Litauen ~ Durchreise Rückfahrt

17.09.2021 Freitag

Trotz kleiner Unsicherheiten, ob der Motor nun anspringt oder nicht, schlafen wir wie Brote im Ofen. Unsere Nachbarn aus dem Sauerland verabschieden sich, für sie geht es vor der Fähre nach Hause noch nach Riga. Und dankenswerterweise nehmen sie unseren vergessenen Schlüssel dem Hafenmeister mit. Wir schlagen unsere Zelte auch ab, Wim startet, na klar, Concördchen ist wach, muss sich nicht mal schütteln. Wir ent- und versorgen, zahlen und werden mit Winken verabschiedet. Sehr schöne Tage liegen hinter uns. Und vor uns die Hügel und Huckel des Gauja Nationalparks, durch die wir uns arbeiten. Der Beschilderung entnehmen wir, dass hier auch Skizentrum ist, es geht zu Liften und Loipen. Einen Blick auf das wunderschöne Ufer der Gauja können wir noch werfen.

Über gute und weniger gute Straßen fahren wir mitten durchs Land über die Hochebene von Vidzeme Richtung Jekabpils bzw. Daugavpils, hinter dem wir einen Platz für die Nacht anfahren wollen. Zahlreiche LKW sind in beiden Richtungen unterwegs. Sie drängeln, obwohl Wim wenig verhalten unterwegs ist, sie überholen haarsträubend, rasen, dass es uns die Wischerblätter von der Frontscheibe saugt. Nerven sind gefragt, Schweiß- und Wutausbrüche inklusive. Etliche Kirchen und Kapellen stehen immer mal wieder einsam in der Weltgeschichte herum. Eine fahren wir an, aber verschlossen.

Irgendwo geht es auch nach Moskau ab (über 800 km), aber den Schlenker wollen wir auf dieser Tour nicht machen. Allerdings werden wir nicht das zunächst anvisierte Ziel anfahren, sondern 30 km weiter, schon in Litauen, wieder mal eine Mühle. Das Wetter ist zwar ähnlich grau wie bei der letzten Mühlentour, aber wir versuchen es einfach und spulen die Strecke fast immer entlang des riesigen Flussbetts der Daugava, die wir schon in Riga kennengelernt haben, ab. An der Strecke liegen viele Bauerngehöfte mit großen landwirtschaftlich genutzten Flächen, aber auch kleine Orte, deren Wohnsiedlungen nach Instandsetzung schreien. Es ist eigenartig, man sieht keinerlei Müll an den Straßenrändern, weder inner- noch außerorts, man hat meist überbordenden Blumenschmuck, man hat gepflegteste Rasenflächen, man hat Schnuckelhäuschen und prächtige Kirchen, und dann diese maroden mehrstöckigen Wohnsilos, die vor sich hin zu faulen scheinen. Wem die wohl gehören, und welche Mieten da wohl fällig werden, fragt sich.

Hinter Daugavpils erreichen wir kurz vor Zarasai den Grenzübergang zu Litauen. Kurz und schmerzlos wird er überquert. Und schlagartig ändert sich die Wohnlage. Nicht was die Holzhäuschen anbelangt, sondern die Mehrfamilienhäuser. Der Unterschied ist erheblich. Die Lebensqualität scheint hier im hügeligen Gebiet mit mehr als 300 Seen wohl besser zu sein. 

Noch um ein paar Ecken und wir stehen auf dem Parkplatz oberhalb der Mühle. Die Šlyninka Mulinas ist eine Wassermühle aus dem 18. Jahrhundert und bis heute in Betrieb. Das Mehl wird in die Umgebung geliefert, und außerdem ist hier etwas gebacken, nämlich Brot. Und ein kleines Restaurant gibt es auch. Das werden wir später besuchen. Der erste Rundgang ist schon mal malerisch schön. Solch ein märchenhaftes Gefühl überkommt einen sofort, Erinnerungen an Kindertage werden wach wie auf Knopfdruck, wenn man den Geruch der Mühle aufnimmt, zwischen all den liebevoll arrangierten Altertümchen drinnen und draußen.

Ein Touristenbus kommt noch an, für die Mühlenbesucher wurde schon eingedeckt. Sicher spazieren hier in der Saison Scharen von Gästen durch die Mühle und rundum. 

Der Abend kommt, und wir sitzen am Tisch, wir sind die einzigen Gäste. Flott werden wir bedient. Die junge Frau bietet uns sehr unverständlich etwas an. Keine Ahnung, was sie meint. Irgendwie schnappt sie sich dann eine bebilderte Karte, aha, nun können wir eher zuordnen, was sie uns offeriert. Viel Auswahl gibt es nicht. Wir wählen diese mit Hack gefüllten „Zeppelinklöße“ und zum Dessert einen Pancake, wie es hier modern heißt, gefüllt mit Hüttenkäse. Wir bestellen 2 Bier, erhalten komischerweise 2 Tee, Pfefferminz. Also das verstehe wer will. Ich könnt mich schlapp lachen, Wim vermisst sein Bier schon sehr. Quasi als Gruß aus der Küche kommen ein paar Plätzchen, süß und salzig. Lecker sind die Knödel. Auch der Pfannkuchen ist gut. Es ist einfach, sehr einfach, aber wie gesagt auch lecker. Wir gönnen uns noch 2 Wodka, die Wim durch Zeigen auf die Flasche exakt bestimmt und bekommt. Ein kleines Tellerchen wird noch gereicht mit 4 Erdbeeren und 4 Scheibchen Banane, sehr aromatisch, luftgetrocknet aus dem Dörrautomat vermutlich. Die Rechnung kommt. 19,10 € sind zu zahlen. Also wahrhaftig günstig. Ich muss immer noch lachen, und Wim freut sich auf sein Bierchen im Womo. 

18.09.2021 Samstag

Einen kleinen Moment gaukelt uns der neue frühe Morgen schönes Wetter vor. Der Himmel strahlt bei gerade mal klirrekalten 6 Grad. Bei Abfahrt von der Mühle ist aber vom Blau am Himmel nichts mehr zu sehen. Keine guten Voraussetzungen für Sightseeing Vilnius. Na ja, 150 km bis dahin, da kann die Welt schon mal anders aussehen. Tut sie aber nicht. Zudem liefert sie uns über weite Teile der Strecke einen grausigen achsbrecherischen Zustand, obwohl es eine Hauptstrecke nach Vilnius ist. Wir können also von den erlaubten 90 km/h maximal 50 km/h nutzen. Die wirklich schöne Landschaft, trotz miesem Wetter, entschädigt etwas. Kleine Höfe krönen kleine Hügel, Bauernkaten ducken sich in kleine Senken. Alle haben jede Menge Abstand zueinander, ausgefüllt von großen Ackerflächen. Hin und wieder huscht ein Reh durch die Lande oder ein riesiges Kreuz am Straßenrand lässt aufblicken. Solche Kreuze waren in Lettland oder Estland nicht auszumachen. 

In der kleineren Stadt Utena durchfahren wir große Gewerbegebiete. Auf einigen Flächen erheben sich Berge von Sägemehl und Holzschnitzel. Bei der enormen Holzwirtschaft müssen ja Späne ohne Ende anfallen. Wir überlegen, was damit angestellt wird, evtl. werden Pellets fabriziert oder Spanplatten gefertigt. Die Hoffnung, ab hier durch einen Wechsel der Route einen besseren Belag vorzufinden, wird jäh enttäuscht. Statt Asphaltgewölbe und -gewulste und -geflicke jetzt Betonplatten mit üblen Fugen, miserablen Zwischenflicken und tückisch ausgefransten Rändern. Du lieber Himmel, welch ein Zustand. Auch wenn nur sehr wenig Verkehr herrscht und sich die LKW-Karawanen in Grenzen halten, tut das Gehämmere auf‘s Fahrgestell echt weh. 

Erst 10 km vor Vilnius bessert sich der Straßenzustand. Schlagartig wird alles glatter, moderner, voller. Und es regnet. Leider können wir daher nur ein paar trübe Ansichten einfangen. 

Wir werden erstmal Iveco, mit denen wir morgens telefoniert haben, aufsuchen, da unser Concördchen Startschwierigkeiten hatte und erst wieder zündete, nachdem Wim an den Kontakten der Starterbatterie rumgerührt hat. War schon wieder ein ganz schöner Schreck in der Morgenstunde, aber flott behoben. Nun soll da der Fachmann ran, ein Kontakt muss sicher erneuert werden. Und wir erreichen die topp-moderne Werkstatt in Vilnius mit superfreundlichen Mechanikern, die sich sofort um unser Problem kümmern, unseren Kleinen in die Werkstatt nehmen und uns zum Kaffee einladen. Sehr schnell haben sie alles erledigt. Wir zahlen gerade mal 50 €, sind sehr erleichtert, da alle Schwierigkeiten im Batteriebereich vorerst der Vergangenheit angehören dürften. Hoffen wir! 

Was nun? Regen, 7 Grad, Prognose: sauschlecht. Nein, kein Wetter für uns, um mit Rad eine Besichtigungstour zu unternehmen. Wir verschieben es. Vilnius läuft nicht weg und kann auch in einem anderen Jahr besucht werden. Trakai werden wir anfahren in 30 km Entfernung. Ggf. finden wir ein schönes Restaurant mit Blick auf diese imposante Burg und können zur Feier des Tages lecker speisen. Es gibt nämlich etwas zu feiern. Auf einem PP landen wir, direkt an der Vergnügungsmeile. Und ein schönes Lokal finden wir ebenfalls. Wir speisen, preislich zwar kein Vergleich zu gestern, aber auch kulinarisch deutlich anders. Ein schöner Abschluss eines schönen Tages mit Hindernissen. Und ab morgen suchen wir unser Glück in Polen.