Sanlucar de Barrameda > Sevilla > Cordoba

09.02.2016 Dienstag

Sevilla ( N 37°21’46“ – W 5°59’38“ )

Der Himmel ist bewölkt, der Wetterbericht nicht so gut. Kurzentschlossen werden wir heute abreisen, diese entspannend-schöne Gegend hier verlassen und 160 km weiterziehen nach Sevilla, der Hauptstadt Andalusiens und der Wiege des Flamencos, wie man sagt. Geplant ist im Folgenden, über die Mittelmeerküste nach Hause zu fahren. Die Algarve wird nicht besucht, da sich die Wetterprognose für das Mittelmeer einfach besser anhört. Ich räume also auf, wische und kehre, dusche, wir entsorgen, zahlen 69€ und verabschieden uns von dem sympathischen Pep Guardiola, der in Wirklichkeit Alfonso heißt. Schöne Tage waren das hier, einfach schön und so passend für uns. Unterwegs laufen zwei rappeldürre Galgos wirr über die vielbefahrene Landstraße, es macht mich derart traurig, und ich bin auch richtig böse auf diese idiotischen Spanier, die diesen Hunden unsägliches Leid zufügen, sobald sie nicht mehr für ihre Jagdzwecke taugen. Einfach zutiefst herzlos und bestialisch. Wir lassen uns per Navi in Sevilla zu einer Gastankstelle lotsen, nie hätten wir die gefunden, ist zudem wie gewohnt keine Repsol Tankstelle, sondern eine Hinterhoftanke im Nirgendwo. Aber Gas gibt‘s, toll. Dann geht‘s weiter um Sevilla herum zum sehr zentralen SP am Guadalquivir, an dessen 80 km entferntem Mündungsdelta das von uns eben verlassene Sanlucar de Barrameda liegt. Auf einem Werksgelände, das wir problemlos finden, befindet sich der SP. Der riesige bunte MAN steht dort und auch andere Womos, die wir von unterwegs kennen. 

Es ist zwar schon Nachmittag, aber wir satteln die Räder, trinken vorher noch Kaffee, und los geht‘s über die Brücke zu den Sehenswürdigkeiten. Radfahren ist hier sehr problemlos möglich, es gibt keine Steigungen, vielmehr liegt die Stadt nur 6 m über Meeresspiegel in einer weiten fruchtbaren Ebene am Fluss, der bis hierher von schweren Seeschiffen befahren werden kann. Bestaunenswertes ist hier überall zu finden, Cathedrale, Alcazar, Universität, ein Torre, der Spanische Platz, alles sehr beeindruckend, wirklich herrliche Bauten und freie Plätze mit wunderschönen Bauwerken, kunstvollen Bodenplatten und Parks und unzähligen Kutschen. Eine Freude, mitten hindurch zu radeln und einen kleinen Eindruck dieser wundervollen Stadt zu gewinnen. Ganz gewiss kann man hier Tage verbringen und sich vom andalusischen Flair verzaubern lassen.

An einem Platz haben wir uns länger wie gebannt aufgehalten: an der Plaza de Espana, ein riesiger, 50.000 qm großer Platz, der mit einem halbkreisförmigen Gebäudekomplex auf fast 20.000 qm umrahmt ist, sich aber mit über 30.000 qm für den Betrachter als freie Fläche öffnet. Das Gebäude soll, wie ich las, symbolisch die Umarmung der südamerikanischen Kolonien durch Spanien darstellen. In Richtung Fluss öffnet der Halbkreis sich symbolträchtig quasi als Wegweiser nach Amerika. Im Jahr 1928 war dieser Komplex vollendet, der 1924 von über 1000 Arbeitern begonnen wurde. Man könnte sich in den zauberhaft verspielten Azulejos stundenlang verlieren, oder will man doch eher seine Blicke und Gedanken in dem über 500 m langen ringsum laufenden Kanal, über den vier Brücken führen, die für die vier alten spanischen Königreiche stehen, versenken und einfach fließen lassen. Ein Ort voller detailverliebter Schönheiten, einfach zum Dahinschmelzen. 

Spät sind wir wieder am Womo, unterwegs Sprühregen, aber machbar. Dicht neben uns steht ein best-Ager Schweizer Paar mit einem Kastenwagen. Ich erlebe zwangsläufig hautnah, was das für ein Unding ist, darin zu hausen, schlimm, einfach schlimm. Nie könnten wir das. Allerdings ist es kein Kastenwagen als Womo ausgestattet, sondern eher nur ein Transporter, ein Sprinter, mit Koch- und Schlafmöglichkeit. Das An- und Ausziehen erfolgt vor der Tür, da der sehr begrenzte Raum im Fahrzeuginneren derartige Übungen nicht erlaubt. Eigentlich ist nur ein Rumgekrieche darin möglich, aber auch nur dann, wenn nur eine Person im Wagen steckt. Nachtlager können sie nur nach einem Geräume von Utensilien und Klamotten von hinten nach vorne aufschlagen, morgens aufstehen nur, wenn dann wieder von vorne nach hinten alles geräumt wird. Au Backe. Sie erzählen uns später, dass sie auf Rundreise seien, mit ihrem Vito schnell von A nach B kämen und sich nicht lange irgendwo aufhalten wollen. Klar, verständlich, bei diesem ungemütlichen bereiften Zuhause wäre es mir auch lieber, es läuft, weg, nur weg. Aber ich will nicht urteilen, jeder nach seinem Gusto. Es fällt aber auf, dass die beiden nicht zufrieden wirken. Ich wärme das Schweinefilet, Brot und Salat essen wir dazu. Der grüne Spargel vom Markt ist Obermist, bitter und ungenießbar, trotz braten in Olivenöl und Honig. Ärgerlich. Wir sehen einen Film mit Marielle Millowitsch und Helmut Krasnitzer, richtig gut, bedrückend. Bazou zeigt sehr großes Interesse an Chianga, Wim ist nervös, aber Chianga hat ja noch keine Blutungen, also dürfte wirklich noch nichts ernsthaft beunruhigen. Wir werden aufpassen, was die kommenden Tage zu diesem Thema bringen. Wohlgebettet und gut flankiert von all den anderen eng zusammen stehenden Womos schlafen wir ein in Sevilla. Denn sie will ja, sie will ja, sie will ja nach Sevilla, zu Hause wär's billja, doch sie will nach Sevilla ...

10.02.2016 Mittwoch

Cordoba ( N 37°52’28“ – W 4°47’12“ )

Bei leichter Bewölkung fahren wir in Sevilla los, zahlen 12€, lassen die Hunde nochmal flitzen. Unterwegs bis Cordoba, ca. 160 km, wird der Himmel immer dunkler. Es regnet aber nicht. Ewig weite Felder überziehen die hügelige Landschaft. Cordoba erreichen wir schnell und ebenfalls den vor einem großen Friedhofsgelände liegenden PP mit Erlaubnis für Womos, dessen Einfahrt an Pollern vorbei allerdings sehr eng ist. Hier ist, im Gegensatz zu Sevilla, nichts los, nur zwei Womos stehen da, wovon eines bald abfährt. Seltsam. Das hätte ich nie gedacht. Aber es ist noch früh im Jahr, auch für Wohnmobilisten.

Und für uns geht es wieder los: Räder satteln und nach einer Kaffeepause Hunde verladen und Abfahrt. Das Zentrum der Stadt Cordoba, die sich verstärkt um die Förderung des Radverkehrs bemüht und die im 10. Jahrhundert mit einer halben Million Menschen zu den größten Städten der Welt gehörte, ist sofort erreicht. Der PP liegt hervorragend, man braucht nur die Zufahrtsstraße überqueren, ein Mal um eine Ecke rechts, und man ist mittendrin. Wir radeln zum Alcazar, besichtigen die herrlichen Gärten, weiter zur Cathedrale und zur Puente Romano, einer römischen bombastischen Brücke aus dem Jahr 45 v. Chr., die auf 16 Bögen über den Guadalquivir führt. 

Wunderbare Gässchen mit derart schönen Häusern bringen uns wiedermal zum Staunen, ganz toll, Spuren maurischer Herrschaft finden sich überall. Es macht großen Spaß, das Rad hier zeitvergessen durch die verwunschenen Gassen zu schieben, die Hunde wohl behütet und entspannt im Schlepptau hinten dran. Am Denkmal des in Spanien bekanntesten Stierkämpfers Manuel Sanchez, genannt Manolete, kommen wir vorbei. Von einem Stier auf die Hörner genommen, starb er 1947 mit 30 Jahren in der Arena, allerdings dummerweise nicht ganz so heldenhaft an der Verletzung selber, sondern vielmehr nur als Folge davon, denn man sagt, man habe ihm eine unpassende Blutkonserve verabreicht, was er dann nicht überlebte. Höchst verwerflich ist dabei, natürlich neben der Andersartigkeit meines Verständnisses für das Geschöpf Tier, dass die Franco-Diktatur in der Folge versuchte, durch intensive Verehrung dieses Toreros spanischen Heldenmut und Aufopferungsbereitschaft in den Himmel zu heben. Mit Recht schauen Bazou und Chianga zwar mit großen Augen auf die riesige Stierfigur, würdigen Manolete aber keines Blickes. Wir kaufen auf dem Rückweg noch ein Brot, kommen an einer Reitschule vorbei und werfen einen anerkennenden Blick auf die stolzen Pferde und ebenso stolzen Reiter.  

In leichtem Regen erreichen wir unser Womo. Wim tut die Schulter weh, er hat seit Jahren immer mal wieder Probleme damit, mal mehr, mal weniger, so ist das wohl, wenn man ins Apotheken-Umschau-Alter kommt. Bazou schnuffelt an Chianga, von Behöckeln zwar weit entfernt, aber man merkt, er zeigt Interesse nach dem Motto „Upps, da war doch was“. Er ist damit eindeutig eher den Bravo-Lesern zuzuordnen. Dr. Sommer zu fragen, ist keine Option, daher suche ich im Netz nach deutschsprachigen Tierärzten. Wir werden wohl was unternehmen müssen. Route wird besprochen. Mazarron ist nächstes Ziel, ca. 450 km. Morgen werden wir daher mal eher los. Abends gibt‘s Bratwurst und Paprika aus dem Backofen mit Brot. Meryl Streep als Teil eines alten Ehepaares in Paartherapie sehen wir, passt für die momentane Verfassung gut, da wir zu dem sehr schönen Film unsere von Besichtigungen gebeutelten Knochen und Muskeln in fein ausjustierter Position der Sessel zum Entspannen und Regenerieren aufgebahrt haben. Ich denke an das stimmungsvolle großformatige Plakat an einer Wand im eben besuchten Reitstall: eine Sie, vermutlich eine streng-spanische klassische Schönheit, diese sich kontrolliert bis in die Fingerspitzen spannende Eleganz im feuerroten Gewand, seitlich zurückgeneigtem Haupt, mit Blüten im pechschwarz hochdrapierten Haar, halb lockend, halb Vernichtung versprechend, dazu ein Er, hochgewachsen, mit straffen geraden Beinen in schwarzen Hosen, die kniehoch in Lederstiefeln stecken. Kommt Er oder geht Er. Fleht Sie oder lockt Sie. Eindeutiges weiß die Körpersprache der beiden im Schummerlicht eines alten Säulengangs nicht zu berichten. Die Rückenansicht auf dieses Paar lässt auch keinen Schluss mit Hilfe des Gesichtsausdrucks zu. Lediglich das nervös trippelnde Pferd, das seinen Körper an diesen Er im schneeweiß verbrämten, flammend roten Jacket mit tiefer Kellerfalte und angedeutetem Schwalbenschwanz drückt, lässt eine gewisse Hoffnung auf Ausritt erkennen, eine Freude des Pferdes spüren, dass es doch jetzt aber mal bitte schön nach draußen geht, raus aus dem Gewölbekeller ans Licht, lange genug hier herum gebalzt. Während ich so nachdenke, das Ganze mal weniger im Sinne der Tierliebe zu deuten, schlafe ich vermutlich ein.