Anreise > Etang de Lachaussée

Mittwoch 07.08.2019

Bei bedecktem Himmel und leichter Schwüle geht es mit einem kurzen Gruß an Maria im Kapellchen am Ortsausgang unseres Heimatdorfes los. Bis Landry in Frankreich sind es ca. 150 km, also ein Klacks. Dort wollen wir den ersten Einkauf machen, endlich nach langer Zeit wiedermal ins Schlemmerparadies eines französischen Supermarkts abtauchen. In Wasserbillig zunächst tanken und Dosenbier und Kaffee fassen. Wim strahlt, Bitburger im Angebot, und ein kleines Präsentchen gab es auch noch „on top“: Pfeffer- und Salzstreuer in Miniatur-Bitburger-Dosen im passenden Holztablettchen, süß irgendwie. Alles verschwindet in den unendlichen Weiten des Womo-Bauchs. Wobei mir einfällt, wir wollten doch immer mal wiegen lassen. Und beim Wollen ist es bisher geblieben. Also mal die „to-do“-Liste aktualisieren. Wozu dann auch gehört, endlich mal das im Womo eingebaute Navi upzudaten. TomTom für PKW lotst uns jetzt nämlich, da ist Vorsicht und Umsicht geboten, will man nicht unter einer Unterführung hängen oder kilometerweit rückwärts fahren müssen.

Um Luxemburg herum staut sich der Verkehr etwas. Aber angesichts der heutigen sehr überschaubaren Strecke zehrt das nicht an den Nerven. Und in Frankreich zieht einen ohnehin jedes Örtchen mit seinem andersartigen Reiz in den Bann. Den Intermarche finden wir in dem kleinen Ort Landry problemlos, Parken gut möglich, und Einkaufen noch besser. Lebensnotwendiges wandert in den Korb, wie z. B. Pate, Confit, Rillettes, Baguette, Eclair, ein Weinchen, Croissant, une tarte ... was man halt so braucht, im Überschwang, um den Appetit der in einem hausenden Französin zu stillen. Ach ja .. c‘est la vie ... und schön ist es. Und nachdem sich das arrogante Pate in unserem Kühlschrank nur widerwillig zur schnöden deutschen Lidl-Leberwurst hat quetschen lassen, geht unsere Reise erwartungsfroh weiter. 

Irgendwo verlassen wir zweistellige Straßennummern und folgen den dreistelligen. „Marokko lässt grüßen“ kommentiert Wim und jongliert unser Vehikel souverän um jede noch so enge französische Hausecke. Nach dem Motto „wo wir fahren, fährt kein anderer“ machen uns selbst schwerste Traktoren in dieser sehr ländlichen Gegend freundlich Platz auf den ausgeleierten Asphaltbändern, man grüßt, was wir gerne strahlend-erleichtert erwidern.

In dieser beschaulichen Gegend fährt es sich sehr entspannt, vorbei an abgeernteten immer noch goldenen Stoppelfeldern, vielköpfigen aschfahlen und ridgebackroten Kuhherden, den riesigen Feldern mit abgeblühten Sonnenblumen, die all ihre schweren, körnergefüllten Köpfe in stiller Eintracht in exakt eine Blickrichtung neigen. Solche Bilder stoßen bei uns immer wieder Gedanken und Gespräche an, die Zuhause eher weniger Thema sind. So jetzt gerade das Nachdenken über all die vielen Brote, die allein nur in Frankreich gebraucht werden, tagtäglich, stündlich, und diese enorme Menge, welche Unmengen an Körnern setzt das voraus, wie viele Ähren dafür heranreifen müssen. Ein neues Bild, im Album der unfassbaren Unendlichkeit. 

Die Abzweigung im kleinen Nest Lachaussee endet vor einem offenen rot gestrichenen, leicht verwitterten Tor. Ein kleines Womo-Schild sichert uns zu, da hinein ist erlaubt. Zentimetergenau schieben sich unsere drei Achsen knirschend über den geschotterten Weg durch die Enge. Wir rollen auf einen kleineren staubigen Platz, alles scheint ausgeflogen. Wim steigt aus und begeht wie üblich die umliegende Gegend zu Fuß, einen kurzen steilen Anstieg hinauf und verschwindet hinter einem Gebüsch. Als er wieder auftaucht zeigt mir sein Gesicht: „Alles klar!“. Das sind so die Momente, die ich als Frau liebe: Er schwingt sich gewichtig ans Steuer, zweifelsfrei ist der kurze Anstieg Null Problem, mach Dir keine Sorgen „Schätzelein“, das regele ich schon, gleich wirst Du staunen. Und so war es! Leicht wringend tastet sich der Arto über die Kuppe. Langsam ... was auch gut ist. Etwas zu forsch, und er saust direkt auf der anderen Seite den gepflasterten Slip-Weg zum See hinab. Lustig. 

Rechts rum geht‘s auf eine größere Wiese hinter einem etwas in die Jahre gekommenen Chateau mit vollem Seeblick unter einen sich unter der Last seiner reifen Früchte biegenden Mirabellenbaum. Zum Geschnatter aus vielzähligen Blesshuhn-Kehlen gluckert der Motor nochmal kurz, und wir stehen. Phantastischer Fleck, der das Herz eines Wohnmobilreisenden höher schlagen lässt.

Die Abendsonne taucht alles in warmes goldenes Licht, auch die Leckereien, die den Korb im französischen Supermarkt füllten und jetzt auf unserem Tisch am Seeufer liegen. A votre sante .. bon appetit .. jedes Klischee wird bedient. Ein gut gepflückter Tag neigt sich dem Ende zu, während dicke Fische sich jagend durch die Seefluten stürzen und man in weiter Ferne sachtes Donnergrollen hört. Und dann herrscht Stille.

Donnerstag 08.08.2019

Lang und gut geschlafen haben wir. Und das Gewitter, das sich gestern Abend in der Ferne hören ließ, verschonte uns. Der Morgen strahlt mit blauem Himmel und Sommersonnenschein. So lässt sich gut im Schatten des Mirabellenbaums ausgiebig frühstücken. Ein wenig erinnert uns das an die Therme Aqua Pia auf Sizilien, nur standen wir dort mitten zwischen und unter den Mandarinenbäumen. Erinnern ist doch etwas ganz Feines. 

Heute wird die faule Haut gepflegt, indem wir uns auf selbige legen. Pures Idyll ist das hier. Das hängt auch damit zusammen, dass der See wirklich reines Naturschutzgebiet ist, keine Boote, keine Luftmatratzen, keine Surfer, kein Badebetrieb, was ich im Laufe der Hitze des Tages sehr bedaure und jede Ente beneide, die sich plätschernd am feuchten Nass erfreut. Ich könnte mich direkt da hinein stürzen, egal ob am Boden Schmodder ist oder nicht, nur hinein, eintauchen, abtauchen, muss mich sehr zusammenreißen. 

Aber quasi als Entschädigung summt und brummt es direkt am schleimigen schmalen Uferstreifen an allen Ecken und Enden. Frösche hüpfen aufgeregt aus dem Schilf ins nasse Vergnügen oder verharren reglos im seichten Wasser wie eine steinerne Figur, obwohl ich weiß Gott nicht annähernd einem Storch ähnele. Riesige schwarze Brummer mit blauschimmernden Flügeln stürzen sich voller Begeisterung auf einen Busch kräftig blühender Taubnesseln, schwirren von Blütenkelch zu Blütenkelch, sofern nicht schon eine dicke Hummel drin sitzt. Libellen jagen zwischen den Schilfgräsern hindurch und zischen zum Wasserfassen haarscharf über die Wasseroberfläche, ebenso die Schwalben, die echte Meister darin sind. 

Familie Schwan dümpelt heran und lässt mich ziemlich nah herankommen, bis auf ein kurzes Anfauchen des Schwanenvaters nehmen sie von mir keine Notiz. Schön, mal so unwichtig da zu sitzen und zu warten, dass der Frosch endlich mal mit einem Hüpfer davon huscht. 

Noch kurz ein Foto vom Stellplatz hier, der kostenlos zur Verfügung steht und der jetzt im Moment keine weiteren Gäste hat. Der alleinreisende Franzose von gestern ist morgens abgefahren. Später gesellt sich noch ein holländischer Kastenwagen dazu, aber hier ist ja ausreichend Platz. Ruhe wird nicht gestört, und unser Abendessen am See ist lecker: Hack-Käse-Röllchen mit buntem geschmortem Paprika und französischen Kartoffeln, dazu eine Büchse Bitburger aus Luxemburg. Ein paar Stechmücken treiben uns ins Wohnmobil, was schade ist, aber Frischluft hatten wir heute auch genug. Morgen reisen wir weiter.