von Ouezzane nach Tanger

Tag 84 - 07.04.2023 Freitag

Gut geruht und munter verlassen wir das romantisch-bonbonfarbene bäuerliche Idyll an der N13. Romantisch geht es weiter, allerdings wild-romantisch. Alles wirkt so aktiv und frisch hier in der grünen Hügellandschaft der Ausläufer des Rif-Gebirges zwischen sprudelnden Flüssen, Schluchten und Wäldern. 

Wir begegnen vielen traditionell gekleideten Rif-Bäuerinnen, die hier mit den Familien sehr einfach leben und mit forschem Schritt ihrem Tagwerk nachgehen. Treten sie in Gruppen auf, muss man unweigerlich an Karneval in Köln denken. So mit ihren knallroten fein weiß gestreiften Schürzen und vor allem mit den großen, mit schwarzen oder ganz bunten Bömmeln aus Wolle und Borten geschmückten Strohhüten würden sie perfekt in einen lustigen Umzug im Straßenkarneval passen. Aber aber … der Spaß vergeht, wenn man hinter die Maskerade schaut, was die Uni Landau getan hat in ihrer sehr aufschlussreichen Ausarbeitung „Auf den Haschischplantagen Marokkos“:

 

„Die wunderschöne Region Ketama im Norden Marokkos ist das größte Produktionsgebiet für Haschisch weltweit. Durch Zufall und Glück haben wir die Möglichkeit erhalten in einem der Agrarbetriebe vor Ort an Anbau, Ernte und Produktion des Rauschmittels, welche hier in Ketama per Erlass des ehemaligen marokkanischen Königs legal ist, teilzuhaben. Dies (und der Austausch mit den beteiligten Personen) erlaubt mir einen detaillierten Bericht über die Praxis, mit der die Bäuerinnen und Bauern am Rif-Gebirge ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Das Jahr beginnt mit dem Ausbringen der Samen im Januar. Größtenteils werden importierte Samen aus dem Ausland (vorrangig Niederlande und Pakistan) angepflanzt, da diese feminisiert und nach bestimmten Sorten gezüchtet sind. Auch die Samen, welche die Pflanzen aus dem Vorjahr abgeworfen haben, werden dazwischen gesät, was allerdings häufiger zu männlichen Pflanzen führt, die keinerlei berauschende Wirkung haben. Die beiden gängigsten Sorten sind Hardela und Critical, viel experimentiert wird vor allem von den alteingesessenen Betrieben nicht. Jüngere Bäuerinnen und Bauern wagen sich aber in letzter Zeit immer wieder an neuere Sorten heran, stets mit der Gefahr konfrontiert, dass eine neue Sorte sich nicht mit den örtlichen Gegebenheiten verträgt, eingeht und damit die Ernte vernichtet. Die existenzielle Bedrohung, die damit einhergeht, bedingt nicht selten Suizide bei den Betroffenen.

Die Arbeit auf den Feldern, soviel vorneweg, ist Aufgabe der Frauen. Ebenso die Arbeit im Haus und bei der Kindererziehung. Die Männer der Familien hingegen fühlen sich allein für den Verkauf des produzierten Haschisch verantwortlich, in vielen Fällen ohne den kleinsten Schimmer von der Feldarbeit zu haben. Aus Langeweile verfallen hier nicht wenige Männer dem Alkohol und zeigen deutliche Anzeichen des damit einhergehenden geistigen und körperlichen Verfalls.

Nachdem die Frauen im Januar die Felder bestellt und die Pflanzen ausgesät haben, werden die Felder bis zum April von Unkraut befreit und die Schläuche für die Wasserversorgung repariert. Diese ziehen sich teilweise kilometerlang über die Bergflanken und kreuzen, in wirren Bündeln, auch hin und wieder die Routen, auf denen man zu den Feldern gelangt. Das Wasser, das ab April benötigt wird um den steigenden Wasserverbrauch der Pflanzen zu bedienen, stammt aus jeder erdenklichen Wasserquelle. Sowohl Flüsse, als auch Quellen oder selbstgebohrte Brunnen liefern Liter um Liter.

Ab Mai ist es in den Bergen Ketamas zudem zu heiß, um Mittags zu arbeiten. Die Lösung: Ab Morgens 5 Uhr geht es an die Arbeit, bis sich ab 10 Uhr die Hitze bemerkbar macht. Ab 16 Uhr Nachmittags wird dann bis zum Aufziehen der Dämmerung (gegen 21 Uhr) weitergearbeitet. In der „Mittagspause“ und nach „Feierabend“ müssen die Frauen die anfallenden Hausarbeiten erledigen und ruhen sich kurz aus. Kaum eine der Frauen schläft in den arbeitsintensiven Phasen länger als 4 Stunden pro Nacht. Und so richtig arbeitsintensiv wird es ab Anfang September, denn der gesamte Monat steht im Zeichen der Ernte.

Da der Verlust eines Feldes, sei es durch Diebstahl oder Unwetter, zum finanziellen Engpass für eine ganze Familie werden kann, erfolgt die Ernte der Pflanzen etwas bevor diese komplett reif sind. Zudem wurde uns versichert, dass der Diebstahl von reifen Pflanzen für viele der Täter*innen in schneller und unbarmherziger Lynchjustiz mit dem Gewehr endete.

Die Frauen von Ketama tragen auf Grund der Beschaffenheit der Pflanzen eine „Arbeitsuniform“ aus dicken Gewändern mit langen Ärmeln, mit denen sie in der Hitze von um die 30 Grad Celsius arbeiten. Wie diese Arbeit aussieht, hängt von der jeweils geernteten Grassorte ab. Hardela wächst zu 50 – 70 cm hohen Pflanzen heran, die mitsamt Wurzel aus dem Boden gerissen werden. Critical hingegen bildet eine 2 – 3 Meter hohe Pflanze von der ab 1,50 Meter Höhe die Blüten abgehen. Daher wird Critical mit einer kleinen, reißzähnigen Handsichel geerntet. In beiden Fällen werden die geernteten Pflanzen zu Bündeln von ca. 8 cm Durchmesser an den Stängeln zusammengelegt und dann mit einem der Stängel verknotet. Im Anschluss wird noch einmal mit der Sichel das Ende des Bündels gekappt, sodass das Bündel jeweils nur den Teil der Stängel enthält, an dem sich auch Blüten befinden.

Ist das Feld abgeerntet, so werden die Bündel auf ein Seil gelegt, aufeinander gestapelt und mit dem Seil direkt auf den Rücken der Trägerin gebunden. Zu Beginn wurden uns nur die „Touristen-Portionen“ zugetraut, was ca. 15 Kilo Pflanzen entsprach. Bei einer der Ernten beharre ich darauf das Bündel zu schleppen, welches eine der Arbeiterinnen sich bereits fertig gerichtet hat. Unter großem Protest erlange ich das Recht, die Ernte nach Hause zu tragen und schaffe den steilen, bergigen und kurvigen Weg nur unter allergrößter Mühe. Mein Bündel wiegt geschätzte 35-40 Kilo, was ungefähr der Hälfte dessen entspricht, was die 95-jährige Urgroßmutter der Tochter des Hauses schleppen kann. Mit 80 Kilo auf dem Rücken wäre ich auf den ersten hundert Metern mindestens kollabiert und die gute Dame (die auch sehr gerne exzessiv tanzt) schleppt das Gewicht seit sie 15 Jahre alt ist.

Die geernteten Bündel werden die ersten drei Tage an der Sonne getrocknet und anschließend bis zum Dezember aufeinander gestapelt im Lager. Auf den Feldern werden nun, einerseits zur Erholung des Bodens, andererseits zur Sicherung der Ernährung, Kartoffeln angepflanzt und bewässert, später geerntet ( Wie viele Kartoffelsäcke die Urgroßmutter schleppen kann, erfahre ich nicht, ich schätze aber, dass ich mich von der Menge ganz passabel drei Wochen durchgängig ernähren könnte…). Das geerntete Marihuana spielt erst im Dezember, nach dem vollständigen Trocknen, wieder eine Rolle. In der Zwischenzeit werden vor allem die Wasserschläuche geflickt und die Werkzeuge repariert.

Zur Herstellung des Haschisch im Dezember wird dann eine große Schüssel mit Nylon-Stoff überspannt (die Schüssel ist ungefähr 40 cm tief und der Durchmesser beträgt ca. 1 m). Darauf werden die getrockneten Pflanzen gegeben und das Ganze mit einer dickeren Plastikfolie umspannt, die unten sehr fest gebunden wird. In der Folge wird mit zwei großen Stöcken (die komplett von Ästen o.ä. befreit sind) durchgeklopft. Die Länge des Klopfen bestimmt dabei die Qualität des Haschisch. Werden fast nur die harzhaltigen Blüten durch den Stoff geprügelt, handelt es sich um die 1st quality, je mehr Anteile der restlichen Pflanze dazukommen, desto geringer die Qualität. Der grüne Staub auf dem Boden der Schüssel (Kief) wird eingesammelt und dann mit Hitze und Druck zum Endprodukt, dem Haschisch verpresst.

Da der Anbau zwar legal ist, der Besitz und Verkauf aber nicht geduldet wird, bezahlen Polizeibeamte hohe Summen (bis zu 20.000 € umgerechnet) um in der Provinz Ketama stationiert zu werden. In der Regel rentiert sich diese „Investition“ allerdings bereits im ersten Jahr, da die Bauern hohe Summen Bestechungsgelder zahlen, um ihre Erzeugnisse außer Landes zu schaffen. Von diesem Ertrag müssen die Familien dann ein ganzes Jahr leben.

Ab Januar geht dann das beschwerliche Leben der Frauen von Ketama wieder seinen gewohnten Gang - in einer wunderschönen Landschaft, aber ohne eine ernsthafte Mitsprache für die eigentlichen Ernährerinnen der Familie.“

 

(https://www.la-uni.org/2017/10/27/auf-den-haschischplantagen-marokkos/)

Auf der weiteren Strecke kommen uns einige Geländewagen-Kolonnen entgegen, gewiss willens und in der Lage, sich in eine der vielen Schluchten zu stürzen oder Bergetappen einzusacken. Oft tragen die Autos spanische Kennzeichen. In Parkbuchten sind unzählige Töpferwaren ausgestellt, und man sieht kleine, noch nicht bestückte Marktstände in stabiler Ausführung, ebenfalls mit Blech gedeckte Häuser, was ungewohnt komisch anmutet, aber darauf schließen lässt, dass es hier in der gebirgigen Region schon angebracht ist, ein Satteldach über dem Haus bzw. dem Kopf zu haben. Die Landschaft ist wirklich wunderschön, und friedlich ohne Haschisch-Anbieter können wir das Concördchen rollen lassen, bis sich links nach Abbiegen auf die N2 ein knallblau gestrichenes Haus zeigt, das ahnen lässt, Chefchaouen ist nicht mehr weit. 

Und da liegt sie, langgezogen auf 600 m am Hang: die über Jahrhunderte hinweg als heilig geltende Stadt Chefchaouen. „Die Hörner“ bedeutet der Name wegen der zwei sich mächtig erhebenden Bergspitzen hier im nordwestlichen Rif-Gebirge. Von dieser Strecke aus haben wir perfekte Aussicht auf die grünen Hügel, die Olivenhaine und ein wenig auch auf die blauen Häuser, für die es einige Erklärungen gibt. Nach islamischer Lehre soll diese Farbe den bösen Blick abwenden. Klingt gut. Auch wird ihr nachgesagt, Mücken ließen sich abschrecken und Gassen im Sommer kühl halten. Wir werfen ohnehin keine bösen, sondern nur gutgemeinte Blicke hinüber, verschieben einen Besuch auf eine nächste Reise. 

Auch wenn die Fahrt nun nach Westen zur Küste Richtung Tanger geht, bleibt es gebirgig. Gelb blüht der Ginster. Immer wieder tauchen Würfelhäuser in kräftigen Farben auf, liegen wie bunte Ostereier im dicht sprießenden satten Grün. Überall wird geschuftet und geackert. 

Zum Teil fahren wir in großer Höhe mit phantastischen Ausblicken auf Bergwelt und Täler. Die Straße wird aufwändig instand gesetzt. Menschen winken, Bagger und schweres Gerät hängen mitsamt Arbeitern häufig abenteuerlich an steilen Hängen. 

Wir fahren einen Parkplatz oberhalb des türkis herauf flirrenden Barrage Sedd en Nakhla an. Die Sonne scheint verführerisch, was aber extrem täuscht. Hier oben pfeift ein Windchen, aber was für eins. Chianga hängt samt Pippi-Strahl beim Gassigang fast waagerecht in der Luft, Wim schafft noch gerade, die Tür festzuhalten, ehe sie uns die Seitenwand demolieren kann. Unser Plan, auf der Terrasse des angrenzenden Restaurants einzukehren und hier zu übernachten, wird sowas von vom Winde verweht, dass wir uns sofort entschließen, uns hier nicht sturmbeuteln zu lassen, sondern weiterziehen werden. Denn im Womo so dahinziehend ist es herrlich. Windstill, sonnig, winkende Menschen, guter Asphalt, Landschaftsbilder für vollen Genuss. Stark beeinträchtigt wird dieser Glücksseelenzustand, als sich auf Tetouan zufahrend die Müllfetzen am Straßenrand entlang ziehen und stark und stärker werdend ein bestialischer Gestank ins Concördchen drängt. Uns bleibt wirklich die Luft weg. Unbeschreiblich abartige Gerüche füllen schlagartig das Womo trotz geschlossener Fenster, die das Zeug haben, einen ohnmächtig werden oder brechen zu lassen. Einfach Wahnsinn. Rechts auf einer Anhöhe schwärmen Hunderte Vögel, man erkennt Kühe, mehrere Bagger, umzäuntes Gelände, eine riesige Müllkippe. Gas geben, nix wie weg, aber sowas von Gas geben. Welch einer Belastung sind die Bewohner des sofort angrenzenden Randgebiets der großen Stadt Tetouan ausgesetzt. Meine Güte. Total geplättet ziehen wir weiter, suchen das Weite. 

Und darauf kann man sich in Marokko verlassen: die Weite folgt immer wieder. Idyllisch, hügelig, grün und bunt ist es schnell wieder rund um uns, und wir erreichen ohne böse Überraschung über die N2 die Randbezirke Tangers. 

Eine kleine Runde nach rechts drehen wir über die Küstenstraße auf der Suche nach einem angeblichen SP. Wir werden nicht fündig und nehmen die andere Richtung nach links zum Zentrum und Hafen. Huijuijuiii, hier wurde aber auch mal wieder geklotzt und nicht gekleckert. Nach wunderschönen üppigen Park- und herausgeputzten Hotelanlagen folgen die nach dem König benannte Avenue für all die schicken Autos und die sich direkt anschließende klinisch reine und durchgestylte Uferpromenade, auf der die Einheimischen sehr gern und ausgiebig 6 km weit mit Blick auf Meer und Yachten flanieren. Hier, wo sich Atlantik und Mittelmeer vereinen, scheinen die aus dem Promenadenpflaster ragenden schicken Glasbauten quasi die Farben der Meere widerzuspiegeln, dienen aber eigentlich nur als Verlängerung der schnöden, nach unten zu Parkdecks führenden Aufzugsschächte. Nach einer Promenadenrunde versuchen wir auf einem Parkplatz an der Corniche an der Stadtmauer unser Glück, die Lizenz zum Übernachten zu bekommen. Schon ruft uns winkend irgendein Mann heran, klärt etwas mit einer Person im Tickethäuschen, Schranke öffnet sich, er dirigiert uns gekonnt und freundlich zu zwei großen Lücken und platziert uns. Motor aus. Perfekt. Parkgebühr 50 DH, Bewachung 100 DH. Keine Frage, das zahlen wir gerne, Preis für diese Lage mitten in einer großen Stadt ist völlig berechtigt, egal wie sie sich das letztlich aufteilen. Wir freuen uns sehr, genehmigt und gut zu stehen mit Blick auf Stadtmauer und Medina, Hafen, Yachten und Kreuzfahrtschiffe. 

Wim macht sofort die Räder klar. Der Wind weht erträglich, die Sonne scheint, es lohnt sich, sich aufs Rad zu schwingen. Es stellt sich aber raus, dass Tanger nicht besonders radfreundlich ist. Eine Radspur auf der Avenue gibt es nicht. Auf der Promenade ist Radfahren eiiiiiiiigentlich verboten. Die Bordsteine sind enorm hoch. Hafenwege sind absolut tabu. Alles ist gesichert durch Wachmänner. Wir machen es trotzdem, wir ignorante Touris. Aber wir erhalten auf zuckersüße Nachfrage und nach telefonischer Abklärung eines Diensthabenden mit seinem Kollegen sogar die Erlaubnis, am Kai entlang radeln zu dürfen. Auch hier tut man wirklich vieles für „Gäste“, wie überall im Land. Es sind nun aber auch kaum Menschen unterwegs, das vereinfacht es sicher. Und möglicherweise wird an wärmeren Tagen hier halb Marokko flanierend unterwegs sein. Für die Streuner in den Parkanlagen, die alle mit Kennzeichnungen versehen sind, da vermutlich kastriert, fällt dann gewiss auch einiges ab. 

Wir genießen auf unserer Radtour über die 6 km Strecke die schöne Stimmung am Meer entlang, nur 30 Schnellfährenminuten entfernt von Europa, in der Stadt an Afrikas Nordspitze, die Exzentriker, Freiheitsliebende und Abenteurer, Literaten, Hippies und Musiker längst zu einem Mythos gemacht haben. Auch wenn dieser nach und nach verblassen wird, Spuren der Zeit werden sich hoffentlich halten, wie auch das als unnachahmlich sanft beschriebene Licht, das schon den Maler Henri Matisse viele Jahrzehnte vor den Wilden und Unbändigen magisch angezogen hat. Heute sieht man keine Prostituierten, Trinker, Gaukler und Lebemänner mehr, die sich die Zeit an der Corniche vertreiben, Verruchtes findet sich, jedenfalls auf Anhieb, nicht mehr. Das Saubere und Schicke und Grüne wird geschätzt. Deswegen turnen viele Gartenarbeiter herum in den steilen grünen Hängen zur Medina hinauf, gestalten und pflegen was das Zeug hält. 

Am frühen Abend lassen wir Chianga im Womo, gehen die paar Treppen hinauf zur Medina und tauchen auch sofort ein in diese zeitlos-geschäftige Welt des orientalischen Lebens. Sehr propper präsentieren sich Gebäude, Gassen und Läden. Es wirkt aber wenig authentisch. Es ist so „in Schuss“ alles. Ein Anflug von Phantasia-Land überkommt mich. Das liegt aber evtl. auch an der doch beachtlichen Zahl der Menschen, die sich herumtreiben lassen, vielleicht ein wenig so wie damals Gelangweilte und Glücksritter, die sich hier vor ewigen Jahren wohlfühlten, auch weil die Sonne immer schien, der Minztee schmeckte, man den Wein bezahlen konnte und mit Drogen von guter Qualität von willigen Händlern jeder Art versorgt wurde. 

Uriger wird der Eindruck dann doch, je weiter wir ins Gewusel der Medina vordringen. Lederhändler und Schuhmacher, Keramik- und Gewürzhändler, Teppichläden, Cafés und Lebensmittellädchen reihen sich aneinander. Die Schmuckauslagen der Juweliere biegen sich, und steht man still und schaut interessiert hinein, schleicht einem flott mal eine Katze schnurrend um die Beine. Die ockerfarbenen oder weiß gestrichenen Häuser sind meist sehr vielfältig verziert mit Marmorintarsien, Stuck und Kacheln, Holzschnitzereien und Vertäfelungen. Wir nehmen an, dass bei dieser Wie-aus-dem-Bilderbuch-Medina-Atmosphäre das Übers-Ohr-Hauen beim Handeln inklusive ist. Aber Hauptsache: es war schön gewesen, wie der Kölner sagt. Und das war es.

Zurück am Womo ist von Chianga kein Jammern zu hören, die Laternen leuchten den Abend ein, während sich der Himmel rosa-lila färbt, parkt neben uns ein schneeweißer Maserati ein und an der Corniche führt eine junge Marokkanerin ihr Gucci-Tuch aus. Möglicherweise nimmt gerade in diesem Augenblick eine amerikanische Lady nebenan im Kreuzfahrtdampfer ihres gerade hervor, legt es sich um zum Captains Dinner. Ich bin froh, ungezwungen und frei wie vor vielen vielen Jahren hier die „Hallodris“, jetzt in Badeschlappen und luftig-lockerem Überwurf gemeinsam mit Wim und unserem friedlichen Chianga-Mäuschen über ein in der Medina gekauftes Grillhähnchen herfallen zu können. Manchmal ist eben weniger zweifelsohne mehr ;-).