Anreise

Samstag 01.02.2020

Auf die Plätze ... fertig ... los !

Beinah unglaublich, aber heute geht's tatsächlich los. Wir sind startklar.

Der Einbau unserer neuen Heizungsanlage ist abgeschlossen, unser Womo ist mausfrei, beides Punkte, die unsere frühere Abreise verhindert haben. Aber wie sagt man heutzutage: "Alles gut!". Und es ist jetzt wirklich so. Wir sitzen drin. Motor blubbert. Haus den Jungs anvertraut. Aufatmen und Gas geben. Und doch ist ein Abschied für so lange Zeit auch ein wenig mit Wehmut verbunden, bei aller Liebe für das Reisen und die große Vorfreude auf das, was uns unterwegs so alles erwartet und begegnet. Winkend und ein kleines Tränchen erfolglos verdrückend knattern wir vom heimischen Hof.

Etliche Kilometer rutschen wir ungelenk auf den Sitzen herum. Gewöhnung muss erstmal wieder eintreten. Unsere letzte Reise liegt ja schon länger zurück. Auch die Hunde drehen und wenden sich, auch sie brauchen wie üblich doch eine ganze Zeit, ehe ihr Kleinhirn verinnerlicht: „Aha, das hier dauert wieder ...“. Das fest eingebaute Navi wird gespeist mit Ziel schon mal bis Bordeaux, alles angenommen, Bordeaux erkannt. Tja, nach so einem Update, das uns unser Neffe glücklicherweise aufgenudelt hat, weiß man ja nie. Wir fahren zwar meist mit zwei Navis, ein TomTom ist gewöhnlich auch dabei. Da muss man aber höllisch aufpassen, weil es nur für PKW ist. Üble Überraschungen könnten da auf einen warten. Lässt es sich auch lautlos bedienen, mautlos - wie eigentlich geplant - lotst es aber nicht. Menschliches Versagen, wie sich später rausstellt. Aber bei diesem grauen Regenwetter sind wir eigentlich froh über das Missgeschick. Leere Bahnen, freie Fahrt, wir kommen gut voran. Hinter Metz geht es Richtung Westen durch weites, menschenleeres Ackerland mit riesigen Feldern, unzähligen Windrädern und nur vereinzelten Waldstückchen. Und es gießt in Strömen, stürmt kräftig, Bonjour tristesse. Irgendwann kommt doch Farbe ins Spiel. Den Rand der Autobahn zieren bunte Kunstwerke in allen möglichen Formen und Größen. Sie durchbrechen die verhangene nasse Ödnis und schaffen es sogar, die Sonne hervor zu locken. Für Vieles haben die Franzosen eben das richtige Händchen. 

Tatsächlich tut die Farbe gut, sie wirkt günstig auf’s Gemüt, wird aber erbarmungslos gegen Abend von der Strahlkraft der untergehenden Wintersonne übertrumpft. Spätestens jetzt wird uns wiedermal klar, dass die Natur die Meisterin der faszinierendsten Kunstwerke ist, dass sie uns in diesen Augenblicken perfekt auf das, was an marokkanischen Schönheiten auf uns wartet, einstellt. Freude kommt auf, Wim chauffiert perfekt, Bazou und Chianga schlummern friedlich, und wir steuern einen Übernachtungsplatz in einem kleinen Dorf an, der sehr idyllisch und ruhig an einem kleinen Park liegt und nach Kartoffelsalat mit Würstchen und ‚ner Büchse Bitburger eine gute Nachtruhe verspricht. Für uns ist heute Nähe Sens „Sense“, wie man in der Eifel sagt. 

Sonntag 02.02.2020

Die erste Nacht im Womo verläuft bestens. Meine neue Matratze lässt mich nicht im Stich. Ich habe die alte getauscht gegen eine neue, exakt das Modell, das auch zuhause in unseren Betten liegt, zurecht geschnitten und genäht, perfekt. Wie wir das mit Elektromesser angestellt haben, werden wir noch in einem gesonderten Menüpunkt auf unserer Website zeigen. Den frühen Morgenkaffee und das Füllen des Reisetagebuchs liebe ich. Fast hätte ich dieses schöne gemütliche Gefühl vergessen. Aber da ist es wieder! Herrlich. Wim versorgt die Hunde, wir frühstücken zügig. Aber so richtig in die Pötte und in Fahrt kommen wir nicht. Der Abfluss in der Spüle stockt, es sickert kaum was ab. Wim popelt herum, ohne durchschlagendes Ergebnis. Wir lassen es erstmal so, fahren los. 

Es ist nicht kalt, aber wieder regnerisch und grau. Diesmal klappt es mit der mautfreien Fahrt. Die Straßenlage ist toll, soll mautfrei unter 1 Stunde länger dauern als mit Maut und das Kreisverkehraufkommen kaum erwähnenswert. Und der Unterschied zeigt sich sofort: im Gegensatz zur flotten, aber tristen Autobahn von gestern, durchfahren wir heute lebendige kleine Orte, erspähen viel französisches Flair, sehen Storchkolonien auf den Äckern, überqueren die Loire und etliche andere Flüsschen, ziehen auf der schmalen D30 durch ursprüngliche Wälder mit unfassbar prächtigen alten Anwesen, um die herum sich Jagdgesellschaften scharen. Hochfein und edel alles. Gedanken an längst vergangene Zeiten kommen beim Durchgleiten dieses schönen Landstrichs auf. Was wäre, wenn man in der damaligen Zeit gelebt hätte, wie wäre man gereist und wohin? 

Über längere Etappen können wir auch die Autobahn nehmen. Läuft. Unter den wenigen Fahrzeugen an diesem Sonntag Nachmittag fährt plötzlich ein kleines Vehikel vor uns, ein Tjaffer. Ja, so ein Zufall. Ein Tjaffer, so ein seltenes Gefährt, exakt einer wie unserer. Wir hatten noch überlegt, unseren mal wieder hinten anzuhängen und mitzunehmen, haben uns aber letztlich umentschieden. 

Alles in allem ist es eigentlich eine wenig anstrengende Route, aber am zweiten Tag sind wir erfahrungsgemäß immer etwas angeschlagen. Auch die Sonne geht heute weniger schillernd unter, als wir unser Nachtquartier anfahren, einen kleinen sauberen Platz in den Wiesen um Nonaville, nicht weit entfernt von der Autobahn. 

Vor dem sonntäglichen Tatort schmunzeln wir noch beim Abendessen, das uns Gulasch von zuhause mit Kartoffeln beschert, darüber, was sich auf einem Picknickplatz heute zugetragen hat, als wir ein Päuschen machen. Während ich auf die Schnelle zwei Brötchen mit Fleischsalat und eine halbe Rosinenschnecke zu einer Flasche Milch im Womo serviere, sitzt an einem Holztisch draußen ein französisches Paar, das sich schon mit Stoffservietten und Weinflaschen schön aufgetischt hat und vornehm isst, also quasi eher speist. Ich kann nicht anders, hänge mich halb verdeckt hinter den Vordersitzen in gute Position und halte dieses Stillleben fotografisch fest. Ich bemängele unsere Tischkultur im Wechsel mit reichlich Lob für die unserer Nachbarn. Bevor das schlechte Gewissen, solch stillose Banausen zu sein, Überhand nimmt, riskiere ich nochmal einen Blick durch die Frontscheibe. Und mir fällt fast die Rosine der Schnecke aus dem Mund vor lauter Staunen und Entgeisterung. Unglaublich, unfassbar! Greift sich doch die französische Madame, nachdem sie offensichtlich die Contenance über Bord geworfen hat, eine der zwei Weinflaschen, setzt deren Hals an ihren Mund und kippt sich genüsslich und enthemmt den Rebensaft in Ihren gierigen Schlund. Ja, hast Du sowas schon gesehen? Nein, Bazou hat sowas auch noch nicht gesehen! Und noch ehe ich die Fassung wieder gefunden habe, greift nun auch noch der Monsieur zur Rotwein-Pulle, ich zur Kamera, und wir legen an. Beide erreichen wir das Gewollte. Und die Moral von der Geschicht‘: Und ist die Cuisine auch noch so haute, beim Franzos ist auch nicht alles im rechten Lot! Guten Gewissens trennen sich unsere Wege. 

Montag 03.02.2020

Ein Wasser-und-Wein-Tag, so könnte man den heutigen Tag nennen. Er beginnt nach einer seelenruhigen Nacht in kaum wahrnehmbarer Hörweite zur Autobahn. Der Morgen strahlt. Schon im Womo merkt man, dass es erheblich lauer und wärmer sein muss. Da unser Abfluss leider wie von Geisterhand nicht frei geworden ist, werden wir Mr. Bricolage aufsuchen und eine Spirale besorgen. Rund um Bordeaux werden wir fündig. In einer Pharmacie kaufe ich Nasenspray und eine kleine Tube Vaseline. 15 € dafür finde ich sehr viel, weiß aber auch gar nicht, wie das so in Frankreich mit Medikamenten ist. Und der erste Einkauf steht an, SuperU, hinein in den Fressalienpalast. Mit dem knallbunten Einkaufswagen rausche ich durch die Gänge und schwelge in einem Gefühl von schönen Erinnerungen und prickelnder Vorfreude. Ja, damals schmeckte dies so toll, und damals in Dings haben wir das zum ersten Mal probiert, und ob sie wohl Jenes auch haben? Fragen über Fragen, deren Antworten an der Wursttheke gegeben werden. Natürlich gibt es Rillettes und Pate und Terrine. Oh, das Paradies in Steinguttöpfen. Nach mehreren Brocken Französisch wandern etliche Brocken vom Herzhaften in den Wagen. Und weiter geht‘s, Boulangerie auf 12 Uhr. Baguette, schmales für den Abend und breiteres für‘s Frühstück, krümelt mich quasi aus dem Regal schon an. Dazu nehme ich die Sünde in Boxen: Mini-Blätterteig-Mischung, und davon gleich 2, ich kenne uns ja. Gut, Fromage blanc, Lieblingsmarmelade, Tomaten und eine Gurke schaffen es auch noch in den Wagen, frisch und gesund soll‘s ja sein, wir sind schließlich in einem Alter, in dem man nichts mehr dem Zufall überlassen darf. 

Im Womo verschwindet alles in den letzten freien Ritzen, und weiter geht‘s vorbei an Rebenfeldern, Äckern und leuchtend gelb blühenden Büschen über total freie AB-Spur gen Süden. Auf der Gegenfahrbahn windet sich der fast durchweg weiße LKW-Lindwurm gen Norden. Wir überqueren den breiten Fluss Adour, und der Blick darüber ins Blaue auf die Flusslandschaft und die sich spiegelnden Brücken ist phantastisch. Bald wird die Gegend hügeliger, Alpenvorland, könnte man annehmen. Im Hintergrund türmen sich die Pyrenäen auf, geisterhaft im Dunst, als fahre man durch ein Schwarz-Weiß-Foto. Alles an Farbe verschluckt. Aber an den Sonnenseiten strahlen grüne Wiesenmatten und wunderschöne blütenweiße Häuschen im typischen Stil mit roten Holzverzierungen um die Wette. Durch schroffe Bergwelt und viele Tunnel frisst sich die Straße, einen Blick auf’s Meer können wir in Orioko Itsasadarra an der Punta de Antilla erhaschen, dieses Blau vertreibt vieles vom Grau und Rauh, auch innerlich. 

Spanien nimmt uns auf und gibt gratis noch jede Menge Xe und Zs und Ys dazu. Unglaublich unaussprechlich, was man so auf Schildern hier im Baskenland auflesen kann, oder eben nicht. Wir verlassen Nähe Vitoria-Gasteiz die AB, in 12 km werden wir einen Übernachtungsplatz ansteuern. Aber das werden lange 12 km, sehr lange, und sehr stille 12 km. Unser Arto muss sich nämlich über enge, steile Serpentinen bis auf Baumwipfelhöhe durch die finsteren Wälder hinauf kurbeln, links Stein, rechts Schlucht. Ich spreche Wim nicht an, besser so. 

Irgendwo oben angelangt, wird die Straße gefälliger, die Landschaft weiter, wir sind angekommen in De Ozaeta a Landa am Embalse de Ullibarri-Ganboa. Auf einem befestigten Parkplatz an den Uferwiesen bleiben wir. Nach einem schönen Spaziergang am See mit Bildern wie in einer Kunstausstellung alter Meister, reichlich Hundeauslauf und friedlichen spanisch-deutschen Hundebegegnungen und Blick auf die untergehende Sonne über Txoisa Auzoa - welch ein Name - tischen wir uns mal richtig auf: nix Wasser, stattdessen Wein - und natürlich französisch-herzhafte Leckereien. Die gute Nacht ist garantiert hier oben im wilden Baskenland auf 550 m. 

Dienstag 04.02.2020

Ein Morgen am See ... so könnte es sein, aber wir wollen und müssen weiter. Eine lange Strecke ist es eben bis Algeciras, da muss man durch. Außerdem „zieht“ Marokko schon mächtig. Es bleibt gerade noch Zeit, den kleinen Piepmatz zu fotografieren, der sich an der Baumrinde vor unserem Fenster zu schaffen macht und geduldig für mehrere Fotos posiert. Aber dann wird zügig angespannt, Sprit und Wasser fassen, bevor wir unsere Reise über die mautfreie AB fortsetzen. Der Himmel ist neblig verhangen, Regen droht, hält sich aber zurück und überlässt nach und nach der Sonne das Himmelsfeld. Urige alte Örtchen mit mächtigen Kirchen sieht man, aber auch weitläufige Neubaugebiete mitten auf dem Feld, uniform Häuschen an Häuschen, alles ein Modell, ohne jeden Unterschied. 

Viele Kilometer windet sich die sehr wenig befahrene AB durch Olivenhaine so weit das Auge reicht. Am Horizont ragen schneebedeckte Berggipfel hervor. Ich hatte diese Stecke öde in Erinnerung, aber so ist es gar nicht, habe ich wohl verwechselt. Wir sind Teil der nach Süden rollenden LKW-Karawane und kommen gut voran. Die Suche nach einem Pausenplatz ist allerdings ein Dilemma. Kleinere Parkbuchten bieten ein katastrophal vermülltes Bild, da will man „nicht mal einen Hund vor die Tür lassen“. Einen Rastplatz steuern wir an, ebenfalls nur Dreck, nicht begehbar. Der nächste scheint ein wenig besser, auch hier trügt der Schein, also nur kurze Runde an der Leine, ein paar Blätterteighäppchen verschlingen, weiter geht‘s. Sobald die Olivenplantagen auflockern, grasen Rinder auf den grünen Wiesen, auf denen sehr viel Wasser steht, sich größere Teiche gebildet haben und auf fast allen Strommasten Störche in ihren Nestern lauern. 

Unterwegs durchqueren wir immer mal wieder bei sonnigem Wetter aus dem Nichts auftauchende Nebelbänke. Übernachten wollen wir an einem der vielen Stauseen. Nähe Caceres liegt etwas Passendes 6 km abseits der AB. Die Hoffnung, dass es nicht wieder solch lange Kilometer wie gestern werden, zerschellt flott. Zum einen kommen uns auf halber sehr schmaler Strecke LKW entgegen, Wim muss zurücksetzen ein ganzes Stück, der Fahrer signalisiert seinem folgenden Kollegen per Funk, er solle warten und uns erst passieren lassen, und wir quetschen uns knapp aneinander vorbei. Und das alles im dichten Nebel, in den wir hinein fahren. Vor einem rechts gelegenen Höhenzug sahen wir schon ein dichtes weißes Nebelband, sehr seltsame Naturerscheinung für uns. Und es stellt sich heraus, dass dieses Band exakt dem Lauf des breiten Flusses Tajo folgt, der den Stausee füllt. Offenbar führt der Sonnenschein zu starker Verdunstung, die sich wie ein weißer Schal ins Flussbett legt. Ob das so ist, keine Ahnung, jedenfalls bietet sich uns ein phantastisches Naturschauspiel, das allerdings unten am Ufer, das man natürlich nicht sieht, nur noch lausig und suppig im Nebel endet. Wir fahren weiter in den nächsten Ort auf einen kleinen Platz am örtlichen Schwimmbad. Ein Womo aus Hannover steht schon dort. Schemenhaft lässt sich erkennen, wie es wohl in 2 m Entfernung um uns herum aussehen könnte. Wim macht sich am Abfluss zu schaffen, versucht es mit der Spirale, schraubt den Boden des Spülenschranks raus, schiebt sich halb in den Unterboden, montiert einen Krümmer ab, nichts Auffälliges. Also muss er zum Abwassertank vordringen, was aber heute Abend hier im Land der Nebelkrähen nicht mehr probiert wird, da wir dafür einen Teil der Stufe zum Schlafzimmer ausbauen müssen. Wenn alles gut läuft, sind wir morgen in Tarifa, und pausieren, falls das Wetter mitspielt, mal einen oder zwei Tage auf der wunderschön gelegenen „Landebahn“. Tarifa ist herrlich. Wichtig beim Womo-Reisen ist, sich nicht von Unabänderlichem runterziehen zu lassen. Es wird sich alles regeln. Positiv unterstützend wirken die gemütliche Wärme der Heizung, das lekker Pilsje, Terrine und Pate. Schluss für heute. 

Mittwoch 05.02.2020

Aha, so sieht es also hier aus. Man kann die Hand wieder vor den Augen erkennen und sehen, dass das hier ein sehr angenehmes Übernachtungsplätzchen ist. Zur Rechten liegt ein kleiner Park mit großem Wasserbecken, vor uns das Dörfchen, links schiebt sich ein hoher Bergrücken ins Land, davor Wiesenland, durch das Wim direkt mal mit den Hunden eine Gassirunde dreht. Das kniehohe Gras ist ziemlich nass, die Sonne kommt aber zum Vorschein und vom Nebel keine Spur mehr. Der Tag wird blau. Im Dorf wird noch getankt und Brot besorgt. Wim wird von der Bäckersfrau gefragt, ob er Pilger sei. Nun ja, nicht so direkt, aber irgendwie ist jeder Mensch ein Pilger. Und während wir so darüber nachdenken und uns an die gestern gesehenen Camino-de-Santiago-Schilder erinnern, stapfen auch schon zwei junge Leute mit Rucksack und forschem Schritt an uns vorbei. Ich bewundere immer wieder die Pilger, aber auch, wo der Pilgerweg überall entlang führt.

Die Fahrt weiter gen Süden wird eine Fahrt ins Blaue, sehr schönes Wetter und blauer Himmel, blaue Flüsse, blaue Seen. In schattigen Lagen glitzert der Boden silbrig-weiß, ist überspannt mit Raureif. Scheint man auf der Mittelmeerroute durch die Obst- und Gemüseabteilung zu fahren, so sind wir hier etwas ungesünder, aber genussreicher unterwegs. Riesige Olivenplantagen, irgendwann mischen sich Äcker mit Weinreben dazu, Weideland voller Hinkelsteine und große Rinder- und Schafherden dazwischen, uralte Olivenbäume, um die sich Pferde und Schweine scharen. Ein Paradies, das man - Vegetarier mögen uns das verzeihen - „zum Fressen gern haben“ muss. Es ist wirklich ein toller Anblick, all die Tiere so frei in der Natur zu sehen, wenn man bedenkt, wieviele Nutztiere ihr Dasein nur in Ställen oder unter  Bedingungen, die noch weitaus schlimmer und qualvoller sind, fristen. Auch ein Thema, über das wir unterwegs lange nachdenken und man sich zu allererst an die eigene Nase packen muss. Diese Gedanken werden schnell verdrängt und durch solche an Marokko ersetzt, als wir schon 300 km vor Tarifa durch ein Straßenschild auf Tickets für die Fähre aufmerksam gemacht werden. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir auf unseren ersten beiden Winterreisen nach Portugal und Südspanien richtig wehmütig wurden und sehnsüchtig über eine Marokko-Reise nachdachten, aber noch nicht allen Mut, und einiges andere, beisammen hatten. Und jetzt peilen wir Marokko schon zum dritten Male an. 

Sevilla grüßt mit stärkerem Verkehrsaufkommen. Von der hohen Brücke aus werfen wir einen Blick auf den SP unten an den Hafenanlagen, von wo aus wir diese sehenswerte Stadt schon einmal besucht haben. Bis Tarifa, unserem Tagesziel ist es nicht mehr weit, aber es zieht sich und zieht sich. Die Vegetation wird mediterraner, der Oleander steht prächtig mit glänzend grünem Laub, der weiße Ginster blüht, die Tamarisken schimmern rotgolden, und alles wird überschirmt von alten hohen Pinien. Die ersten weißen andalusischen Dörfer sieht man auf den Kuppen, viele Störche in ihren Strommastnestern, Bewässerungsrinnen auf den Feldern. Aber die letzten 200 km gleichen einem Bullenritt. Es blästert und stürmt gewaltig, dunkelgraue Wolken versprechen nichts Gutes. The Rock hat sich was übergezogen, nur schemenhaft kann man den Felsen von Gibraltar erkennen. Algeciras liegt unter einer Wolkendecke. Richtung Tarifa klart es auf. Und der Blick auf Marokko und das Rif-Gebirge öffnet sich. 

Schade, ich sah uns schon mit Blick auf den Atlantik und Füßen im Sand mit einem Glas Wein sitzen. Daraus wird nichts, es ist zu frisch und stürmisch, und auf der „Landebahn“ darf nicht mehr übernachtet werden. Parken tagsüber ist noch erlaubt, dann muss man gegenüber auf einen Schotter-/Wiesenplatz fahren, der nur über eine für uns kaum überfahrbare hohe Krempe zu erreichen ist. Ach ja, so ist wieder ein kleines Paradies für Womos zerstört, wir fanden es dort immer herrlich. Damit ist klar, dass in dieser Gegend alle Übernachtungsmöglichkeiten wohl nicht mehr existieren. Wir machen einen kurzen Strandspaziergang zum Vergnügen der Hunde und rollen zum CP Rio Jara, missmutig, oh ich liebe ja CPs, mannomann, aber was soll‘s. Die Parzellen (dieser Name schon allein!) sind sowas von eng, scheußlich. Aber unser Abfluss muss gereinigt werden und auch sonst noch einiges. Wir bleiben erstmal bis morgen, ggf. bis übermorgen. Versöhnlich stimmen Martin, ein freundlicher Nachbar im Kastenwagen, dessen Ridgeback mit über 13 Jahren gestorben ist, und ein flammend roter Sonnenuntergang. 

Donnerstag 06.02.2020

Ein sonniger Tag bricht an nach einer sehr stürmischen Nacht. Erst vor kurzem zog ja ein Orkan über die Mittelmeerküste hinweg und richtete in vielen Orten totale Verwüstung an. Für die Spanier ist das wirklich schrecklich und existenzbedrohend, und viele Camper haben angstvolle Zeit dort ausstehen müssen. Das alles wünscht man niemandem. Wir bleiben heute noch hier, entsorgen das Grauwasser, der Tank muss leer sein, bevor Wim sich den Abflussarbeiten widmet. Letztlich baut er das Stufenpodest zum Schlafzimmer aus, kann so besser die Lage um den Abwassertank sichten und feststellen, dass nichts ist, alles in Ordnung. Na, Gott sei Dank, ich hatte schon befürchtet, dass sich nach unserer Mäuseplage eine Maus irgendwo rein gequetscht haben könnte. Mehr durch Zufall guckt er sich dann nochmal die Verrohrung unterhalb des Spülbeckens an. Und tatsächlich, da sitzt der Pfropf. Endlich, wir haben die Ursache. Nach einer Ausschabung mit ordentlicher Spülung ist jetzt alles wieder montiert und dicht. Das erste Sonnenbad wird genossen, auch wenn ein frischer Wind weht, und die Zeit vertrödelt. Ich plane etwas vor für Marokko, und ein Spaziergang am Strand beschließt den Tag. Morgen geht‘s nach Algeciras, Ticketkauf bei Carlos. 

Freitag 07.02.2020

Heute brechen wir auf, Fährticket besorgen steht an, restlichen Proviant im spanischen Supermarkt beschaffen, Sprit und Gas tanken. Auf dem CP wird noch entsorgt und Wasser getankt. Es weht ein laues Lüftchen bei diesig-wolkigem Himmel. Einige Kühe grasen vor sich hin auf den Salzwiesen am Atlantik. Der CP hat einige schöne andalusisch-bunte Ecken in leuchtenden Farben. Gerade liefert ein portugiesischer LKW eine schwarz-weiß gefleckte Kuh mit passendem Kälbchen (seltsamerweise mit Euter) und ein graues Eselchen, fast lebensgroß, Plastik. Sie werden liebevoll auf einem Rasenstück im Eingangsbereich platziert. Man gibt sich Mühe. Und die Figuren auf dem kleinen Brunnen haben nun Gesellschaft. Vermutlich gelten die Weihnachtskugeln, die in den blühenden Sukkulenten hängen, als Ganzjahresdeko. Auch das Waschhaus ist picobello, sehr geräumig alles und richtig heißes Wasser zum Duschen. Also meine CP-Abneigung ist hier nicht so wirklich angebracht, da muss ich auch nochmal einiges in mir überdenken. Hier steht man nämlich mit Blick auf den Atlantik sehr viel besser als auf dem holprigen Staubstück an der vielbefahrenen Straße weiter oben ohne jede Aussicht. Und 20 € pro Nacht ohne Strom ist sehr moderat. 

Farbenfroh geht es weiter, nämlich beim Anfahren von Algeciras. Die blauen Hafengiraffen, die Kräne, liegen zwar wie der Felsen von Gibraltar etwas im Dunst, aber davor türmen sich bunte Würfelhäuser in vielen Farben, als habe jemand einen Eimer bunter Holzklötzchen ausgekippt. Man muss schmunzeln bei dem Gedanken, wie da wohl jeder noch sein Haus wiederfindet, vor allem wenn Vino im Spiel ist. Jedenfalls farblich und von der Bauweise her fühlen wir uns schon leicht an Marokko erinnert. 

An einer Repsol-Tankstelle tanken wir Diesel und Gas. An der Abfahrt 112 steuern wir kurz einen Carrefour an, um Wein zu bunkern und dann um die Ecke den Ticketman der Ticketmänner: Carlos. In seinem winzigen Laden bedient uns ein freundlicher junger Mann, ganz sicher ein Familienmitglied. 190 € hin und zurück, vor 2 Jahren kostete es 220 €, allerdings sind wir damals ja auch schon im Januar gefahren. Er kopiert die Fahrzeugpapiere, fertigt die Tickets aus, überreicht uns das obligatorische Vino-Plätzchen-Präsent, der Patron Carlos sei gerade beim Essen und wünscht gute Reise. Beim Auffahren auf den gegenüber liegenden PP, den die Marokko-Fahrer für die Übernachtung nutzen, sehen wir, wie er einen Einkaufswagen voll vorbereiteter Präsenttüten durch die schmale Ladentür zieht. Kein Wunder, denn wie in einem Taubenschlag fliegen die Womos ein, die ja auch alle Tickets brauchen. Alle möglichen Modelle mit allen möglichen Typen, wüstentauglich und -untauglich, mit hohen 7stufigen Einstiegstreppen, umgebauten Setra-Bussen, Transporter, kleine Kastenwagen, Integrierte, Teilintegrierte und Liner, eine bunte Mischung, die sich in Marokko - und gewiss darüber hinaus - in alle Himmelsrichtungen verteilen wird. Neben den, wie immer, vielen Franzosen fallen uns erstaunlich viele deutsche Kennzeichen auf, anders als in den Vorjahren (später sehen wir, es ist der Start-Treffpunkt einer geführten Reise von Dr. Soundso). Ingrid, eine liebe, sehr Marokko-erfahrene Wohnmobilistin aus unserer Facebook-Gruppe, besucht uns, sie sind gerade von langer Marokko-Tour zurück und stehen auch hier in dieser Ecke. Wir plaudern etwas und wünschen uns gute Reisen. 

Auch jetzt, wie die Male zuvor, liegt eine seltsame Stimmung über dem Platz. Möglich ist aber, dass man die eigene Stimmung darauf überträgt. Abwartend und vorfreuend stehen alle hier, alle nach einer gemeinsamen Nacht mit einem Ziel vor Augen. Wir finden auch jetzt bei unserer dritten Reise nach Marokko, dass nichts eingebüßt hat, weder Reisefieber noch Vorfreude auf dieses phantastische Land. Und auch noch etwas wird so wie jedes Mal sein: das Abendessen liefert McDo, obwohl wir keine echten Freunde davon sind, aber es liegt quasi hier vor der Nase und bietet sich an. Tradition ist Tradition.