von Tata nach Foum Zguid


Tag 61 - 16.03.2023 Donnerstag

Wir verlassen unseren Platz am Fluss, es muss ja auch alles im Fluss bleiben, und wir rollen schon vor 10 Uhr, also sehr sehr früh für unsere Verhältnisse, vom CP und verlassen das angenehme Tata Richtung Osten.

Heute ist nur die N12 vorgesehen, es sollte also alles unspektakulär verlaufen auf der Etappe von knapp 140 km. Manch einer empfindet die heutige Route ohnehin als uninteressant und langweilig. Ja, unaufhaltsam umgibt uns Wüstenland, keine sandig lieblich wogenden goldgelben Dünen, sondern die andere Variante, die Hammada, die Fels- und Steinwüste, aus der die Sahara ohnehin fast nur besteht, denn mit 70 % macht die Hammada doch im Verhältnis zu den sandigen Flächen den Löwenanteil aus. Sie wirkt menschenfeindlich, ist es sicher auch. Ackerflächen müssen mühsamst von Millionen Steinen und Felsstücken befreit werden, ehe man auf irgendeiner Art Ackerboden etwas anpflanzen kann, was dann der Glut der Sonne sowieso nicht gewachsen ist. Hart, unerbittlich und dunkel zieht sich die Hammada neben der Straße hin, soweit das Auge reicht. Heute ist die Sicht etwas trüb. Es ist sehr heiß, und vor den Bergflanken tummeln sich Schwaden aus Flugsand. Im Gegenlicht wirkt die Stimmung unwirklich utopisch. Dennoch ist diese extrem karge Landschaft sehr eindrucksvoll, denn gelegentlich zeigt sich eine der weit voneinander entfernt liegenden Dattelpalmenoasen, Kontraste, die Marokko so häufig bereit und damit die Spannung hoch hält. Nähe Tissint überziehen Sanddünen größere Flächen an den Ufern eines trockenen Flussbetts. Auf einer unserer Fahrten sahen wir hier eine riesige Dromedar-Herde, jetzt leider nur ein paar Einzelgänger. Aber schon kann man die canyonartige Landschaft links der Straße bestaunen. Tief eingegraben hat sich das Wasser in helle sandfarbene Erde, hat ein Labyrinth daraus gemacht, tiefe Gräben ausgewaschen mit steilen Abhängen. Die Oberfläche des weiten Tales ist tellerflach und glatt, man kann auf Anhieb gar nicht richtig erkennen, was das nun ist, sieht plötzlich das Grün der Palmkronen tief unten in Flussbetten und Furchen stehen. Was für eine Welt. 

In Tissint steuern wir die Attraktion schlechthin an: Wasser in der Wüste. Über eine schmale Gasse mit großer Baustelle rundum quetschen wir uns auf einen kleinen Platz. Und da liegen sie, die Cascades de Tissint, kleine Wasserfälle, die sich direkt im Ort in ein sehr großes natürliches Wasserbecken stürzen, das je nach Regen mal mehr, mal weniger gut gefüllt ist. Wir sind allein, die Dorfjugend ist sicher noch anderweitig verpflichtet, denn die Hitze wäre groß genug. 

Chianga jedenfalls hat Spaß. Sie liebt doch ohne Frage das Wasserwaten mit anschließendem Ganzkörper-Abpudern mit Sand. Ohweia … unsere neuen Polster. Aber Polster gibt es noch, da sind wir längst nicht mehr. Und unser Vergnügen, ihr Vergnügen zu sehen, ist riesig. Wären sie noch zu Zweit, Bazou und sie hätten die Ufer umgepflügt, aber Chianga lässt es so allein erheblich langsamer angehen. 

Genug der Badepause, weiter geht‘s. Beim Rausfahren sehen wir Plakate, die den Zustand nach Fertigstellung der Bauarbeiten zeigen. Eine feine Aussichtsplattform wird wohl errichtet, der Badespaß erreicht damit eine neue Dimension, und irgendwie nicht stimmig zum folgenden Bild der Straße am Ort vorbei. Kontraste eben.

Über das sehr breite Bett des Flusses Tissint hinweg, an dem vereinzelt größere Tümpel stehen, an denen Chianga und Bazou auch schon einmal Frösche haben hüpfen lassen, durchfahren wir ein Oasendorf. Aus Steinwüste wird zunehmend Sandwüste, bleibt karg und nur wenig belebt durch einzeln eingestreute Arganien. Weites, weites Land, Wüstenland. 

Vor dem beeindruckenden Wüstengebirge, dem Djebel Bani, liegt in einer Kerbe unser Ziel für heute, das Städtchen Foum Zguid. Wie am Ende der Welt zieht es sich am Fuße der Bergketten entlang. Aber die Ortsdurchfahrt lässt schon ahnen: hier ist was gebacken für all diejenigen, die abwegig unterwegs sein und normale schnöde Touri-Routen verlassen wollen. Hier treffen sich Globetrotter, Nomaden und Wanderer und Offroad-Fahrer. Und über all diese verwegenen Burschen und Mädels wacht das Militär, das sehr präsent ist, nicht nur, weil die algerische Grenze nah ist, sondern auch, weil man den Wüstenfahrern höchstmögliche Sicherheit garantieren will. Man hat sich nämlich vor Befahren der Wüstenpisten beim Militär anzumelden und die Aufenthaltsdauer anzugeben. Es wird alles registriert um im Falle, dass jemand nicht zum angegebenen Zeitpunkt wieder „auscheckt“, sofort eine Suche einzuleiten. Zu oft sind in den vergangenen Jahrzehnten Menschen aus Unerfahrenheit und Überschätzen ihrer Möglichkeiten verdurstet. 

Etwas außerhalb liegt der ausgesuchte CP. Am zu überquerenden Oued stehen Palmen in erbärmlichem Zustand. Es ist traurig, diese wunderschönen Bäume so dahin darben zu sehen. Wir ahnen schon Schlimmes, werden aber extrem überrascht nach Durchfahren der tollen Einfahrt auf den CP, denn hier ist wirklich Oase. Sattes Palmengrün überspannt den sehr schön und mit sicher viel Motivation und Arbeit angelegte Platz, eine freundliche Familie begrüßt uns herzlich. Meine Güte, was haben sie hier Herrliches geschaffen. Hier kann man sich fallen lassen und alles mal ausblenden. Wunderbar. Ausblenden ist aber auch nötig, es ist Bullenhitze, wir nähern uns locker Mitte 30 Grad, im Schatten wohlgemerkt. 

Tag 62 - 17.03.2023 Freitag

„Brot, Brot, le Pain“, so schallt es laut und zerreißt die unglaubliche Stille auf dem CP. Ja, Brot liefert der Besitzer morgens für alle. Und da Freitag ist, und damit ja Couscous-Tag, ordern wir für abends eine Ladung, und starten bei bedecktem Himmel und erträglichen Temperaturen per Rad in den Ort. Sehr sehr bescheiden und einfach leben die Menschen, für den Moment doch emotional fordernd, nachdem wir die ersten Gassen von der Hauptstraße abgehend beradelt haben. Also eine gewisse Abgeklärtheit oder Gewohnheit im Erfassen der Lebensumstände tritt auch nach unseren vielen Reisewochen durch Marokko nicht ein. Das ist gut so. Und dann steht man einer Mutter mit Kinderschar gegenüber auf blitzblank gefegten Gassen und schweigt sich an, unbeholfen, unfähig sich fortzubewegen, ängstlich aber neugierig guckende Kinderaugen auf sich spürend, und plötzlich, was einem aber auch wie eine Ewigkeit vorkommen kann, lächelt man sich zu und wechselt ein paar Worte. Unbezahlbar. 

Wir genehmigen uns im Café am tatsächlich hundefreien Kreisverkehr einen köstlichen Kaffee und beobachten das Geschehen, unterhalten vom jungen sehr höflichen Besitzer, der ein paar Brocken Deutsch kann und uns verschämt, aber stolz erzählt, er habe mal in der Schweiz gearbeitet und einen Freund in Berlin. 

Zurück zum CP nehmen wir noch die Anhöhe zum alten Dorf Tamzaourout, werfen aber nur einen Blick und wenden uns wieder unserem idyllisch üppigen Oasenplätzchen zu, während Rachid, unser Gastgeber, eine Runde mit unserem Rad dreht und sich freut wie ein Kind. 

Beim Herumschleichen duftet es schon nach Couscous … hoffentlich mit Boxhornklee, der im gepflegten Gärtchen wuchert, denn vom Camping Hakkou in Aoufous wissen wir, dass der unbedingt reingehört in Couscous, selber geerntet habe ich ihn auch schon. Auch im Ort sahen wir heute morgen vielfach, dass Frauen und Kinder bündelweise den Boxhornklee in Häuser trugen. Es bleibt spannend. 

Und die Spannung oder besser gesagt die Vorfreude auf leckeren Couscous hat sich mehr als nur gelohnt. Uns wurde der bislang leckerste Couscous serviert, mit Abstand, köstlicher war bisher keiner. Einfach super klasse. Großes Lob an die Köchin und die Familie, für das schöne Abendessen am fein gedeckten Tisch auf der lauschigen Terrasse. Schon etwas Besonderes, was die Familie hier auf die Beine gestellt hat. In Kombination mit lustigem Austausch mit unseren französischen Mitcampern am Nebentisch ein rundum gelungener Abend, den wir in sehr guter Erinnerung halten werden, auch wenn wir morgen schon weiterreisen.