von Timerzit nach Merzouga


Tag 67 - 22.03.2023 Mittwoch 

Sehr kühl war die Nacht, nur 14 Grad. Bei offenem Fenster konnten wir ruhig schlafen, aber mehrfach musste ich mir die Bettdecke über die Ohren ziehen. Jetzt strahlt die Sonne. Ein schöner Reisetag bricht an. Addi sitzt schon an der Straße an seinem Tischchen, das silberne Teekesselchen blitzt in der Morgensonne, ein paar bunte Tücher flattern im Wind. Wim und ich klären vorsichtshalber, ob wir Tee nehmen oder nicht, entscheiden uns dagegen, werden lieber die frühe Morgenstund‘ nutzen, um Rissani zeitig zu erreichen. Also auf geht‘s. Wim zahlt 150 DH für Tajine, Brot und SP, wir winken und ab geht‘s auf die N12. 

Angesichts der rund 80 km begegnet Wim dem stückweit miserablen Straßenzustand recht gelassen. Dennoch nervt das klopfende Concördchen, also gewöhnt daran sind wir keineswegs. Gewöhnt an marokkanische Ebenen auf knapp unter 1000 m sind wir schon, aber sie sind immer wieder berauschend schön. Ketten, so kommt mir in den Sinn, Ketten sind, in gutwillig bester Deutung, Schmuck. Bergketten, wie die, an denen wir vorbeiziehen unter herrlichem Himmel, sind ebenso Schmuck. Sie schmücken die Landschaft, rahmen ein, halten und fassen sie und sorgen dafür, dass der Blick nicht ungehalten ins Uferlose fallen kann. Eins unserer „Afrika-Bilder im Geiste“ ist diese Savannenlandschaft mit spärlichen Büscheln, holzigen Sträuchern und eingestreuten Schirmbäumen, die immer wieder die Sehnsucht nach großen dahinziehenden Antilopenherden weckt, Zebras oder Gnus wären auch ok, so für den Anfang.

Stattdessen sichten wir nur Herden von Motorradfahrern und Geländewagen-Kolonnen. Außerdem begegnen uns auch auf dieser Route unzählige Womos, meist Deutsche, kaum Franzosen, alles total ungewohnt aus den Vorjahren und kaum zu fassen. Und tatsächlich steckt im Gegenverkehr auch eine Concorde aus „RI“. Und alles winkt, sehr sehr lustig. Aber auch ein totes Dromedar, hochschwanger, liegt am Straßenrand. Bremsspuren und Glascherben sprechen eine eindeutige Sprache. Was nun aus ihm wird. Und wie der Fahrer das überstanden hat, hoffentlich. Jedenfalls liegen Freud und Leid eng beisammen. 

Das Land wird zunehmend heller, sandiger und karg. Nichts geht mehr. Es schließen sich weite bunte Flächen mit verblasenem Müll an, die die Stadt Rissani ankündigen. Daran hat sich nichts geändert, leider. 

Begrüßen können wir aber den Umstand, dass die irgendwie immerwährende Baustelle am Ortseingang und weit drum herum scheinbar weg und ein tadelloses Hineingleiten in die Stadt durch das wirklich phantastisch schöne Tor möglich ist. Lange war das ein schlimmer Zustand, so aus der Bergwelt kommend durch vermüllte Felder zu fahren, sich durch extrem staubige, löchrige Engpässe zu quetschen und in den Strom der von zig anderen Verkehrsteilnehmern gefluteten „Hauptstraße“ zu schmeißen, um am anderen Ende irgendwie wie benebelt aus dem versandeten Wüstennest wieder ausgespuckt zu werden. 

Angesichts der „netten“ Zufahrt fällt es nicht schwer, unseren Plan zu verwirklichen und das Mausoleum anzufahren. Etwas Schönes wollen wir uns, bevor unsere Blicke nur auf öden ;-) Sahara-Sandhaufen spazieren gehen können, vor die Augen führen. Es ist nämlich seit einiger Zeit auch Nicht-Muslimen gestattet, den Vorraum zum Grab von Mouley Ali Cherif, dem Vater der großen Alawiten-Dynastie und einer hohen Persönlichkeit der Geschichte Marokkos, hier in der zweifelsfrei einzigartigen Stadt Rissani, die als „Wiege der Alawiten“ und an der Stelle der berühmten Stadt Sijilmassa erbaut wurde, zu besuchen. 

Erbaut wurde das recht imposante wunderschöne Heiligtum in den Jahren ab 1747, nach Zerstörung durch eine Flut renoviert im Jahr 1997. Wir parken direkt davor auf einem großen Parkplatz. Die Tatsache, dass nur ein Bus hier steht, lässt vermuten, wir müssen nicht inmitten vielköpfiger Reisegruppen durch den kleinen zu besichtigenden Bereich latschen. 

Und so betreten wir das beeindruckendste historische Denkmal in der Region Tafilalet durch eine riesige und exquisite Tür, eher ein Portal, reich verziert mit Fliesen und sehr eleganten Mosaiken. Es öffnet sich zu einem herrlichen, mit Arkaden gesäumten Innenhof und zum satten Grün eines wunderschönem Gartens. Vögel zwitschern, Sitzen auf dem Rand eines kleinen mittig platzierten Steinbeckens und genehmigen sich das ein und andere Tröpfchen, das Wasser plätschert leise, Gemurmele von ein paar Gärtnern und einigen italienischen Touristen huscht um die Säulen. Es ist lauschig, wohltuend frisch, staublos und bunt, und es überzieht einen sofort eine erleichternde Gemächlichkeit von Kopf bis Fuß. 

Mehrere Holztüren, die mit detailreichen Gravuren, Beschlägen und Malereien bedeckt sind, gehen ab vom Rundgang, von dem aus man herrliche Blicke immer wieder in den kleinen Garten genießen kann. Auch den Hunderten von Pilgern, die jedes Jahr dieses Grab besuchen, wird es ähnlich ergehen, was den als sehr aktiv und fromm beschriebenen Moulay Al Cherif und seine ebenfalls hier beerdigten Söhne hoch oben im himmlischen Domizil freuen wird. 

Ich schleiche ein wenig herum, kann über eine offene Tür in einen weiteren Innenhof gelangen und einen Blick in Aufenthalts- oder Ruheräume werfen. Man sieht keine Menschenseele, aber ein leckerer Essensgeruch wabert um die Mauern. 

Einen weiteren großen Innenhof betrete ich, ebenfalls mit Garten und Brunnen und wunderschön verzierten Decken, werde aber ziemlich laut und barsch und ohne nennenswerten Blickkontakt von einem Mann in Arbeitshose „rausgebeten“. Puh, ein Hinweisschild sah ich nicht, bin aber wohl in den für Nicht-Muslime verbotenen Teil geraten. Ich stolpere mal flott wieder, noch ehe dieser Mann aus seiner Hose springt, über die Türschwelle in den Arkadengang und höre eine sanfte Stimme hinter mir. Umgedreht sehe ich, dass sie zu einem älteren, in langem weißen Gewand steckenden Mann gehört, der mich freundlich und gütig anlächelt. Er deutet mir entschuldigend an, dass ich getrost Fotos machen dürfe, eben von der Schwelle aus, und schlägt sich währenddessen zigfach auf sein Herz im Wechsel mit Falten seiner Hände. Ich danke ihm ebenso herzlich, finde diese Geste sehr auf Höhe der Zeit und freue mich wirklich darüber, aber nicht über die Erlaubnis, ein Foto machen zu dürfen, nein, eher über den Umstand, dass man mein Interesse als Andersgläubige positiv sieht und weiß, dass die Welt nur mit Aufeinanderzugehen funktionieren kann. Dann geht der Mann, oder eher: er entfernt sich langsamen Schrittes, wandelt dahin - aber nicht ohne paar Säulen weiter dem Arbeitshosenmann gehörig und mit fester Stimme irgendeinen Marsch zu blasen. 

Nachdem Wim anschließend, weil wir Chianga nie allein in praller Sonne im Womo zurücklassen, auch eine Besichtigung absolviert hat, ich gegenüber noch ein paar Gänge der kühlen „Unterwelt“ durchforstet habe, setzen wir unsere Fahrt durch Rissani fort, kaufen Brot und tauchen ein in die nach dem Ortsausgang liegende Oasengartenwelt. 

Dann aber wird es in der Folge sehr sehr „wüstig“. Rechts und links tauchen Sanddünen auf vor Tafelberg-Reihen in weiter Ferne. Es tauchen auch Allrad-Konvois auf mit verwegenen Turban-Typen am Steuer und unter Sonnenhüten steckenden Ladies im Fond des Wagens. Sternenhimmel-Touren bietet man ja auch gerne mal immer an. „Aber ich hab ja Wim“ … sprach sie bedauernd ;-). 

Zurück zum Wesentlichen, dem SP-Finden. Merzouga kommt in Sicht mit einem großen neuen Schulkomplex direkt am Ortsanfang. Durch den ebenfalls neuen Kreisverkehr, wo an einem Schild die Jahre vorher immer ein paar mit Moped ausgestattete „Abfangjäger“, wie ich die Burschen nenne, die einem Geleit zu bestimmten Plätzen geben wollen, lauerten, fahren wir jetzt unbehelligt auf 2 Uhr raus. Irgendwie auch komisch und undankbar, auf nix ist mehr Verlass, und Wim hat schon einen nervösen Gasfuß und den Finger auf der Drucklufthupe. So erreichen wir den Abzweig nach links zur „Auberge La Tradition“. Diese Auberge besticht positiv durch für uns absolut unschlagbare Lage ohne Schnickschnack, neutral durch die Unwägbarkeit, ob das Concördchen es durch die Sandverwehungen nach oben hinters Haus schafft und leicht negativ durch einen Gastgeber, der sagen wir mal Neudeutsch: „speziell“ ist, den wir aber zu nehmen wissen. Er ist ziemlich uninteressiert an allem, will „auf Teufel komm raus“ nur seine Touren 4x4 und Kamel verhökern und lässt nur sehr sehr ungern locker. Uns ist es egal, wir lehnen ab, kennen das ja auch schon, und platzieren uns dickfellig, nachdem das Concördchen leicht tänzelnd aber fraglos durch den Wüstensand geschlingert ist, weit hinten im schönsten Eckchen. Aus die Maus. Da der Hausherr sowieso so fußfaul ist, wird er hierher nicht so leicht angeschlurft kommen. Ruhe. Ende im Gelände. 

Für uns ja, aber auf unsagbar vielen Dromedarrücken werden Touris im Laufe des späten Nachmittags und Abends auch an unserem Lager vorbei durch das sandige Gewelle hinter selbiges gebracht und in Biwaks über Nacht zwischengelagert. Bei 100 Tieren haben wir mit Zählen aufgehört. Gelegentlich gab‘s schon fast an bestimmten Knotenpunkten Komplikationen mit herum ziehenden Quad-Kolonnen, ebenfalls Ziel Biwak. Und auf den Höhen herrscht Ruh‘ … denkste! Silber blitzt auf, blendet das Auge, schwarze Punkte bewegen sich, weiße ebenfalls, dazwischen hüpfen Stecknadelköpfe herum. Geländewagen beherrschen die Szenerie hoch oben, kippen ihre Ladung aus, um sie kurz darauf wieder einzusammeln, wie Greifvögel, die mit ihrer Beute noch etwas spielen, bevor sie zuschlagen. Bewundernswert hängen auch ganz Motivierte am steilen Grat nach ganz ganz oben, Gratwanderung der Extraklasse. Wo sind denn aber nur die Gleiter mit ihren Schirmen … wohl kein Flugwetter. Aber vermissen tun wir die bunten Kleckse nicht, Programm genug. 

Mit Bestaunen der riesigen Wüstenhyazinthen und ein paar Licht- und Schattenspielen verabschiedet sich der Tag. Wir sind ungeheuer froh, Erg Chebbi doch erneut angefahren zu haben. Gut, dass wir uns wieder in die Wüste geschickt haben. Es ist ein Muss. Es ist einzig schön … außergewöhnlich oder extraordinaire, wie der Franzose zu sagen pflegt. 

Tag 68 - 23.03.2023 Donnerstag

Ein Blick aus dem Fester: hui, bewölkt, stark bewölkt.

Na hoffentlich nimmt das nicht zu ;-). 

Wir lümmeln im Schatten unseres Bäumchens, fischen gelegentlich trockene Geäststückchen aus dem Wasserglas, beobachten die kleinen Vögelchen im Baum, unser Chianga-Mäuschen beim Sandjagen und Sandbaden und die umher schwirrenden Libellen. Scheint sich um die seltene Gemeine beflügelte nordafrikanische Dromedar-Dung-Sandfloh-Libelle, von der man ja schon so viel gelesen hat, zu handeln, die kein Wasser benötigt und ihre Flügel bei Kontakt mit einem Dromedar-Mist-Kügelchen schattenspendend wie Sonnensegel aufspannen kann. Möglicherweise ist es aber auch nur eine völlig einfache Art, eine anspruchslose Libelle, die ganz simpel ihr Revier in einer gleich hinter Düne 7 liegenden Teichlandschaft hat. 

In Insektenkunde nicht bewandert, die Düne bei 32 Grad im Schatten ebenfalls nicht bewanderbar, greifen wir zu den Rädern und wählen Asphalt, müssen einkaufen, Vorräte sind aufgebraucht, auch Datenvolumen tanken und Geld wechseln. In Merzouga lässt sich alles erledigen. 

Hier ist es schön überschaubar: eine Straße, ein Torbogen, Hundert Touranbieter. Und einer schließt sich Wim, obwohl der keinen Camper, sondern Chianga im Hänger hinten am Rad hat, als Begleitmoped an, um ihm einen SP anzubieten. Ja, so sind sie. Der Versuch ist nicht strafbar. Wir lächeln sie weg. Inshallah. Was auch für den Anlocker an irgendeinem Hotel gilt, der auch alles Mögliche im Angebot hat. Wir nutzen aber nur seine Location schnöde, um ein paar schöne Fotos zu machen. 

Während Wim grillt, ziehen verlässlich die Dromedare an unserer Womo-Nase vorbei. Man hört nichts, man sieht sie nur plötzlich. Es ist jedesmal ein freudiges Ereignis sozusagen, das Chianga nicht im Geringsten aufbringt. Die Tiere werden regelmäßig am späten Nachmittag zu einem Sammelplatz geführt, wo sie abgelegt auf Kundschaft warten, um hinter den Bergen, bei den sieben Zwergen, mit ihren sieben (und weit mehr) Biwaks, ihre wohlverdiente Nachtruhe zu finden. Früh am nächsten Morgen wird die ganze Touri-Ladung wieder vor die Berge bugsiert. Unser Betreiber verlangt dafür 100 € für 2 Personen, der SP ist dann umsonst. 

Lange sitzen wir draußen. Zu unserer Mixed-Grill-Platte mit Seeteufel aus der Lagune Naila, Würstchen aus Tiznit und Kotelett aus Spanien serviert Wim mit Gorgonzola gefüllte Spitzpaprika, Zucchini mediterran und Grillkartoffeln. Die Nacht lässt Millionen Sterne über uns leuchten, und bis weit nach Mitternacht wird irgendwo mit lauter Musik gefeiert. Ob das Muslime sind im abendlichen Fastenbrechen nach Sonnenuntergang. Kaum vorstellbar. Ramadan hat gestern begonnen, und damit die Fastenzeit. Einen Monat lang gilt für gläubige Musliminnen und Muslime: von der Morgendämmerung bis Sonnenuntergang nicht essen, trinken, rauchen und kein Sex. Feine Besonderheiten gilt es ebenfalls zu beachten: Küssen, Kaugummi kauen, Parfum verwenden und Schlucken von Zahnpasta verboten, Reden nur das Nötigste erlaubt. Herz und Seele sollen gereinigt werden, Platz für den Glauben geschaffen und an Menschen gedacht werden, denen es nicht so gut geht. Ein Monat, ein ganzer Monat, schon eine Aufgabe. Und dann darf man das Zuckerfest feiern. 

Tag 69 - 24.03.2023 Freitag

„Tour Kultur“, sie ist heute fällig. Also los, auf die Räder, auf nach Khamlia in gut 6 km. 

Kaum zu glauben, dass die Sahara hier auch mit solch einem Programm aufwartet. Oder würde jemand annehmen, dass Scheich Abdullah aus Wadi Wullah (eine Figur aus den Büchern meiner Kinder) hier seine Sammlung ausgestellt hat. Nein, wohl kaum. Auch stimmt der Name nicht, denn der Name des Scheichs ist Sheikh Hamad Bin Hamdan Al Nahyan. Er gehört der Herrscherfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate an und sammelt leidenschaftlich Automobile. Und weil hierher so gut 4x4 angetriebene passen, hat er gleich Räume hergerichtet und präsentiert sie Interessierten. Kostenlos darf man die hinter Gitter gesicherten Fahrzeuge im nationalen Museum am Rand der Wüste bestaunen, fein aufgereiht. Lediglich dem „Wärter“ sollte man ein Trinkgeld in die Hand drücken. Präsentiert wird eine beachtliche Flotte von Allrad-Fahrzeugen, darunter die Marken Jeep, Ford, Land Rover, Range Rover, Toyota, auch marokkanische Armeefahrzeuge sowie einige weitere ausgefallene Exponate, wie ein einsitziger Buggy und ein Amphibienfahrzeug, sind mit von der Partie. Das älteste ausgestellte Auto ist ein Ford Model T, der seltsamerweise mit Offroad-Reifen ausgestattet ist. Kühl ist es in den Gängen, und schön ist es auch, sich an den alten fahrbaren Untersätzen die Nase platt zu drücken. Fotos von ein paar Mobilen folgen, die Mehrzahl kommt zuhause im Wlan dazu.

Unsere Radtour am Rand der Sahara-Dünen geht weiter bis zum nächsten Ort. Hier schauen wir uns um in der Galerie von den Künstlern Johanna und Lahcen, die ihre Werke in einem wunderschönen traditionellen Lehmhaus mit kleinem Garten präsentieren. Nur im Garten ist Fotografieren erlaubt. Es sind interessante Arbeiten dabei, manchmal zum Schmunzeln. Die Gemälde auf Leinwand und auch Zedernholz sind durchweg sehr ansprechend und dekorativ in kräftigen Farben. Ein klein wenig habe ich jedoch Probleme mit der Darstellung der marokkanischen Frau. Sie zeigt fast ausschließlich eine unnatürliche seltsame, ja fast aufreizende Körperhaltung, man denkt bei Betrachtung, es sei eine aus dem Skizzenblock eines Designers entsprungene Idee. Heidi Klumm fällt mir ein, ein Typ Frau, den ich hier selten bzw. nie erlebe. Über diese eigentümliche Darstellung der Frau denke ich jedenfalls lange nach. Aber Kunst soll ja anstoßen. 

Schräg gegenüber vom Künstlerhaus über die Straße hinweg ertönt Musik. In einem bunten, offenen und einladenden Häuserensemble lebt eine kleine Gemeinschaft von Menschen aus der ethnischen Gruppe der Gnawa. 

Gnawas stammten aus Zentral- und Westafrika und wurden als Sklaven in das heutige Marokko und Algerien gebracht (das Wort Gnawa stammt vom Berber für „Sklave“). Nachdem der Islam von den Berbern adoptiert und die Sklaverei abgeschafft worden war, nahmen die Gnawas den Sufismus an, eine spirituelle Dimension der islamischen Religion, verbunden mit der Legitimation, bestimmte vorislamische Traditionen zu praktizieren. Dazu gehören Heilungs- und Gebetsriten, bei denen Musiker Bass und Melodien auf einem Streichinstrument namens Sintir spielen, begleitet von Handklatschen und Call-and-Response-Gesang. Gnawa-Musik wird auch unabhängig von ihrem rituellen Zweck über Marokko hinaus exportiert und bei Großveranstaltungen wie Essaouiras Gnaoua World Music Festival gefeiert. Und in diesen Genuss einer musikalischen Kostprobe kommen wir, nachdem wir sehr freundlich und herzlich herein gebeten werden in einen herrlichen Innenhof. Man bietet uns Tee an, und versammelt sich, greift zu den Instrumenten und spielt auf. Es ist faszinierend in dieser Umgebung mit diesen in helle Turbane und Gewänder gehüllte dunkelhäutigen Menschen, ein Erlebnis, wie sie quasi wegtauchen in den Tönen und Gesängen, in den Bewegungen und in der Gemeinschaft. Schweigen Musik und Instrumente, sind wir umgeben von strahlenden Gesichtern, die sich nicht lumpen lassen und mit viel Spaß eine Runde im Innenhof auf unseren Rädern drehen zur Begeisterung aller. 

Nun aber ab zum Womo unter unseren Schattenbaum. 32 Grad ist schon eine Ansage, obwohl man die trockene Hitze beim Radfahren gar nicht so empfindet. Aber wehe, man steht. Also liegen … und die Sahara genießen. Morgen geht‘s weiter.