26.01.2016 Dienstag
Tarifa ( N 36°01’28.86“ – W 5°36’57.39“ ) Ortsrand
( N 36°02’52.31“ – W 5°38’27.90“ ) „Landebahn“ Strandschotterweg
In der Nacht gewitterte es, und es fielen ein paar Regenschauer. Heute Morgen ist es stark bewölkt. Der massige Berg liegt nebelig umwoben im Meer, Gibraltar, toll mal hier gewesen zu sein. Es scheint, als sei El Roque nur eindimensional, fast gläsern. Nach V+E und Zahlung von 12€ in La Linea geht die Reise weiter, vorbei an den Raffinerien in Algeciras. Es folgt ein totaler Umbruch in der Landschaft, leicht hügelig, alles grün, und viele Weiden mit grasenden Stieren und Kühen. Kein Buschland mehr. Seltsam, mehr wie Galicien und Asturien. Die Strecke ist toll, immer wieder von ganz oben Blicke auf's Meer, die Straße von Gibraltar. Sehr beeindruckend. Wir suchen in Tarifa möglichst zentral einen Platz, finden aber nichts. Im Hafen nennen uns zwei freundliche Polizisten einen Platz am Ende des Ortes, den wir schon gesehen hatten. Wir parken dort für einen kurzen Spaziergang am Atlantik und trinken Kaffee mit köstlichem Kuchen aus der Pastelleria in La Linea. Unterdessen ist es strahlend blau am Himmel mit viel Sonne und frischem Wind. Herrlich, der Atlantik. Diese Weite, einfach berauschend schön.
Wir drehen eine Runde, um vielleicht einen besseren Platz zu finden. Per Fernglas konnte man etwas entdecken. Wir finden eine unbefestigte Straße am Dünenrand, auf der hinter einem Piniengürtel aufgereiht sicher 50 Womos stehen, und wir jetzt auch. Es ist die Landebahn, so wunderbar hier, genau nach meinem Geschmack. Kite-Surfer und Rastamänner sind unterwegs, auch stink Normalos wie wir, und Flieger in der Luft, dazu als Hintergrund die Berge von Marokko und schwere Pötte und flotte Fähren auf der Straße von Gibraltar. Neben uns steht ein Franzose mit einem nur wenig umgebauten LKW mit Laderampe und zwei grimmig drein schauenden weißen Pitbulls. Wir sitzen am Womo, genießen die Sonne und das Meer und die Hunde am Strand. Das ist ein Leben, hier atmet man mit jedem Luftzug die Freiheit. Und glücklicherweise guckten Nachbars Pitbulls nur während unseres Einparkens leicht angesäuert, schnell wandelte es sich in Ignoranz und Gleichgültigkeit, wie gut, so ein klein wenig behaftet mit Vorurteilen bin ich nun auch was diese Rasse angeht, vor allem, wenn man das Herrchen noch nicht zu Gesicht bekommen hat. Abends essen wir Kölner Kasseler mit Spinat und Kartoffeln und sind früh im Bett.
27.01.2016 Mittwoch
Tarifa
Heute radeln wir nach Tarifa, sind ca. 7 km bis Ortsmitte. Herrliches Wetter, eine Jacke braucht man selbst auf dem Rad nicht. Nur oben im Norden in Santa Susanna haben wir mal eine Jacke gebraucht. Ich hab zwar auf dem Rad meistens einen Schal an, aber das reicht auch. Wir fahren herum, ich will unbedingt das alte Kloster wiederfinden, in dem meine Jungs und ich damals vor 16 Jahren auf unserer Rundreise übernachtet haben und außerdem die Markthalle, in der mein ältester Sohn damals als kleiner Bursche zum Einkaufen war. Je mehr ich mich umschaue, desto deutlicher wird die Erinnerung. Ich frage einen Lieferanten, der uns den Weg beschreibt. Und tatsächlich finde ich die Pension, hipper gestrichen in türkis, aber ich bin sicher, das ist sie. Den Friseur gegenüber gibt‘s nicht mehr, er schnitt den beiden damals mit Messer eine rasante Frisur. Auch der Laden, in dem ich die getöpferten Fische gekauft hatte, ist verschwunden. Aber ein Stück geradeaus, und wir stehen vor der Markthalle, ich hab mich so gefreut, das war toll, das wiederzusehen. So viele Erinnerungen kamen hoch. Ich fand sogar noch die Stelle, an der ich unseren Mietwagen geparkt hatte bzw. dicht an die Hauswand in einer engen Gasse geklemmt hatte. Und wir waren damals in 2000 ja auch nur ein paar Tage auf der Fahrt von Cadiz nach Gibraltar hier. In einem winzigen vollgestopften Lädchen kaufen wir eine tolle Flasche mit Zapfhahn wie eine Amphore, gefüllt mit Olivenöl für 27€ als Mitbringsel für zuhause. Ich freue mich sehr darüber.
Wir gondeln herum und finden in der hinteren Ecke am Fischereihafen ein kleines Lokal, essen russischen Salat mit kleinen Fischen, die nach Marokko schmecken. Ein Glas Cerveza dazu, Brot, und das alles für 6€. Unterdessen baut sich eine schwarze Wolkenschicht auf. Ein schönes Farbenspiel am Himmel über dem Hafen von Tarifa. Wir hoffen, noch eine Fähre zu sehen, aber es kommt keine. Wim hatte in einem Laden gefragt, alle 2 Stunden fährt sie, 270€ bis 8 m Fahrzeuglänge Tanger hin und zurück. Auf dem Heimweg erledigen wir noch einen kleinen Einkauf im Dia, nichts Besonderes gab es da, keine Frischtheken, nur Verpacktes. Wim kauft sich im Chinaramsch noch Angel-Blei. Im Bad lag ein graues Käppchen auf dem Boden, war abgefallen, vor ein paar Tagen rutschte die Küchengardine runter. Vielleicht finden wir noch Klebzeug. So langsam löst sich das Womo wohl auf. Wim macht seine Angel fertig und versucht sich erfolglos im Brandungsangeln. Also Pfanne wieder weg. Wir essen Schmortomaten, Brot, Salat und Spieße gebraten, die mir nicht schmecken. Abends sehen wir einen guten Film von einer krebskranken DDR-Schwimmerin, die den Ärmelkanal durchschwamm.
28.01.2016 Donnerstag
Tarifa
Heute ist es sehr wolkig am Himmel. Der Wetterbericht sagte auch kein gutes Wetter voraus. Wir radeln heute mal in die andere Richtung. Mein Akku hat aber leider nur noch einen Punkt, d. h. dass es knapp wird. Und die recht breite Landstraße ist auch nicht sehr schön mit Rad zu fahren, hoch und runter, und rasende Autos an einem vorbei. So kommen wir nicht sehr weit. Stattdessen gucken wir uns zwei SP-Möglichkeiten zwischen Piniengürtel und Dünen an und wandern ein bisschen am felsigen Strand mit seltsam gestaffelten, hochkant ansteigenden Felsrippen entlang. Die Hunde haben Spaß. Ein Lokal hat offen, die Rettung. Wir trinken auf der Terrasse ein Glas Wein und essen Anchovis auf Toast. Wifi gibt’s auch, so können wir zuhause nochmal einen Lagebericht abliefern. Am Womo wird alles schon mal verladen. Morgen geht‘s weiter. Ein wirrer Typ mit einem Pössl schießt plötzlich rasant in die Lücke vor uns, steigt sofort aus, ich dachte, bei dem muss es brennen und quatscht mit Wim. Er wurde auf einem Parkplatz auf der Maut-AB hinter Lyon überfallen, während er im Auto schlief, alles weg, all seine Wertsachen weg. Und seitdem habe er kaum geschlafen und sei quasi in einem Jusch durchgefahren, na Prost. Wenn der Ritt stimmt, erklärt sich auch seine Desorientierung mit wirrem Blick. Er hat noch nie gehört, dass das Risiko an solchen Rastplätzen sehr hoch ist. Tja. Wir übernachten zwar nie an solchen Stellen, ich überlege aber trotzdem seit Tagen, die Wertsachen abends einfach in einem Beutel mit nach hinten ins Schlafzimmer zu nehmen und nicht so griffbereit auf dem Esstisch liegen zu lassen. Bazou schläft zwar vorne, aber wer weiß, Einbrecher sind ja sehr auf Zack. Wir braten Schälrippchen im Backofen, dazu Brot und einen Rest Salat mit Knoblauchquark. Ich geh schon sehr früh schlafen.
29.01.2016 Freitag
Barbate ( N 36°11’13.65“ – W 5°55’21.62“ )
Heute sind wir 4 Wochen unterwegs. Bald müssen wir entscheiden, wie die Reise weiter verlaufen soll. Aber erstmal sind die weißen Dörfer und Cadiz dran. Der Wetterbericht sagt nur Gutes für alle spanischen und portugiesischen Regionen. Es ist also von daher egal, wie wir reisen. Entweder geht‘s über Cordoba, weil dort ein SP mitten im Zentrum liegt, wieder ans Mittelmeer Richtung Valencia und über Cambrils wieder nach Hause, oder wir wählen doch die Rückreise am Atlantik entlang über Portugal. Mal sehn. Wir fahren vom schönen Tarifa weg, tanken, V+E an Tankstelle, kostenlos wenn man voll tankt, sehr gute Einrichtung. Unterwegs sehe ich mit Schrecken, dass ein Brilliant aus meinem Ring weg ist, ein Loch! Schöne Scheiße! Das darf doch nicht wahr sein! Sobald ich wlan habe, werde ich eine Mail an den Juwelier schreiben. Auf dem Weg nach Vejer de la Frontera fahren wir noch zu der Sandfläche in Puntas Palomas, die man von Tarifa aus sehen kann. Das lohnt sich, einfach toll, sprachlos machend und umwerfend schön, eine riesige Düne, davor ein Wendehammer mit etlichen Womos, eine Traumstelle. Die merken wir uns. Wir fahren eine holprige Straße hoch, die durch den Dünensand führt, wie Schnee rechts und links hoch aufgetürmt. Am Ende wird es unwegsam, ein altes herunter gekommenes Militärgebiet, wir wenden auf sehr schmalem Weg.
Die Fahrt geht weiter, vorbei an riesigen landwirtschaftlich genutzten Flächen und großen Gehöften, die einen an Cowboys und Flamenco denken lassen. Von Westen her fahren wir auf einer steilen Serpentinenstraße auf einen großen PP direkt in das mit einer zwei Kilometer langen Stadtmauer umgebene Vejer de la Frontera. Von weitem schon sah man das Pueblo blanco auf dem Hügel trohnen. Wir steigen hinauf zum Ortskern, nicht unanstrengend. Mit den Hunden geht‘s ganz passabel, sie tragen das Geschirr. Bazou vollführt zwei Attacken bei einem kleinen Hund und einer Katze, da fällt einem manchmal auch nichts mehr ein, außer entschuldigend blöd grinsend die Bühne zu verlassen. Ist er auch eine Seele von einem Hund, aber gelegentlich lässt er den Zirkuslöwen raushängen. Na ja, Chianga hingegen ist ganz gut zu leiten, jedenfalls noch, sie ist ja noch ein junges Mädchen. Der Ort ist herrlich. Eiserne Gitter, wunderschöne Hauseingänge mit dahinter liegenden lauschigen Patio, weiße Mauern und farbenfrohe Mosaiken, alte Burgreste, sprudelnde Brunnen und wehrhafte Zinnen. Dazu strahlender Sonnenschein und um die 20 Grad. Wir trinken ein Glas Wein in einer Bodega zu stimmungsvoller Gitarrenmusik. Alles hier verströmt, zumindest in dieser Jahreszeit, eine erholsame Gelassenheit.
Weiter geht‘s zum Punta Trafalger, den wir leider nicht anfahren können, weil es keine Durchfahrt gibt. Nächstes Ziel ist das Finden eines Schlafplatzes. Unterwegs ist nichts, ein großes bewaldetes Naturschutzgebiet folgt, dann der Ort Barbate, direkt am Atlantik. Am Anfang der Promenade stehen auf einem Schotterplatz schon drei Womos, und jetzt auch wir mit unverstelltem Blick auf die weite Bucht, die Atlantikwellen und die vielen Leute, die umher gehen mit und ohne Hunde. Der langgestreckte Ort wirkt nicht besonders, aber für eine Nacht haben wir hier einen wirklich sehr guten Platz. So sind wir nun in Barbate, das gar nicht auf unserer Liste stand. Ein Mann bietet uns Fische in einer Plastiktüte an und eine Frau bettelt uns an. Wim kauft in einem Laden Hühnerbeine, die kommen in den Backofen mit Paprika und Tomaten und Brot dazu. Wir gucken einen Film mit Benno Führmann, der plötzlich seinen kleinen Neffen aufnehmen muss.
30.01.2016 Samstag
Conil de la Frontera ( N 36°16’15.83“ – W 6°05’16.99“ )
Nachts kreischen und wimmern scheinbar Tausende von Katzen unter unserem Womo, danach Stimmengewirr. Ich schlafe trotzdem gut. Ein sonniger Tag wartet. An der Churreria herrscht reger Betrieb. Wir können nicht widerstehen, warum auch, und kaufen auch eine Tüte, sieht aus wie ChiChi aus Frankreich, schmeckt aber salzig. Wim beschafft Brot und Teilchen. Dann geht‘s weiter mit Ziel Conil de la Frontera. An der Landstraße fahren wir einen SP an bei einem Campinghändler, wir brauchen einen Wassertankdeckel und Toilettenzeugs. Der hat alles. Und dazu eine deutschsprachige rundliche Mitarbeiterin, die direkt mein schönes Sommertop haben will, weil sie in Spanien für ihre Größe nix kriegt. Wir erzählen über große Größen und Klamotten und fahren danach zum Mercadona zum Einkaufen, u. a. riesige Garnelen, riesige Muscheln und Scheiben von einem dicken Fisch. Danach suchen wir einen zentralen PP in Conil. Das war aber nix, denn überall Womo-Verbot, überall. Mutig suchen wir, die sehr abschüssige Straße zum Meer hinunter fahrend, die Promenade und fahren diese bis zum Ende an einem Flussufer mit weitem Mündungsdelta am Meer. Unter Palmen mit phantastischem Meerblick und unendlich weitem Strand steht ein Womo. Na, wer sagt es denn. Kurze Nachfrage bei den Schweizern bestätigt, dass ein paar Übernachtungstage geduldet würden. Wir pflanzen uns also eng an eine Mauer in die hinterste Ecke und sonnen uns vor einem gelassenen schönen Spaziergang am Meer und durch die riesigen Flusspfützen, in denen Hunderte von kleinen Fischchen lebensfroh rumzwirbeln. Und das alles ohne Schuhe und ohne Ärmel. Freiheit pur!
Abends drehen wir eine Runde durch den Ort. Karneval ist angesagt, ein Plakat zeigt den Veranstaltungskalender, volles Programm. Auf einer großen Fläche am Meer steht ein riesiges Zelt. Hier geht‘s sicher bald rund. Ein alter Mann lockt in ein winziges Museum, die Hunde dürfen sogar mit, Bazou traut sich aber nicht rein, Chianga schon, aber sehr vorsichtig und neugierig. Glutrot geht die Sonne unter. Gebraten werden die von Wim gepulten Garnelen in Knoblauch, Olivenöl und Tomate, saulecker. Wim kocht die Muscheln, die genießerisch verspeist werden. Dschungelcamp tun wir uns an, der ulkig-naive Menderes wird Dschungelkönig, was mich freut für ihn.
31.01.2016 Sonntag
Conil de la Frontera
Es ist wieder wolkenlos, blau, einfach toll. Durch die Dachluke wedeln die Palmen. Wunderbar. Wir schlafen lange, ich noch länger. Gegen halb 11 steh ich auf, ohne gewusst zu haben, wie spät es ist. Nach dem leckeren Frühstück mit der englischen Erdbeermarmelade sattelt Wim Räder und Anhänger, macht alles startklar. Wir versuchen, in das sich links ans Mündungsdelta anschließende Naturschutzgebiet zu radeln, was aber so schlecht los geht und für Räder einfach zu unwegsam ist. Wir drehen und wählen die andere Richtung an der Promenade entlang zum anderen Ende der Bucht hinter den Klippen nach Puerto de Conil. Geht auch schon gut los mit einer richtig steilen Steigung im Ort, also raufdampfen. Aber dann wird es eine herrliche Tour, an schönen Häusern vorbei, über Holperstrecken mit Meerblick, durch Pinienwald bis zum kleinen Hafen mit Einkehrmöglichkeit, die sehr gut besucht ist. Wir essen Sardellen, russischen Salat und Rogen mit einem Glas Wein. Es ist doch immer wieder eine Freude, dieses Meer-Dasein. Dann geht‘s wieder zurück auf zum Teil staubigen, ausgewaschenen Wegen. Unterwegs steht da plötzlich ein Ridgeback in der Wildnis, Rufus 8 Monate, ein älterer Mann mit einem Briard taucht kurz danach auf, er ist Hamburger und lebt hier gelegentlich in seinem Sommerhaus mit den beiden Hunden. Wir halten ein amüsantes Schwätzchen, bevor es weiter geht. Die Radroute heute ist lang, sicher weit mehr als 20 km, aber tut gut. Zurück am Womo ist der Parkplatz zur Promenade hin rammelvoll, die Womos stehen bis über den Straßenrand. Im Zelt herrscht Rambazamba, spanischer Fasteleer wird hier gefeiert. Viele Menschen promenieren herum und genießen das Fest und die letzten Strahlen der Abendsonne, wir den köstlichen Fisch aus dem Womo-Backofen mit Brot und Salat.