29.12.2023 Freitag
Die familiäre Lage macht es dieses Jahr erstmals möglich, darüber nachzudenken, einen Kurztripp über Silvester zu unternehmen. Wettervorhersagen versprechen graue Aussichten im Über-Null-Bereich, Eisregen oder Schnee bis in die Niederungen scheint ausgeschlossen. Concördchen steht bereit, frisch hintenrum „geliftet“, nachdem es ja Ende August, vor unserer Haustür parkend, von unserer Nachbarin übersehen und erheblich beschädigt wurde. Rund 25.000 € kostete der „Spaß“, von unserem Nachbarn mal schnöde und „fachkundig“ mit „das sei ja halb so wild, etwas spachteln und 3.000 €“ geschätzt. Die Concorde-Servicepartner-Werkstatt C3F in Gerolzhofen um die Ecke vom Concorde-Stammhaus hat die Schäden in Perfektion beseitigt. Bei Herrn Dietz und Herrn Kraus, beides Top-Spezialisten und ehemalige Mitarbeiter vom Stammhaus, konnten wir kurz vor Weihnachten unser Concördchen heil wieder abholen. Komplette Regulierung seitens der gegnerischen Versicherung steht noch aus. Also reichlich Ärger mal wieder in den letzten Wochen.
Dank Facebook konnten wir ganz schöne Tipps für eine spontane Silvester-Tour bekommen. Die Wahl fiel auf Datteln. Datteln? Ja, Datteln!
Zwar keine, die lockend auf dem besonderen Dattelmarkt in Zagora angeboten werden, sondern es geht um Datteln, einfach Datteln, das Datteln am Tor zum Münsterland, mit dem größten Kanalknotenpunkt (ein Wort, das ich bisher nicht kannte) der Welt.
Auf dem CP Ferienpark Klaukenhof, mit Landhaus, bietet man am 30.12. ein Wintergrillen und an Silvester ein Buffet und Musik an. Klingt gut. Das werden wir mal machen. Brimborium oder Galadiner
müssen nicht sein, bisschen Essen, bisschen feiern, bisschen lustige Kontakte, das könnte passen. Mal sehn!
Los geht‘s jedenfalls heute gegen Mittag. Die gut 200 km bis zum Ziel müssen nicht in Herrgottsfrühe angegangen werden. Unterwegs wünsche ich mir, nun einfach in den Süden durchstarten und mich auf einen ersten Übernachtungsstopp irgendwo in einem französischen Dörfchen freuen zu können. Aber das ist momentan trotz aller Sehnsucht noch nicht machbar. Daher … wie war das nochmal mit der Taube und dem Spatz?
Es läuft jedenfalls, sogar um Köln herum, obwohl Freitag ist. Über Wuppertal geht‘s Richtung Ruhrpott, an Bochum vorbei mit Gedanken an Herbert G., und ziemlich flott nähern wir uns Datteln. Unser Rüdiger (Liebhaber meiner Reiseberichte wissen: das ist der Name unseres Navi) hat sich aus seinem Sortiment schon wie häufig die schmalsten Spuren für uns bereit gelegt, warum auch nicht. Das Concördchen hoffend auf ausbleibenden Gegenverkehr über schmale Wirtschaftswege zum Ziel zu jonglieren macht doch immer den besonderen Kick aus und zudem glücklich. Rüdiger weiß, was Frauen wünschen. Noch einen Hoppler hier im Land der Kanäle über ein kleines Brückchen, das erstaunlicherweise von 60-Tonnern befahren werden darf, und wir entdecken im Regengrau die Einfahrt zum CP.
Klar ist sofort beim Anblick der satten - und mittlerweile mit Regenwasser hochvoll gesogenen - Wiesenflächen, dass wir uns darauf auf keinen Fall platzieren. Erstmal bleiben wir hinter dem Streichel-Ziegen-Gehege auf einem gepflasterten Parkplatz vor der Rezeption stehen, melden uns an, erhalten sofort die Empfehlung, doch einfach so stehen zu bleiben. Nun ja, reizvoll ist das nur insoweit, als das recht typische Landhaus in unserem Blickfeld liegt und wir über die geparkten PKW hinweg gucken können. Aber aufgewühlte Schmodderwiesen sind echt keine Alternative, zumal es schon wieder regnet. Also richten wir uns ein auf etlichen Parktaschen. Ärgerlich ist, dass der volle CP-Besucher-Preis zu zahlen ist, und das im voraus und komplett und in bar. Für 4 Übernachtungen werden 140 € fällig. Das ist unverschämt, vor allem, weil man bei Reservierung von Womo-SP sprach. Gut, ich hab nicht nachgefragt, auf der Website nicht genau genug geguckt, gut, ich bin selber schuld, aber 35 € pro Nacht, Duschen extra 1 €, hier auf dem platten Land ist wirklich total überzogen und lag außer meiner Vorstellung. Klüger geworden, aber stinksauer ziehen wir uns in unseren Bau zurück, werden aber echt sehr gut unterhalten und erheitert durch Hape Kerkelings Film „Der Junge muss an die frische Luft“. Wirklich sehr empfehlenswert, emotional ergreifend, wir haben uns total amüsiert.
30.12.2023 Samstag
Was hab ich uns nur angetan? Die halbe Nacht versuche ich, mir diese Frage zu beantworten. Denn es gießt nachts in Strömen, krachend und donnernd gewittert es über uns, beängstigend, es hagelt und stürmt. Wim und Chianga interessiert das nicht die Bohne, sie liegen neben mir im Tiefschlaf. Wie soll ich nun die 3 Tage auf diesem CP rumkriegen? Du lieber Himmel. Mein Häkelzeug habe ich vergessen, Platz-Wlan klappt trotz großer Ankündigung und unmittelbarer Nähe zur Rezeption nicht, Handyempfang im Womo unterirdisch schlecht, immer wieder das gleiche auf diesen CPs. Ich weiß schon sehr genau, warum SP für mich einfach besser geeignet sind und ich CPs nicht mag. Wären wir doch bloß in unserem gemütlichen Zuhause geblieben. Was hat uns geritten!?! Sicher kennen einige dieses Gefühl. Man sieht schwarz, einfach schwarz. So bröckelt der halbe Vormittag nach der fast schlaflosen Nacht grau dahin, und nur widerwillig nehme ich Wims Ansinnen, die Räder parat zu machen, zur Kenntnis und statte mich desinteressiert aber tapfer mehrlagig Zwiebel-like aus inkl. Stirnband und Handschuhen. Aber siehe da: gar nicht so übel ;-), und heller wird‘s, auch am Himmel. Manchmal steht man sich selbst im Weg. Daher ist Radfahren gut, da kann man sich nicht im Weg stehen, da muss man aufsatteln und kann sich den Frust aus dem warm eingepackten Balg strampeln. Bei gerade mal +10 Grad klappt das auch erstaunlich gut.
Erster Stopp ist nach Abtauchen in eine Unterführung unter dem Dortmund-Ems-Kanal ein Rewe Markt irgendwo in Datteln. Klar ist, dass zahlreiche Kunden hektisch alles für ihren Jahreswechsel noch zusammensuchen müssen, die Dattelner Hausfrau volle Körbe zur Kasse schieben muss. Wir brauchen nur ein paar Eier und Brot. Sehr entspannender Einkauf also, bei dem noch saisonales Fettgebackenes mit Marmeladenfüllung, die bevorzugten Chips und ein gebackenes Hämchen mit verführerischem Duft aus der „heißen Theke“ mit eingesackt werden. Man muss gerüstet sein, gerade in Wintertagen, da kann der kleine Hunger immer mal unverhofft um die Ecke kommen. Und etwas Warmes braucht der Mensch. Das hält Leib und Seele zusammen.
Für die Seele entpuppt sich auch der weitere Verlauf unserer Radtour. Sehr schön radeln wir zunächst am Hafen Datteln entlang, dann weiter am Wesel-Datteln-Kanal, mal auf Asphalt, mal fest geschottert, alles super gepflegt, immer mal wieder freundliche Farbtupfer auf den langen Geraden. Ein paar Flussschiffe hochbeladen mit Kohlebergen tuckern leise im Strom und warten in Hebeanlagen auf ihre Abfertigung. Viele Radfahrer begegnen uns, ebenfalls viele Hunde mit Herrchen und Frauchen. Ein in Neon-orange ummantelter Zwergpinscher zerrt sein betagtes Herrchen kreuz und quer über den Weg, der Halter kann kaum folgen, geschweige denn seine mit Shopper ausgestattete Gattin. Aber beide lachen übereinander und freuen sich, was für den egozentrischen Neon-Zwerg persönlich uninteressant scheint.
Nach einigen Kilometern, schon übergewechselt zum anderen Kanalufer, schlagen wir uns bald nach rechts in die unter Naturschutz stehenden Wälder und Wiesen der sich durch die urwüchsige Landschaft schlängelnden Lippe. Es soll hier irgendwo ein Schloss oder Gut geben. Eine Runde drumherum wäre nicht übel. Ziele muss man haben. Und schon bald leuchtet uns tatsächlich am Ende des schmalen Waldweges das Sonnengelb eines Herrenhauses entgegen.
Umrahmt von schönen alten Hofgebäuden aus Fachwerk und Backstein liegt das ehemals von Wassergräben umgebene Schlösschen Vogelsang idyllisch im Wiesengrund. Besser gesagt, es ist nur noch ein Teil einer ehemaligen mittelalterlichen Wasserburg, die sogenannte Vorburg, ein aus dem 18. Jahrhundert stammender, zweigeschossiger Barockbau mit quadratischem Eckturm und geschweifter Haube. Lange, lange ist‘s her, dass derer von Twickel, altes westfälisches Adelsgeschlecht, wer kennt sie nicht, hier residierten. Heute ist ein Unternehmen für Grünflächenmanagement ansässig.
Wir drücken uns im Außenbereich an Zäunen und Büschen ein wenig die Nasen platt und treten dann den Rückweg an. Und wahrhaftig blinzelt die Sonne für kurze, ganz kurze Momente aus dem Wolkengrau und lässt Himmelsblau ahnen. Chianga, eingemoppelt im Wintermäntelchen, entsteigt ihrer Senfte und läuft eine ganze Weile frei mit uns. Immer wieder schön.
Nach Verzehr der Berliner und einem Tässchen Kaffee im gemütlich warmen Concördchen bricht auch schon ganz langsam der Abend an. Gegenüber im „Biergarten“ tut sich was. Es werden Behältnisse und Platten angeschleppt. Bald qualmt es aus der Bude und Leute trudeln ein, setzen sich an Biertische, scheinen Glühwein zu schlürfen und gucken immer mal wieder erwartungsfroh Richtung Grillkamin. Wir ziehen dann auch mal los und reihen uns ein in die Glühwein-Schlange, danach in die längere vor der Reibekuchen-Ausgabe. Eindeutig ist der Duft verführerischer als der des Grillgutes. Wobei sich die beiden Meister-Griller - mit Augenzwinkern - für sehr verführerisch halten. Sie schieben ihren Dienst, verdienen sich wohl etwas dazu, diese zwei kopfhaarlosen sogenannten „Kanten“, trotz haushohem Wachstum zu klein für die Leibesfülle, und gekleidet in Schwarz mit unzähligen Harley-Verweisen auf Stoff und Haut, Typen, die man nicht unbedingt erwartet in einer spießig-einengenden Grillbude am Rande des Potts, in deren bratpfannengroßen Händen eine Grillwurst zierlich wie ein Erdnussflip wirkt und die Wims Wunsch nach einem Glühwein mit hochgezogenen Augenbrauen und fragendem „mit Schuss“ ohne Widerredemöglichkeit erfüllen. Lustig und freundlich sind sie dennoch, stets um Kernigkeit bemüht, obercool und ganz sicher treue Seelen, die ohne Weiteres jetzt gerade in diesem Moment von Kommissar Horst Schimanski zu einem Mord an einem gefürchteten Clan-Chef im Duisburger Hafen-Millieu hätten befragt werden können. Leider leider ist von Schimi nichts zu sehen, nicht mal von Thanner. Nur das rumnörgelnde Näseln eines Mitcampers schwingt unter dem Holzdach der Grillhütte, warum er denn nun so lange in der Schlange anstehen und auf seine Reibekuchen warten müsse, er wolle doch schließlich nur eine Portion und setze sich jetzt wieder an seinen Biertisch, man möge ihn doch rufen, wenn er an der Reihe sei. Lappen! Einfach ein Lappen! Meine Güte, was war Schimi doch für ein Mann, der hatte noch Eier ;-), der hätte die Schlange entweder in „Wir-machen-den-Weg-frei“-Manier umgenietet oder eben gewartet. Erheiternde Warteschlangengedanken, die bald verdrängt werden von solchen der analytischen Erhebungen über goldgelbe knusprige Reibekuchen, die sich jetzt in mundgerechten und mit Pinzettengriff in Apfelmus getunkten Fetzen ihren Weg in unsere Mägen bahnen. Lecker sind sie. Warten lohnt, nicht nur Lidl, nicht immer, oft bis manchmal.
Inzwischen werden auf dem Vorplätzchen zwei Feuerkörbe aufgestellt, Holz fein darin gestapelt und abgefackelt. Bald leuchten und lodern die Flammen hoch hinauf. Emsig wird’s am Nachbarstehtisch, man rückt selbigen näher ran ans Feuer, scheint sich in beste Position bringen zu wollen, man will einfach mehr davon haben. Der Abendwind, ebenfalls nicht faul, dreht, und in Nachbarsfreude über die wärmende Glut mischt sich bald das qualmerstickte Stöhnen und Ringen nach Sauerstoff der zuvor noch ungesellig über Kälte nöhlenden Frau, die diese Umzugsaktion überhaupt erst herbei gejammert hat. Umständlich, unwillig und leise vor sich hinschmipfend packt man den Stehtisch wieder, der Inhalt eines Bechers Glühwein schwappt unglücklicherweise in einem Moment der Unachtsamkeit über und ergießt sich auf dem gesichtsschmeichelnden Eisblau eines All-Terrain-Hyper-Membran-Hightec-Anoraks angesagter Marke des bislang noch kaum in Erscheinung getretenen Herrn, saut diesen im Oberbauchbereich unübersehbar ein, was ihm ein erstarrtes, kreideweißes Gesicht beschert und seiner offenbar Liebsten ein solches in Glühweinrot. Schluß mit lustig. Anzunehmen ist: der Abend ist gelaufen! Der Eisblau-Mann nimmt seine Arschkarte und Opferrolle an, ringt sich ein verstörtes Lächeln ab, prostet zittrig mit zwei Resttropfen in seinem Glühweinbecher brav in die Runde und sehnt sich, da bin ich mir sehr sehr sicher, einfach nur den neuen Tag herbei, während sich langsam der letzte Glühweintropfen am Zurrbändchen des Anoraks sammelt und todesmutig in die Tiefe abseilt. Wir ziehen uns auch zurück, freuen uns über den gelungenen, komplett regenfreien Tag, fallen später über das Hämchen her und in die Koje. Schön, denke ich so, endlich wieder bereisen und beschreiben! Endlich wieder!
31.12.2023 Sonntag
So, nun ist der Silvester-Tag am Zuge. Er gießt uns schon ordentlich einen auf und das so ganz direkt und umweglos zeitweise eimerweise, zeitweise getröpfelt direkt vom Himmel aus dunklen dichten Wolken. Na ja, auch bei solch einem Wetter, an dem man bekanntlich keinen Hund vor die Tür schickt, muss Chianga doch kurz nach draußen bugsiert werden, auch wenn ihr Blick noch so mitleidserregend und erbärmlich ist. Aber Hündinnen erledigen ja meist schnell und direkt ihr Geschäft, erledigen es einfach, bringen es hinter sich, wie im wahren Leben. Da war unser Bazou, der immer noch entsetzlich vermisst wird, ein anderes Kaliber. So als Mann hatte er, wenn er schon mal unverschämterweise nach draußen geschickt wurde, großräumig alles einzusegnen, hatte Informationen zu sammeln, wer sich wie wo und warum herumtreibt, egal wie es blästerte. Und das dauerte … selbst für einen extrem regenwasserscheuen Ridgeback-Rüden dauerte es, da überging er gelegentlich einen Schauer und vergaß, dass er ja Nasswetter so gar nicht mochte. Wir selber bewegen uns tagsüber auch kaum, allenfalls Kurzstrecke von A (wie Autositze) nach B (wie Bettenabteilung) und retour bis zum sehr romantischen Sonnenuntergang.
So haben wir aus dem Womo raus auch gut im Auge, was sich vorm Vergnügungstempel tut und dass sich bereits gegen 18 Uhr Menschen vor der noch verschlossenen Landhaustür zu versammeln scheinen, obwohl die Veranstaltung einem kleinen Aushang zufolge erst um 19 Uhr startet. Erst gehen wir leicht kopfschüttelnd darüber hinweg, werden aber doch zunehmend mit einem „Bloß-nix-verpassen“-Gefühl etwas unruhig, wollen wir doch nicht in einer hintersten Scheunenecke einen Notplatz einnehmen. Wer zu spät kommt … Wir stiefeln also los, leichter Bieranzug, Parfum aufgelegt, eine Strickstola für alle zugigen Fälle, und reihen uns ein. Die Kneipentür ist inzwischen geöffnet, etliche größeren Ecken der Kneipe sind schon voll besetzt. An der langen Theke melden wir uns an, nennen Namen und erhalten ein Zettelchen mit selbigem, worauf der Verzehr des Abends notiert werden soll. Hinter der Theke tut sich ein Durchgang auf. Hier leuchtet es bunt und glimmert, Partymucke ist vernehmbar, also nix wie hin, durch die hohle Gasse hinein ins Vergnügen. Ein größerer Raum tut sich auf, wohl eine ehemalige Scheune, weiß getünchte Wände mit etwas Fachwerk, bestückt mit zwei langen Tischreihen und großen alten Stühlen aus dunklem Holz. Beinah ist schon alles besetzt. Aber im Schein der Wagenradlampen und der Disco-Lichtinstallation tun sich noch 4 unbesetzte Stühle auf. Sie sind tatsächlich frei, nicht reserviert, also einfädeln in die Reihe der Vergnügungssüchtigen mit leichtem Hüftschwung zu Wolle Petry und seinem Wahnsinn.
So, und nun? Halb 7, lang bis 12, sehr lang. Aber letztlich vergeht die Zeit wie im Flug. Halb 8 wird Buffet-Eröffnung angekündigt. Essen-Fassen. Serviert wird nichts, auch keine Getränke. Man beschafft sie sich selbst an der Theke, was aber kein Problem darstellt, und lässt die „Ware“ auf dem eigenen Zettelchen notieren. Das Buffet stellt sich als wirklich sehr lecker heraus. Es ist unspektakulär, aber richtig gut und sehr reichlich. Der Rinderbraten und seine korrespondierende Sauce suchen ihresgleichen. Da zeigt sich Kochkunst nach sehr guter Hausfrauenart. Schweinebraten und Putengeschnetzeltes in Curry-Ananas-Rahm sind ebenso lecker wie die dazu servierten kleinen Klöße, die Spätzle, das Kartoffelgratin, Rosenkohl, Rotkraut, Salate und gemischtes Gemüse mit Speck. Heiß alles, würzig alles, Erwartungen übertroffen. Beim Nachtisch, einer hellen Creme und einer mit Schokoraspeln, besteht Nachbesserungsbedarf, insoweit ist noch Luft nach oben, viel Luft. Aber schadlos halten kann man sich in der Folge an kleinen panierten Schnitzelchen, Frikadellen, Würstchen, Käse- und Tomatenspießchen, einigen Dipps, gefüllten Eiern und Mini-Schaumküssen. Gewagte Menüfolgen, aber tadellos und üppig. Uns und ringsum schmeckt‘s.
Philipp der DJ, Teil des engagierten „Party-Teams“, lässt alle Birnen glühen, zaubert nicht unangenehme, aber wenig zurückhaltende Tischmusik, die aber passend zum Anlass ist, irgendwie sich tadellos einfügt zwischen Schnitzelchen und Frikadellchen. Lustig soll‘s ja werden, beschaulich kommt morgen wieder dran. So wird leicht mitwippend noch in Seniorengymnastik-Art die Nahrungsaufnahme beendet und Verdauung eingeleitet.
Das alles muss zügig geschehen, denn schon bald bahnt sich ein monstermäßiges Silberfischchen, eine hochwüchsige Gestalt mit enormer Oberweite, deren schwerer Knochenbau nur kaum unter dem silbrig flirrenden und den Popo nur knapp umspielenden Etuikleid versteckt werden kann, einen Weg durch die johlende Kneipen-Menge hin zum schmalen und niedrigen Durchgang zur Disco-Tenne. DJ Philip hat unterdessen seine Nebelmaschine angeworfen, die alles in einen vanilligen Dunst hüllt. Man muss jetzt genau hinschauen, ob das überdimensionale Silberfischchen mit seinem mit goldenen Kugeln verzierten Geschlinge in Lila auf seiner blonden hoch aufgetürmten Lockenpracht es schafft, nicht am Türrahmen hängen zu bleiben und sich Fascinator nebst Haarfülle vom Kopf reißt. Dann wäre sie - oder er - zu früh gekommen. Demaskerade unfreiwillig. Aber gekonnt wird die Engstelle passiert, der nebulöse Zustand mit Lust und Leidenschaft betreten. Hier ist sie - oder er: Party-Queen Miss-Lili, die Garantin für granatenhaften Abgang einer bislang noch leicht trögen Gesellschaft. Und so langsam kommt sie auf Touren, die Gesellschaft, langsam aber sicher. Lili lässt nicht locker, Lili schafft das. Arme so lang wie Tentakel eines Tiefseekraken, gekonnt geschwungen in eleganter Manier, grazil bis in die Fingerspitzen, fordern Mitsingen und auch einzelne Mitmenschen auf, auf die Bühne, die ein kleiner freier Fleck vor den Stuhlreihen ist, zu folgen. Widerspruch? Vergiss es! Peinlich ist es einigen, erzpeinlich. Klar. Wir als Publikum erkennen aber sehr wohl unsere Pflicht, durch Beifall und Jubel zu unterstützen und Mut zu machen, auch aus Dankbarkeit, nicht selber auf die Bretter, die Lilis Welt bedeuten, gezerrt worden zu sein.
Allgemein wird sich sehr gefreut. Selbst meine Tischnachbarn, denen mein Schunkel-Ansinnen mit sofortigem Einhaken fast schon wie ein sexueller Übergriff vorgekommen sein muss, deute ich ihren leicht peinlichen Gesichtsausdruck richtig, tauen nach und nach auf, wobei ihre Damen auf der gegenüberliegenden Tischseite schon voll drauf sind. Da muss was in Philips Nebel sein. Jedenfalls sitzen die Texte, die Arm- und Stuhlwippbewegungen der Damenreihe perfekt, egal ob Lili „Seemann, lass das Träumen“, „Atemlos“, „Marmor Stein und Eisen“ oder Vicky und ihr „Ich liebe das Leben“ fordert. Da simmer dobei!
Gibt man sich der Situation hin, was wir tun, ist es ein sehr vergnüglicher und unterhaltsamer Abend, an dem die Drag-Queen samt Philip alles geben, sich nicht schonen, Schwärme von Seifenblasen blasen lassen, sich durch sprühende Wunderkerzen tanzen, in leuchtend bunten Schmetterlingsflügeln disco-elfengleich performen und dankbar und willig den „Zugabe“-Rufen nachkommen. Ach ja, jeder Jeck ist anders. Schön, dass er das darf!
Gilt auch im Besonderen für die von mir so getaufte „Lady Silverstar“, eine Dame mittleren Alters mit langem, dünnem, geglättetem blonden Haar in sehr figurbetontem gewagten Outfit. „Out“ ist ok, sie geht ja aus, „fit“ gilt nur bedingt, denn figürlich deutet nicht viel auf Fitness hin. Vielmehr zieht sich ihr ohnehin sehr kurzes Folienkleidchen bei jeder Bewegung weiter nach oben in kleinere und größere Röllchen um Hüften und Bauch, wird immer kürzer und wirkt langsam aber sicher nur noch wie ein längeres Shirt. Aber nichts destotrotz tanzt und rockt sie, spielt sich, dreht auf mit einer Hand an schwarzer Hutkrempe zu „Billie Jean“, Scheiß der Hund drauf was andere denken, sie will es heute so, genau so und nicht anders … „ich liebe das Leben“. Warum normal, wenn man anders glücklicher ist. Während einige verstört bis verächtlich Glotzenden in den Stuhlreihen peinlich berührt verharren, hat sie jedenfalls Spaß ohne Ende. Sollte es sich ergeben, werde ich die Lady nach der Marke des Silberfummels fragen. Der scheint‘s in sich zu haben. Allerdings sitzt sie, wenn sie sitzt, auch direkt an der Nebelmaschine. Ob nicht doch etwas hemmungslos Machendes mit verströmt wird. Man weiß es nicht. Jedenfalls genießt ihr Begleiter jeden ihrer Auftritte sehr, filmt per Handy brav all ihre Mooves, wirkt zunehmend angespitzt und lässt, sofern er eine Hand frei hat, diese lustvoll übers Silber gleiten. Er wird wissen, wo der Hammer hängt … und Mutti auch. Richtig so.
Und ein Hauch von Bedauern und Vergessen gepaart mit einer Prise Missgunst hängt im Blick, den irgendein Werner im steingrauen Fleece-Troyer peinlich berührt dem Paar beim Verlassen der Scheune über die Schulter zuwirft. Er muss wohl vereinsamt dahin ziehen, in seinen Bau, ohne Silberglanz in der Hütte. Aber nein, er biegt schnell noch ab, direkt in die schmale Buffet-Anrichte-Schleuse hinter der Disco-Tenne, kommt mit Schnitzelchen in beiden Händen wieder raus, beißt herzhaft in eins seiner Trostpflästerchen, und, na, ja, die Sonne geht auf. Sagte ich nicht: Essen hält Leib und Seele zusammen! Den Spruch finde ich jetzt auch schöner als der, der mir noch einfällt: Essen - Sex des Alters!
Mit Schmunzeln und sehr amüsiert geht unser Jahr zu Ende. Das sicher scheunenälteste Paar des Abends rockt auf der kleinen Freifläche, geht richtig ab, und Männe jongliert später noch gekonnt zwei Tässchen Kaffee an ihren Platz, eine Flüssigkeit, die zahlreiche Menschen in fortgeschrittenem Alter überhaupt nicht mehr vertragen, geschweige denn um diese Uhrzeit. Das Leben ist schön!
Und das es in 2024 so bleibt, dafür soll ein kleines „Leckerchen“ sorgen, das Queen Lili, beseelt und berauscht vom Bühnenerfolg - mittlerweile aber ziemlich erledigt und sich leicht an Stuhllehnen entlang hangelnd - großzügig und vollmundig an die Gästeschar verteilt: in einem Folientütchen mit angetackerter Visitenkarte des Hauses stecken 2 Glücksschweinchen.
So eine liebevolle Aufmerksamkeit … einfach … schön - wie eben der ganze Abend,
lecker versorgt von Jutta,
spaßig unterhalten von Lady Lili und ihrem Plattenleger Philip
und nachhaltig inspiriert von Lady Silverstar.
Und das alles auf einem völlig böllerfreien Platz
(sieht man ab von nur wenig hörbarem Feuerwerksaufkommen im entfernter liegenden Datteln).
Prosit Neujahr !
01.01.2024 Montag
Dann mal auf ins neue Jahr. 2024 - was mag es uns allen bringen? Nie waren meine Gedanken dazu zwiespältiger. Gute Gedanken bringt uns ein leckeres Neujahrs-Frühstück mit Rewe-Lachs und allerdings leider zu hart gewordenen Frühstückseiern. Die Welt da draußen ist noch still, obwohl es schon spät am Vormittag ist. Leise rieselt der … Regen. Nach ein paar freundlich-gesonnenen Frohes-Neues-Jahr-Wünsch-Runden mit den benachbarten Mitcampern beim Fertigmachen der Räder, nachdem es am Himmel von Dunkel- auf Hellgrau wechselt, radeln wir bei +8 Grad los, dick verpackt, Umfallen möglich, Aufstehen unmöglich. Google zeigt in der Nähe ein Schlösschen an, praktischerweise gut auf einer Rundtour per Rad zu erreichen. Am Kanal entlang und über die übervolle Lippe hinweg geht’s irgendwann rechts ab durch die kleine Ortschaft Vinnum dem an der Landstraße liegenden Schloss Sandfort entgegen.
Und da blinzelt das alte Gemäuer auch schon hinter vom Regenwasser gefluteten Feldern und Wiesen durch das blattlose Geäst der Alleebäume am Straßenrand. Bei mittlerweile angenehmerer Wolkenlage wirkt es märchenhaft, auch die kurze Zufahrt über den das Schloss umgebenden Wassergraben gibt einen wunderschönen Blick frei auf den Haupteingang mit Vorgarten und die sehr gepflegten Nebengebäude. Die Geschichte des seit seiner Erbauung auf Holzpfählen direkt im Wasser des Flüsschens Gräfte stehenden Wasserschlosses Sandfort reicht bis in das späte 13. Jahrhundert zurück. Das Haus ist seitdem durch Erbschaft oder Heirat im Besitz ein und derselben Familie geblieben, auch heute noch in Privatbesitz und bewohnt. Das ist auch der Grund, warum man nur von außen besichtigen kann, was wir auch brav befolgen.
Auf der Weiterfahrt passieren wir ein paar weitere schöne gediegene alte Villen und Brücken, bevor wir an einem weiteren geschichtsträchtigen Fleck stehen: dem Alten Hafenbecken der Alten Fahrt in Olfen. Hier fuhren einst schwere Dampfschiffe mitten durch Olfen auf einem Teil des Dortmund-Ems-Kanals, auf dem fast 100 Jahre lang die Kohle des Ruhrgebiets transportiert wurde. Es waren die Jahre des Wirtschaftswunders, befeuert durch die Kohle aus dem Ruhrgebiet. Vom Dortmunder Stadthafen gingen in den Jahren Millionen Tonnen Kohle Richtung Nordsee zum Seehafen Emden und von dort in alle Welt. In den 60ern war der Kanal eine der meist befahrenen künstlichen Wasserstraßen Europas. Da schleppten die Dampfer bis zu 6 Kähne hinter sich her, und oft war die ganze Familie an Bord. Doch seit dem Ende der Zechen und Hochöfen ist das vorbei. Und so erfreut der Alte Hafen inzwischen nur noch als schöne Parkanlage und dient als Schauplatz von Hafenfesten der Stadt, zu denen sogar schon „unsere“ Kölner „Höhner“ beigetragen haben, wie zu lesen war.
Am Alten Kanal radeln wir nun zurück. Wims Bedenken, am CP irgendwie den hohen Damm einigermaßen runter zu kommen, bestätigen sich. Leider. Es gibt hier nur eine steile Treppe als einzige Möglichkeit. Alternative wäre ein großer Umweg über Landstraßen. Aber wir haben genug für heute, die 26 km reichen. Kurzentschlossen wird abgehangen, Hund raus, und einzeln schleppt Wim alles die Stufen runter. Nicht gerade gewünscht, aber was will man machen! Dennoch war unser Ausflug gelungen, so wie Wims Hähnchen mit Paprika und Zucchini in Sahnesößchen zu Gnocchi am Abend.
02.01.2024 Dienstag
Heute geht‘s heimwärts. Das Wetter ist miserabel, der Wetterbericht meldet weitere Verschlimmerung. Wir verlassen Datteln, Sturm und Regen bleiben uns aber treu, egal ob über den Kanal oder den Rhein. Zuhause werde ich erstmal die Frisur richten. Der Erfinder des Stirnbands hat seine Entwicklung auch nicht zu Ende gedacht. Diese Dinger stehen eigentlich keinem. Gut, bei einem Mann lasse ich diese Kopfbedeckung gerade noch gelten, aber auch nur hochalpin. Aber bei Frauen … mein lieber Scholli. Dieses Ding rutscht doch unbeirrbar über den Kopf, schiebt die Haare am Kopf langsam immer weiter nach oben, egal wie oft man die Seiten wieder runterzieht, bis man frisurmäßig mutierend zu Amy Winehouse mit seltsamen Duttrollen völlig belämmert aussieht. In Verbindung mit Kapuze funktioniert das Ganze besser, wärmt unterwegs auch besser, ist optisch die schönere Lösung. Aber wehe, man schält sich zuhause aus der Kapuze und schaut in den Spiegel. Was soll‘s … auch in 2024 muss man sich mögen ;-). In diesem Sinne: Bleibt Euch (und uns) gewogen !
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45711 Datteln
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www.freizeitpark-klaukenhof.de
wegen Veranstaltungen kann man nachfragen bei
Jutta Hahn unter 0177 2603322 im Landgasthaus am Platz
(Hunde mitbringen kein Problem)