. 

Aber zunächst erwartet uns eine sehr schöne Radstrecke, vorbei an blühenden Bäumen und so gemütlichen Gehöften, hutzeligen Backsteinhäusern mit sorgsam gepflegten Gärten, überwiegend mit Meerblick zur Linken und sattem urigem Weideland zur Rechten.

Gelegentlich schlängelt sich der Radweg durch kleine Wäldchen mit ziemlich viel Matsch und großen Pfützen. Dank der breiten Schlappen auf unseren Rädern sitzt man aber fest im Sattel, und das Fotografieren während der Fahrt gelingt ohne Absturz mit gratis Schlammpackung. 

Gut gelaunte Menschen sind unterwegs. Man spürt aber deutlich die gewohnte Distanz, fast zaghaft werden ein paar Worte gewechselt, aber der Blick in maskenlose Gesichter macht schon sehr frei und froh und lässt das Gelb der Rapsfelder noch mehr strahlen. 

Die Bucht zieht sich sehr weit und lang, die See dümpelt ruhig darin und schillert in allen möglichen Blautönen. Viele Boote segeln auf der Förde, jeder genießt den sonnigen Tag auf seine Weise. 

Hinter einem kleinen Hafen führt uns der Weg erstmal etwas weg von der Küste. In einem großen Bogen umrunden wir eine ehemalige Nebenbucht der Ostsee und können hier auf der Halbinsel in der Geltinger Birk, einem weitläufigen Naturschutzgebiet, schon von weitem ein Auge auf Charlotte werfen. 

Prächtig, wie sie so dasteht, in ihrem Rock in Englisch Grün, so erhaben, die graue Haube tief ins Gesicht gezogen … aber aber: leider vergeben, schon in guten Händen, denn vor gar nicht langer Zeit wurde sich sehr liebevoll um sie gekümmert, sie wurde instand gesetzt, erhielt ein neues Reetdach und sogar neue Flügel, diese Charlotte, eine denkmalgeschützte Schöpf- und Kornmühle aus dem Jahr 1826. Nachdem 1938 der letzte Sack Korn gemahlen und 1971 das letzte Mal Wasser geschöpft wurde, verfiel Charlotte zunächst so vor sich hin, bis eben ein Privatmann Gefallen an ihr fand und ihr zu neuem Glanz verhalf. So wird sie wohl noch Jahrzehnte lang Ziel erwartungsfroher Besucher bleiben, die sich allerdings nur von außen die Nasen an ihr plattdrücken dürfen. 

Die Rückreise treten wir an, da die Wege doch von sehr vielen Menschen bevölkert werden. Außerdem lockt ein Einkehrschwung auf einer Bank im kleinen Hafen, die Gastronomie ist geöffnet.

„Erdholländer mit Windrose“ … so lese ich, so wird Charlotte von Wikipedia genannt, sehr seltsam, niemals gehört. Da lob ich mir doch eher meinen „Lieblingsholländer mit Longdrink“, der gerade auf mich zukommt, damit kann ich grad mehr anfangen als mit einem „Erdholländer“. 

Wobei er am Abend schon Tendenzen dahin zeigt, denn der Holzkohlegrill steht tief am Boden, erdnah, und mein Erdholländer brutzelt genial Leckeres zum Abschluss eines wunderschönen Tages - unter Menschen. Unterwegs sein, das ist doch etwas so Schönes, egal wie viel Dreck man am Stecken hat ... bzw. am Hänger. 

10.05.2021 Montag

Leider erleiden wir heute das gleiche Schicksal wie Samstag, und Pläne, unsere kurze Reise an anderer Stelle noch etwas zu verlängern, fallen ins (Regen)Wasser. 


11.05.2021 Dienstag

Wild entschlossen, die gut 750 km bis nach Hause in einem Rutsch abzureißen, starten wir zeitig am Morgen und landen am Abend auch unversehrt vor der heimischen Haustür. Schon ein Ritt … 

 

Welche Erkenntnisse brachten nun unsere Reisetage

unter diesen ganz besonderen Bedingungen ?

 

Die Regelungen der Modellregion waren klar und perfekt.

Die Erfordernisse waren absolut verhältnismäßig und zumutbar.

Und zudem äußerst wirkungsvoll, denn die Inzidenz war zu Beginn niedrig und sinkt weiter.

Toll, dass sich die Bevölkerung darauf eingelassen und mitgemacht hat.

Toll, dass sich die Touristen (mit Ausnahmen) angemessen verhalten haben.

Die Ergebnisse werden hoffentlich uns allen dienen und weiterführen.

 

Generell: 

Eine Buchung auf einem CP ist für uns nicht passend.

Das „Festsitzen“ bietet uns zu wenig Perspektive.

Ein Womo muss rollen … 

Aber wir sind froh, dass sich die Möglichkeit, ein paar Tage am Meer zu sein, für uns auftat und wir, egal wie, um Erkenntnisse reicher sind.