28.06.2024 Freitag
Vom Cliff in Peacehaven kommend lotst uns unser Navi-Rüdiger in kleinem Bogen zurück über Newhaven. Irgendwie konnte ich ihn nach Tagen im Schrank wiederbeleben, zur Ordnung rufen und an seine Pflichten erinnern. Nun tut er, was er soll, navigiert auf die A26, dann auf die A27. Na, wer sagt‘s denn. Moral von der Geschicht‘: Funktioniert Dein Navi nicht, schleunigst in den Schrank damit, lass es ein paar Tage liegen, und es wird die Koordinaten kriegen! Der Himmel verspricht heute nicht ganz so viel Gutes, ist grau, aber schwül warm ist es dennoch, obwohl es nur 22 Grad, also 10 Grad kälter als gestern ist. Der Verkehr hält sich in Grenzen, die Landschaft wird baumlos hügelig, hin und wieder sieht man das Rot der vor sich hin welkenden Mohnblumenfelder.
Unterwegs verlassen wir East Sussex und sind nun in West Sussex. Nach rund 60 km kommen wir unserem heutigen Ziel Arundel näher. Dieser kleine Ort gehört zu den schönsten historischen Städten Südenglands, liegt am Ufer des Flusses Arun und ist berühmt für sein prächtiges Schloss, Stammsitz des Herzogs von Norfolk. Dieses Castle lässt sich auch schon sofort sehen, mit etwas Abstand daneben eine mächtige Kathedrale. Kleine Häuser ducken sich rundum, ein schöner Anblick trotz grauem Himmel. Hier soll man mit Womo auf einem PP übernachten dürfen. Wir tasten uns vor, erreichen die Einfahrt, leider verhindert eine Schranke die Zufahrt. Ein Wärter flitzt heran, dirigiert uns um eine Ecke und in eine freie Zufahrt, platziert uns auf großer freier Fläche, angekommen. 10 £ sollen am Automat für die Nacht entrichtet werden. Während wir das erledigen wollen und sehen, dass dieser Automat unsere Karte verschmäht, wir nur mit Münzen bezahlen können, die wir aber gerade nicht mehr parat haben, hält ein Autofahrer an und gibt uns sein noch 3 Stunden gültiges Parkticket. Wie freundlich.
Wir können daher erstmal in Ruhe Kleingeld besorgen und eine Runde drehen, heute mal ohne Rad. Das ist auch besser so, denn Castle und Kathedrale liegen am Hang. Im Eingang zum Schloss empfängt uns eine nette Dame in einer Art Uniform. Sie weist vornehm darauf hin, dass Hunde leider nicht erlaubt sind, weder in den Gärten, noch im majestätischen Schloss. Oh, Schloss, ja, ok, hatten wir nicht anders erwartet, aber Garten wäre schon schön gewesen, denn der muss recht toll sein. Na dann eben nicht, locker mal 50 £ pro Nase Eintritt gespart, wobei es darum nicht geht, aber es werden sich noch andere Möglichkeiten ergeben, da sind wir in dieser Region sehr sicher.
Also wenden wir uns ab und dem Städtchen zu. Wirklich zuckersüß klebt Fassade an Fassade. Kleine enge Gässchen führen in ebenso kleine Hinterhöfe. Aber das wirklich Spektakuläre sind die vielen Antiquitäten- und Second-Hand-Lädchen, Tür an Tür, und ein irres Sortiment quer über die Weltkugel. Da kann man nach Herzenslust in hutzeligen Häuschen und unter tiefen Decken auf uralten Fußböden herum schlurfen, schnüffeln, schauen ohne Ende.
Und lustige Gespräche ergeben sich dabei auch. Auf die Frage, ob Chianga mit hinein dürfe, erhalten wir ein lachendes „of course“ und danach zwinkernd, dass es eher bei Kindern ein „nein“ gäbe. Ein schöner Austausch setzt sich damit in Gang über Erziehung, Generationen, Benehmen, Hunde, Kinder, und es ist so toll, zu hören, dass Gesinnungen, Humor und Gedanken ähnlich sind und Wellenlängen trotz Sprachbarrieren passen. Und das alles zwischen mannshohen Figuren, winzigen Teetässchen und Chesterfield-Garnituren, alten Postkarten, Zeitungen und Schmuck, der Hunderte Schatullen füllen würde.
Wir erklimmen an Burgmauern entlang den höchsten Punkt des Städtchens und besuchen die Kathedrale. Erbaut wurde sie 1873, obwohl sie älter wirkt und mit ihren feinen Verzierungen eher an französische Kirchenbauten aus dem 14. Jahrhundert erinnert. Geweiht ist sie Philip Howard, dem 13. Graf von Arundel, der 1595 eingekerkert im Gefängnis starb, weil er sich geweigert hatte, zur anglikanischen Kirche zu konvertieren. Die Herzöge von Norfolk, aus deren Geschlecht heute noch der 18. Herzog das Schloss als Wohnstätte nutzt, waren früher nämlich stets katholisch. Das ist auch der Grund, warum hier diese katholische Kathedrale errichtet wurde, deren Türen Besuchern auch zum Glück offen stehen.
Der Kirchenraum im Inneren begeistert uns total. Eine luftige Leichtigkeit strahlt die Kathedrale aus mit ihren wunderschönen Buntglasfenstern und Statuen. Frische Blumengestecke in kräftigen Farben zeigen, dass die Kathedrale genutzt wird. Die phantastisch schöne Orgel mit bemalten Pfeifen, wie ich sie nie zuvor gesehen habe, ist ein wahres Schmuckstück. Jeder Blick hier macht Freude, auch der zu der Mutter, die in einer Kirchenbank sitzt mit einem Kleinkind an der Seite und einem Baby auf dem Schoß, das sie gerade stillt. Ich setze mich zu ihr, erzähle mit ihr, wie oft es mir und meinem jüngsten Sohn im Kölner Dom so ergangen ist, während mein ältester Sohn seinen Dienst als Domchorknabe erfüllte. Das waren noch Zeiten, lang lang ist es her. Und wir waren uns einig, so unter Müttern, dass das ein sehr guter Ort für eine Zwischenmahlzeit ist.
Auf dem Rückweg zum Womo sind Wim und ich uns einig, wir fahren weiter, verbringen die Nacht nicht hier. Es ist noch zu früh am Nachmittag, und die 100 km zum nächsten Ziel können heute noch gut abgerissen werden. Es muss ja auch irgendwann Schluss mit Kleckern sein, sonst rutscht der Westen in ganz weite Ferne. Im Womo verzehren wir unsere ersten noch warmen Pie, einfach lecker, und begeben uns on the road.
Auf der M27 Höhe Portsmouth und Southampton, unserem ersten Stück richtiger Autobahn, meldet Rüdiger Seitenwind, wir werden aufgefordert, auf den nächsten Meilen keine harte Schulter zu zeigen, ansonsten tut sich aber abgesehen von kleineren Staus nichts, obwohl wir schon darüber nachdenken, dass Umrundung von Städten am Meer an Freitagnachmittagen keine so gute Idee sein könnte. Gelegentlich stelle ich beim Runtergucken aus dem Fenster fest, dass da im PKW neben mir schon wieder einer während der Fahrt am Handy daddelt, bis ich schnalle, dass es ja der Beifahrer ist.
Die Ausfahrt „New Forest“ ist erreicht. Davon wird geschwärmt, von diesem sehr waldreichen Naturgebiet. Wir wollen einen SP an einem Landhaus in Burley anfahren. Zunächst passieren wir das schmucke quirlige Städtchen Lyndhurst. Weiter geht es durch schöne Heidefelder nach Burley. Den ersten freilaufenden Pferden begegnen wird. Viele soll es davon geben, auch Kühe, Ponys und Schweine leben hier frei.
Am Ortsanfang biegen wir scharf rechts in ein schmales Sträßchen vorsichtig ab, tasten uns vor und gelangen auf ein riesiges Wiesenstück mit einzelnen prächtigen Bäumen. Man kann einfach auffahren auf das Gelände, so las ich, die Gebühr von 15 £ würde irgendwann bar kassiert. Also los, Platz finden, qber wo … auf diesem irre großen Landstück? Natürlich muss Blick auf das prächtige Landhaus gegeben sein, ein Baum daneben macht sich immer gut, SAT-Empfang darf zwar nicht gestört werden, wobei die EM heute pausiert, aber morgen wollen wir auch noch hier bleiben. Irgendwie schließen wir die Findungsphase ab und stehen. In der Ferne quasi steht ein englischer Kastenwagen, deren Besatzung gerade entnervt bemüht ist, ein riesiges Vorzelt aufzubauen.
Ein Wildzaun trennt einen breiteren Streifen vor dem Landhaus von der Wiese ab. Dahinter grast eine große Herde Rotwild. Welch ein Bild … ich seh schon den Old Englisch Landlord seinem Jaguar in Englisch Grün entsteigen und zur TeaTimeTafel schreiten, zu der ihn seine Holde im Streublümchenkleid um diese Stunde vor der Backsteinfassade erwartet. Ich bin gemein, was …? Nein nein, auch ich hätte mir in manch einer Phase meines Lebens ein Streublümchenkleid gewünscht, stattdessen muss ich nur jetzt meine Kamera greifen und auf Jagd gehen.
Allerdings hätte ich mir das sparen können, denn es erscheint ein wirkliches Unikum von Mann, der sich später als perfekter „Jagdhelfer“ erweist und unsere Kenntnisse der englischen Sprache zum Thema „Hege und Pflege des Rotwilds“, die in deutscher Sprache schon Lücken aufweisen, auf Vordermann bringt. Sam, mittelalt, auf dem Kopf einen Jahrzehnte alten Hut, dessen Krempe sich schon vom Rest der Kopfbedeckung löst, daran gesteckt eine Bussardfeder und ein Bild eines Hasen, der eine Taschenuhr hält, mit schlammfarbiger, wattierter Tausend-Taschen-Weste, kurzer fransiger Hose, halbhohen Wanderstiefeln, auf beiden strammen Waden Flammen tätowiert, fährt mit PKW vor. Ah, er kommt kassieren. Wir zahlen, wir quatschen, wir haben Spaß. Er erinnert mich irgendwie an einen Ulkvogel in einem Western. Als wir erwähnen, morgen eine Radtour machen zu wollen, klärt er uns über die besten Wege auf, springt in sein Auto und deutet an, uns etwas zeigen zu wollen. Kurz darauf kommt er wieder. Man glaubt es nicht! Nein, nicht mit dem Auto, nein, auf einem Hochrad! Wir sind platt. Ja treffe ich doch zum zweiten Mal in meinem Leben einen Mann mit einem Hochrad auf einer Womo-Reise. Damals war es der 82jährige Stani mit seinem Zwergpudel Rocki aus Dresden, der plötzlich neben uns in den Sahara-Dünen sein Hochrad auspackte und mit uns vergnügliche Stunden im Wüstensand verbrachte. Und jetzt Sam.
Vermutlich weil wir alle so happy sind, lädt er uns zu seinen Tieren ein. Wir marschieren, natürlich ohne Chianga, in das große Gehege zu dem Rudel Rotwild. Wir verhalten uns ruhig, während er ein Messer aus einer seiner vielen Taschen fischt. Die ebenfalls gefischte Kartoffel schneidet er in Stückchen, was einzelne Rehe schon aufmerksam verfolgen. Er drückt sie uns in die Hand. Wir warten. Zaghaft, manche aber auch mutiger, kommen die Rehe näher, so nah, dass wir umringt sind von diesen wunderschönen Tieren, die mit Appetit die Kartoffelstückchen fordern und sich ohne Scheu streicheln lassen. Kuscheln mit Rehen, auch noch nie dagewesen. Natürlich kenne ich von Kindheit an Rehe, ganze Rudel sieht man in meiner Heimat, aber so nah kann man denen natürlich niemals kommen.
So, nun würde die Herde uns kennen, er ließe sie jeden Abend frei ins große Areal, wir sollen uns in die Stühle am Womo setzen, es würde dann keine 10 Minuten dauern, und sie würden uns besuchen. Ein Mann, ein Wort. Am Womo zurück bockt Wim die Stühle auf, in der Ferne sieht man die Herde langsam auf die große Wiese kommen. Wir schneiden flott ein altes Stangenbrot in Stücke, haben noch die Schalen von eben verspeisten Möhren und Kartoffeln, wie praktisch, Rotwild-Futter parat, Essen fertig, sie können kommen. Und es dauert echt nur paar Minuten, sie kommen! Vorsichtig, aber doch entschlossen wagen sich einige zu uns. Zuckersüß ist der zweijährige Hirsch, einfach herrlich dieses Gesicht, ein samtiges noch kurzes Geweih trägt er schon, und so zutraulich. Man braucht keine Angst haben, dass sie beißen, vorsichtig nehmen sie alles aus der Hand mit ihren weichen Mäulern, lassen sich aber auch nicht abhalten. Das war ein Erlebnis zur späten Stunde, es ist schon fast 23 Uhr, das kann ich aber einem flüstern, wahnsinnig schön. Und morgen müssen wir erstmal Grünfutter beschaffen, 10 kg Kartoffeln und 10 kg Möhren oder so … :-). Welch ein Tag, damals Stani, Sand, Hochrad und Dromedare, und heute Sam, Wiese, Hochrad und Rehe. Man muss eben offen für alles sein. Et kütt wie et kütt.
29.06.2024 Samstag
Still war die Nacht, Rehe sind ja so gar keine polternden Tiere. Hier auf dem Gelände können sie nachts frei laufen, zum eingezäunten Bereich vor dem Landhaus bleibt das Gatter offen, so kann die Herde nach Belieben wählen. Sam saust schon mit einem Good Morning auf seinem Hochrad vorbei, natürlich mit Hut. Er lebt, wie er erzählte, im Wald irgendwo. Ja, passt, ist stimmig, sicher ein Typ, der mit sich und seinen Ecken und Kanten in abgelegeneren Gebieten besser zurecht kommt und eher die Gesellschaft der Tiere mag als die der Menschen. Seinen 16 Jahre alten Jack Russell kennen wir noch nicht, auch nicht seine vielen Küken, von denen er glücklich berichtet. Ein Herz für Tiere schlägt gewiss in seiner Brust, und seine Rehe liebt er sehr. Wenn er nachts herum streife, dann seien die Rehe um ihn, schlichen hinter ihm, wie Geister, kaum sichtbar, hörbar ohnehin nicht, stünden unbemerkt mal da, mal dort. Er klingt sehr überzeugend, für uns jedenfalls. Ob das auch bei der feineren englischen Gesellschaft so aufgenommen wird, können wir nicht beurteilen, wollen uns heute aber mal unter selbige mischen. Und damit fangen wir an diesem wiedermal strahlend schönen Tag gleich in der Nachbarschaft an. Bei Landlords im Burley Manor gegenüber ist die Terrasse gut bevölkert. Früh morgens schritten schon Hotelgäste im weißen Bademantel durchs Gras im Rehgehege herum und fotografierten. Das tue ich nun auch. Ja, so in der Art mit Abstrichen hätte ich womöglich mein Landhaus auch gestaltet. Am schönsten sind die Blicke von innen in den Garten. Sofort überfällt einen ein Gefühl der Leichtigkeit, die Bedrückendes verweht und der Frage „Was kostet die Welt“ nachgeht.
Zu früh für einen Einkehrschwung, wir sitzen ja gerade mal 2 Minuten auf dem Rad, nehmen wir Fahrt auf und wollen abtauchen auf einem der unzähligen Wege im New Forest. Daraus wird aber zunächst nichts, weil einige der frei lebenden Pferde die Straße blockieren und vermutlich genau wissen, dass auf dem angrenzenden Parkplatz etwas für sie abfallen könnte. Geduldig mit stoischer Ruhe eines Esels ignorieren sie alles um sich herum, bleiben bei ihrem Tempo oder einfach stehen. Man kann sie streicheln, mit Autos auf sie zufahren, ein Rad zwischendurch schieben, ist alles für sie persönlich uninteressant.
Nach einiger Zeit der Beobachtung bahnen wir uns einen Weg, denn der Wald ruft. Dieser Wald, oder besser New Forest National Park, trägt zwar den Namen „New“, er wurde allerdings bereits 1079 als Jagdgebiet für König William I. angelegt. Seitdem sorgen mittelalterliche Gesetze dafür, dass sich Tiere frei und ungehindert darin bewegen können. Dies gilt bis heute, denn Tausende Ponys, Rinder und Schweine durchstreifen das Gelände seit Jahrhunderten. Die Wälder sind zum Schutz vor den Nutztieren allesamt eingezäunt (sogenannte Inclosures). So wird verhindert, dass die Tiere den Wald „kaputtgrasen“. Und so üppig, wie er sich uns eröffnet, gelingt das auch. Auf fest geschotterten Wegen aus Kies tun sich jede Menge Radfahr- und Wandermöglichkeiten auf. Unsere Räder schaffen das milde Auf und Ab sehr gut, obwohl Wim mit Hänger hinten dran schon manchmal volle Kanne Gas geben muss. Durch etwas lockeren Kies zieht sich ein Hänger nicht so leicht.
Der 566 qkm große New Forest ist einer der kleinsten Nationalparks Großbritanniens. Trotzdem wartet eine atemberaubende Vielfalt auf Entdeckung. Es gibt artenreiche Wälder, Heiden, auf denen Rehe grasen, historische Dörfer und zum Meer hin lange goldene Sandstrände. Nach einem Gebiet mit herrlichem Mischwald gehts hinauf in eine Heidelandschaft und zu einem schlichten Canadian War Memorial, das die Schicksale vieler Soldaten in Erinnerung halten soll und vor dem auch wieder zahlreiche rote Poppies-Kränze liegen.
Ob man nun den „Ornamental Drive“ wählt, den „Blackwater Drive“, sich im „Rhinefield Inclosure“ oder „Bolderwood“ oder „Blackwater“ herumtreiben lässt, ein Rehlein kann einem schon mal vor den Lenker springen. Überall ist es einfach nur phantastisch schön. Jeder Abschnitt ist sehenswert, was mit Rad perfekt gelingt. Etlichen Gruppen begegnen wir, die Parkplätze sind gut gefüllt, überall picknicken oder vergnügen sich Menschen und freuen sich an Natur und sonnigem Wetter.
Ein Bereich ist besonders zum Staunen, und zwar der, in dem Douglasien und der Giant Sequoias still vor sich hin gedeihen. Beheimatet an den Westhängen der Sierra Nevada in Kalifornien ergab sich für ihn im 19. Jahrhundert die Möglichkeit, hier auf der Insel Wurzeln zu schlagen. Damals nämlich war es „in“, exotische Arten anzupflanzen. Und so können wir nun an Riesenmammutbäumen, die immergrün sind und Wuchshöhen von an die 100 m und Stammumfänge von über 34 m erreichen, empor gucken bis zum Nirgendwo. Und als wären sie aus den Baumwipfeln herunter geschwebt, tuckern plötzlich ein paar antike alte „Hündchen“ mit winkenden Insassen an uns vorbei, als hätten wir sie bestellt. Aber wie passend zu unserem Feine-Gesellschaft-Tag.
Die Pracht zieht sich hin bis zum Rhinefield House. Vergessen wollen wir doch vor lauter Begeisterung nicht, dass wir uns heute unter die Feinen mischen wollten. Höchste Zeit also. Frech durch eine Tür hinein in den Palast aus zusammengewürfelten Replica von Westminster und Alhambra und wer weiß was sonst noch Altem und Jungem. Egal, der Schein trügt jedenfalls nicht. Immer dem leisen Gemurmele nach erreiche ich die ersten Innenräume. Tafeln sind vom Feinsten gedeckt, eine wartet auf eine 50er Party. Weiter zu den gut besuchten Terrassen wird mir der Zugang zur oberen mittels Kette versperrt. Geschlossene Gesellschaft, und was für eine. Da haben sich 2 getraut und alles feiert. Gibt es eine romantischere Kulisse? Ein besseres Wetterchen? Rahmenbedingungen stimmen. So kann man doch mit voller Ladung in den Hafen der Ehe schippern.
Jetzt aber mal zügig heimwärts. Der Kilometerzähler ist schon bei 35. Auf direkterem Weg erreichen wir Burley, das angeblich schönste Dörfchen im New Forest. Es herrscht viel Betrieb. Wir besorgen im einzigen Lädchen am Platz eine Gurke, ein Brot, 2 Flaschen Wasser und zahlen 9,30 £. Happisch. In der Sonne genießen wir am Womo eine leckere Brotzeit mit den gestern gekauften Meatballs und hoffen, dass abends Wild serviert wird.
Das trifft auch wieder ein. Vorher aber besucht uns ein älterer Herr im recht ausgedienten Geländewagen, aber im Gesamtbild total stimmig die beiden. Er kassiert die SP-Gebühr, plaudert, freut sich sichtlich, dass es uns hier gefällt. Wenig später genießt eine Braut mit Gefolge einen Spaziergang durch den Park. Sie ist zwar in Gesellschaft, aber im Vergleich zur nachmittäglichen Hochzeitsfeier fällt es doch hart ab. Vor allem fehlt ein nicht unwesentliches Detail: der Bräutigam. Ob die 3 nun nur „so tun als ob“, ob es ein Probelauf ist, ob man die Braut, wie in unseren Regionen Tradition, mal kurz „entführt“, wir werden es nicht erfahren. Später schaut unser Sam, der Wildhüter unseres Vertrauens, nochmal bei uns vorbei, um sich zu verabschieden, da wir ja morgen weiterziehen. Wir reden über die Tiere, speziell und im Allgemeinen. Und ja, wir täuschten uns nicht in ihm. Er hat ein echtes Herz für Tiere, und das ist randvoll mit Liebe für sie. Er zeigt uns doch tatsächlich Fotos, wo ein junger Kleiber auf seinem Kopf sitzt, mit ihm spaziert. Wir kennen Kleiber (oder Baumläufer) sehr gut aus unserem kleinen Wäldchen am Haus. Die picken im Sturzflug Körner aus unserem Futterhäuschen, zischen wie der Blitz in die hohen Eichen und hämmern ihre Beute in die Ritzen der Baumrinde. Sie sind scheu, viel scheuer als z. B. Rotkehlchen. Die Vögel kämen zu ihm, einfach so. Mit Sicherheit ist er ein „Vogelflüsterer“, Rotwildflüsterer ja ohnehin. Noch mehrere solcher Fotos zeigt er uns, auch nochmal seine Küken, die natürlich Namen haben. Ich habe natürlich auch etliche Vogel-Bilder in meinen Alben. Sichtlich beeindruckt schaut er sie sich an. Aber natürlich halte ich sie nur mit der Kamera fest, nicht auf Schulter, Kopf oder Hand. Wahnsinn. Ein beeindruckender Mensch! Für alle, die ihm begegnen: herzliche Grüße von Wim, Eva und Chianga bitte (auf FB ist er auch ;-)). Und dann kommt sie wieder, die Herde.
Und ja, Spike, I love you too … Du alter Schwerenöter ;-) !