Ihlara-Tal > Kappadokien

25.05.2022 Mittwoch

Eines unserer großen Ziele in der Türkei rückt näher: Kappadokien. Die D 300 bringt uns weiter in den Osten Zentralanatoliens und beschert uns nach Verlassen von Sultanhani sofort Neubausiedlungen aller Art, Gewerbebetriebe, große Schafherden, die sich die dürren Weidegründe mit Plantagen, auf denen scheinbar Plastiktüten angepflanzt werden, teilen. 

Ein ausladender Gefängniskomplex wird gegenüber der Moschee, deren Goldkuppel in der Morgensonne glänzt wie mit einer Speckschwarte gewienert, aus dem Steppenstaub hochgezogen. Hier werden sicher diejenigen hinter Gitter gebracht, die sich der „Zucht“ in der in Sichtweite liegenden Stadt Aksaray und in der Region gezüchteten“ bulligen Malaklisi nicht regel-, art- und tiergerecht widmen. Vermutlich würden bei Prüfung schon ein paar Straftatbestände erfüllt, was Zuchttiere und Zuchtstätten und Wurfverantwortung anbelangt. Aber wenn in Deutschland schon Hunde nur als „Sache“ gelten, was dann in der Türkei. Und wer will schon einem türkischen „Züchter“ den Marsch blasen, der Hunde auf seinem Areal hat, die alle Instrumente spielen können. Eine monumentale Figur in einem der städtischen Kreuzungsbereiche veranschaulicht dann auch wenige Hundert Meter weiter sehr deutlich, wovon wir hier reden und wie das aussieht, worüber wir reden: Aksaray Malaklisi - auch Türk Mastifi genannt. Ein Rassestandard liegt noch nicht vor, von daher auch noch keine Anerkennung durch die FCI. Im Verhalten ähnlich einem Kangal, ist der Malaklisi Menschen und Hunden gegenüber jedoch um einiges aggressiver, und das bei 75 cm Widerristhöhe und 65 kg Körpergewicht bei Rüden. Da versteht sich von selbst, dass man die historisch als Kriegshunde eingesetzten massigen Hunde nur und ausreichend ausgelastet in ihrem Job „arbeiten“ lassen sollte, nämlich als Wachhund und Herdenschutzhund, und es tunlichst vermeiden sollte, bei einem Spaziergang durch die Einöden unbedarft zu sein, wenn man nicht plötzlich eine Pfote von hinten auf der Schulter zu spüren bekommen will. 

Ansonsten bietet Aksaray das Bild einer modernen lebendigen Stadt mit reihenweise Neubauten, mit dem uns nun schon so viele Kilometer begleitenden imposanten 3300 m hohen Hasan Dagi, einem erloschenen Vulkan, im Hintergrund. 

Man kommt nicht umhin, diesen majestätisch sich aus der Landschaft in den Himmel hinauf erhebenden Berg immer wieder zu betrachten - und zu fotografieren. Ein wenig erinnert er uns an den Ätna. Solche schneebedeckten Riesen erwecken unter der Sonne des Südens den Anschein, als würden sie schweben, als könne sie kein Wässerchen trüben, als trügen sie nie und nimmer diese den Tod bringende Gewalt und die alles zerstörende Glut in sich. 

Die vorzeitlichen Eruptionen des Hasan Dagi sind ursächlich für die Tuffsteinlandschaften hier im westlichen Kappadokien, die wir beim Durchfahren unseres heutigen Ziels, dem Ihlara-Tal, zu Gesicht bekommen. Ein paar Dörfer liegen auf der Strecke. Zwischen den absoluten Postkartenansichten im fremdländisch steinernen Zipfelmützengebiet erkennt man, dass sich durch dieses Tal nicht nur ein Fluss aus Wasser gefressen hat, sondern auch ein stetiger Fluss aus Touristen. 

Nach einem Besichtigungsrundgang versuchen wir, im Tal einen Parkplatz für die Nacht zu erreichen. Aber der Umstand, dass ein Drittel der Serpentinen nach unten schon derart steil ist, dass wir vorsorglich eine Möglichkeit zum Wenden vorziehen, lässt uns letztlich, vorbei an sehr individuell-kreativ gestylten Häuschen, auf wunderschöner Strecke im nächsten Ort stranden.

Dort winkt uns ein Lokalbesitzer zu, wir sollen doch zu ihm kommen, er habe Platz. Und wirklich. Am Flüsschen in saftigen Weiden mit Pappel-Wäldchen vor uriger Bergkulisse kommen wir zum Stehen. Perfekt. 

Perfekt weniger, da sich sofort von uns unbemerkt mehrere große Hunde am Womo und Flussufer zeigen, unser an einen Baum gebundener Gustavo derart ins Geschirr springt, dass das hochwertige Ding seinen Dienst quittiert, ein Metallbügel bricht, Schnallen platzen ab, er mit seinen Känguruhbeinen springt dahin, wo seiner Ansicht nach die Musik spielt, um sich mit Wonne, Gebelle und irrem Speed der lauernden Gang anzuschließen und über die Hauptverkehrsstraße hinter der Brücke mit ihnen verschwindet. Ich höre nur Wims Stimme und sehe was Blau-Gestreiftes hinterher rennen. Wim schafft es tatsächlich, den Knallfrosch in einer Ecke eines Gemäuers am Fluss zu schnappen. Wahnsinn. Mit den Worten: „Ich sah mich schon den Vogel in der ganzen Türkei suchen!“ schleppt er dann am Halsband mit ihm an. Der Erleichterung über das glückliche Ende folgt die, dass er mit Draht eine neue Öse und Schnalle basteln kann, und wir dem vierbeinigen Unhold das Geschirr wieder anlegen können. Manchmal bin ich richtig stolz auf ihn. 

Und nach dem Motto „Das haben wir uns verdient“ lassen wir uns hundelos in einem der typischen vom Flusswasser umspülten Pavillons im Restaurant unseres SP-Gastgebers gegenüber nieder und genießen in uriger Atmosphäre einen wunderschönen Abend mit leckeren Lamm-Koteletts und noch besserem Joghurt. 

26.05.2022 Donnerstag

Früh morgens ist die Welt noch in Ordnung, allerdings nur die Irdische offenbar, denn die Himmlische ist noch verschlossen. So können wir die „Kathedrale“ hier im Örtchen nur umschleichen, der Blick ins Innere wird verwehrt. Aber es gibt am nächsten Ziel in 100 km auch etliche, die dann sicher zugänglich sein werden. 

Wir verlassen das sehr beeindruckend schöne Ihlara-Tal, das uns auch im Morgenlicht die besten Ansichten liefert. In den Hausgärten der Anwesen, die hier im Tal ohnehin einen umsorgteren und gepflegteren Eindruck erwecken, machen sich die Hausfrauen zu schaffen, säen, pflanzen, wässern und hacken. Vor vielen Häusern liegen größere Plastiksäcke, aus denen einzelne Pflanzen und Bäumchen gucken und auf ihr Pflanzloch warten. Wir begegnen Bauern und einer Schildkröte, wobei sich der Bauer erheblich weiter rechts bewegt als die waghalsige Schildkröte. Der Kringelmann hat seinen Töpfen leider noch nicht eingeheizt, spült sie gerade und informiert, es dauere noch ein paar Stunden. Schade. 

Auf der schnell erreichten D 300 erwartet uns etwas holpriger Asphalt, macht aber kaum etwas aus, da wir genug mit Staunen über die schier endlose Weite und die so herrlich blühenden Straßenränder zu tun haben. Die letzten Blicke werfen wir auf den Hasan Dagi, dann ist aber Schluss mit dem und seiner Anziehungskraft.

Wir bewegen uns auf gut 1200 m, und außer bewirtschafteten Flächen tut sich lange nichts. Hier und da begegnet uns ein LKW. Eine etwas kleinere Karawanserei als die in Sultanhani wartet vergeblich still vor sich hin auf eine heran schwankende Karawane und löst Gedanken an Marokko und die Saharadünen in uns aus. Weite Hochebenen treten schnell etwas los in einem. 

Nach einem Polizeikontrollpunkt, von denen wir schon einige passiert haben im Land und jeweils immer freundlich durchgewunken wurden, kommt unverkennbar die nächste Stadt in Sicht: Nevsehir. Wieder sprießen Wohnblöcke en masse aus der Erde, LKW- und Ackergeräte-Händler reihen sich aneinander und mit reichlich Pferdestärke begrüßt man uns in Kappadokien. 

An großzügigen Parkanlagen und feinen Läden vorbei erreichen wir den nächsten Ort Uchisar, und kommen unserem Ziel immer näher. 

Aber wehe, da hat Rüdiger uns wieder ein Navi-Ei gelegt. Zunächst noch abgelenkt von diesen gigantischen Draufsichten auf die von Wasser und Wind gestaltete Landschaft mit ihren Felskegeln und dem sich anbahnenden touristischen Getümmele, gilt unsere Aufmerksamkeit sehr schnell nur dem „Überleben“ bzw. dem Jonglieren unseres Gespanns durch zusätzlich von Baustellen gebeutelte Engstellen im Zentrum der steinernen Figurenwelt Göreme. Es macht schon irgendwie anspannender, hat man angespannt. Und ja, der Hänger läuft nur nach, klar, aber im Ort zwischen zwei Lädchen, Cafehausbestuhlung und knubbelweise Touristen eine Haarnadel zu fahren, um bei „die nächste Straße rechts abbiegen … jetzt rechts“ zu gehorchen, da streikt Wim. Mit Recht. 

Stattdessen wählen wir die geeigneter erscheinende Geradeausfahrt, der ohnehin die meisten folgen. Sie lässt sich gut an, leichte Entspannung stellt sich ein, auch Fotos sind wieder möglich. Da wo Kamele mit angestellter Haushaltsleiter aufgesattelt warten, man wohl nur noch mit Offroad-tauglichen Geräten weiter kommt oder gar nur auf dem Rücken der Pferde, da wo Touristen orientierungslos herum irren und unter der Qual der Wahl ihrer Aktivitäten zu leiden scheinen, da wo junge Männer zu allen möglichen Vergnügungen locken, dich in Körbe stecken wollen und dir die komplette Farbpalette der Ballonseide präsentieren … da ist Kappadokien. 

Aber Kappadokien ist auch da, wo wir hin wollen, nämlich ganz harmlos auf einen CP, der etwas außerhalb liegt, und den unser Navi-Rüdiger wohl nicht anders zu erreichen weiß als über die vorbeschriebene Haarnadel und alternativ eine jetzt wahnsinnig steil ansteigende Gasse in ein uneinsehbares Nichts, zudem nicht asphaltiert, warum auch, nein, mit blank gewetzten dicken Wackersteinen. Ja sag mal, ohne Anlauf da rauf? Einen Moment zögern wir, ich, um eine gehörige Portion Angst zu entwickeln, Wim, um mit dem Mut der Verzweiflung zu entscheiden: „Concördchen und Tjaffer, dann woll‘n w‘r mal!“ Nebenbei erwähnt, eine andere Möglichkeit gab es nicht an dieser Schmal-Eng-Stelle, aber Vertrauen ist einfach alles. Hinauf! Und wirklich erstaunlich leicht schwingt sich unser Gefährt hinauf. Oben hab ich das Gefühl, als ich dankbar und demütig ein paar Blümchen am höher gelegenen Wegesrand mit der Kamera banne, quasi als Entspannungsübung, dass das Concördchen mir zuzwinkert und etwas hämisch-verwegen grinst. 

Wir sind jedenfalls immer noch verblüfft und rollen auf den bis auf ein Womo total leeren CP mit weiter Aussicht über das Land, was ja klar ist nach dieser Anfahrt oder besser Auffahrt. Aber schön ist es hier, herrliches Windchen weht, der Himmel strahlt, vor uns ein Rebenacker, daneben bearbeitet ein Mann mit Pferd und Pflug seinen Acker, ein Paar macht sich in einem Garten zu schaffen, und es herrscht Ruhe. Angenehme Atmosphäre zur überwältigenden Pracht der Gesteinsmassen und Höhenzüge. Auf ein paar tolle Tage an diesem Fleck können wir uns wohl freuen.

Ein Plätzchen suchen wir, haben ja totale Auswahl. Schön mit der Schnauze vorne ran an Wein und Panorama, Concördchen passt. Der Tjaffer wird abgeladen, den werden wir hier brauchen. Wunderschön. Der Chef des Hauses gärtnert herum, begrüßt uns und bringt einen handgeschriebenen Zettel mit dem Wifi-Passwort. Das lob ich mir mal. Seine Frau muss nach Begrüßung leider eingestehen, dass der Pool noch nicht in Betrieb sei. Schade, für uns wäre das Wetter passend, für hiesige Verhältnisse wohl noch zu frisch hier oben auf knapp 1300 m. Denn im Gegensatz zu ihr, die eine dicke Strickjacke trägt, trage ich problemlos ärmellos, und das seit Tagen.

Da es hier mal ein wenig gepflegter zugehen soll, krame ich aus den Tiefen des Womos eine Vase hervor und pflücke mir ein kleines Blumensträußchen. Angemessen zart und gefühlvoll wird es vom Chianga-Mäuschen abgeschnüffelt, Gustavo hingegen fühlt sich aufgefordert, sofort hinein zu beißen. Der hat aber auch keine Kultur, dieser Flegel mit seinem herzerweichenden, alles verzeihenden Augenaufschlag. Er nimmt meinen Tadel an, ob er ihn auch ernst nimmt, weiß der Geier, jedenfalls stiefelt er wieder zu seinem Ausguck und vertreibt sich die Zeit, während Chianga im Anhänger geruht zu ruhen. 

So vergeht ein unvergesslicher erster Nachmittag in einzigartiger Natur, und der Abend kann kommen. 

Obwohl unnötig, treten unsere Bettvorwärmer ihren Dienst später an. Manche haben Bettvorleger, wir eben Bettvorwärmer. Es gibt davon, wie ich aus ehrlichen Quellen weiß, viele auf der Welt. Seit ein paar Tagen duldet Chianga nämlich, dass auch Gustavo am Abend ein paar Stündchen mit im Bett liegen darf, allerdings mit Abstand - mit Anstand ohnehin. Und der spanische Springbock hat‘s kapiert … ein Segen!

27.05.2022 Freitag

Durch die Dachluke zischt ein Fauchen. Entweder ein Drache sitzt darauf und versucht, sich auf diese Art Zutritt zu verschaffen oder was ist das sonst, was uns vor 6 Uhr in Herrgottsfrühe den Schlaf raubt. Gejohle mischt sich ins Zischen, immer lauter und näher kommend. Die Hunde rühren sich nicht, aber wir. Das müssen sie sein … das kann nichts anderes sein! Und schon fliegen sie uns fast wortwörtlich vor der Womo-Tür um die Ohren: die Heißluftballons, die hier über Göreme morgens in großer Zahl mit Unmengen Menschen im Korb zu kurzen Flügen abheben und dahin schweben. In die größten Körbe passen 16 Personen, eine ganze Menge. Manche Ballons schweben nur mühsam die Hänge hinauf und schleppen, auf unserer Etage angekommen, schon beinah die Körbe über den Boden. Denen wurde wohl im Zuge der Energiesparmaßnahmen der Gashahn zugedreht. Jedenfalls ist es ein recht kurzes Vergnügen, da muss man wohl schon gehörig brüllen und frohlocken als Passagier, damit sich das teure Flugticket irgendwie auszahlt. 

Nach diesem frühmorgendlichen Erlebnis, das die Hunde im Womo absolut unbeeindruckt gelassen hat, das uns zwar bekannt, aber gestern Abend in Vergessenheit geraten war, wird nochmal eine Runde geschlafen, so dass wir spät in einen ganz normalen Ferientag mit einmal nichts starten in aller Gemütsruhe. 

Diese endet am frühen Nachmittag, als nämlich eine größere Reisegruppe anlandet. Und drei Mal darf geraten werden, welcher Nationalität! Wim ärgert sich sehr über die aufgeblasene Geschäftigkeit, die von solchen Gruppenleitern ausgeht. Da wird herumgerannt mit Hütchen und Nümmerchen auf Plastikteilchen, da wird wild gestikulierend raumgreifend eingeteilt und zugeteilt und das in einer Lautstärke, als sei man allein auf der Welt. Na ja, aber am meisten ärgert er sich darüber, dass nicht mal gegrüßt wird. Wir haben es so einige Male erlebt. Man ist eben derart extrem wichtig „im Dienst“, dass selbst die unter Campern eigentlich normalen Umgangsformen den Bach runter gehen. Unser Rundgang kommt daher passend, und wir sind erstmal weg vom Fenster.

Die Essensvorbereitungen trifft Wim, während die holländische Gruppe mittig auf dem Platz in großem Stuhlkreis die Lage aller bespricht. Auch interessant, wem‘s gefällt. Sie unternehmen jedenfalls morgen eine Ballonfahrt. Und wir unser lecker Gegrilltes zu uns, während sich die Sonne mit ihrem Untergang befasst. 

28.05.2022 Samstag

Der heutige Vormittag wird zunächst genutzt für Reinigungsarbeiten aller Art an Dach und Fach. In den Wohnraum könnte man nämlich die Hühner reinrufen, und die Solarpanele machen mittlerweile einen panierten Eindruck. Also mach ich mich wichtig im Innendienst und Wim steigt mir aufs Dach. Praktischerweise steht auf dem CP eine große Leiter für alle zur Verfügung, was ja eine tolle Idee ist. „Die einen haben den Tiger im Tank, ich den Puma auf dem Dach“ amüsiere ich mich beim Anblick des aus Wims Hosenbund guckenden breiten Rands seiner Unterhose der benannten Marke. Tja, die kleinen Freuden sind doch die, die wir zum Leben brauchen. 

Zu den kleinen Freuden gehört auch, dass wir vom Ausrücken der holländischen Mitcamper-Gruppe zum Ballonfassen in Herrgottsfrühe nichts mitbekommen haben. Anständige Leute. Und der Wind steht heute komplett anders, so dass das ganze Ballon-Geschwader in die komplett andere Richtung aufstieg, das Zischen und Johlen gleich mit und uns dadurch verschonte. Ein schöner Morgen also, einer zum Genießen und Planen der weiteren Route.

Nachmittags brechen wir zu einer Rundtour mit dem Tjaffer auf. Leider beschränkt sie sich auch nur auf eine Runde, da wir übersehen haben, dass Samstag ist und unglaublich viele Menschen unterwegs sind, Busse über Busse anrücken und Besucher auskippen, und die Besonderheiten und Aussichtspunkte hoffnungslos überflutet werden. Kamele und Pferde und Mountainbiker dazwischen geben dann noch die besondere Würze, so dass nicht nur wir, sondern auch unser Gustavo flott die Segel streichen. Mehrere Ansätze in abgelegeneren Zonen, die es eigentlich hier nicht gibt, scheitern am sofortigen Erscheinen von Hunde-Grüppchen aus dem Nirgendwo und wiedermal total versifften und mit Glasscherben übersäten Wanderpfaden. Sahen wir auch bisher niemanden, der eine Flasche zerdeppert hätte, aber es muss sie geben. Es ist unbeschreiblich, wie es an manchen Stellen aussieht, ohne Schuhe dürfte man keinen Hund laufen lassen. Und auf den Wegen sieht man Scherben und Müll ja noch, aber im angrenzenden Gras keine Chance. Ach, was ein Leid. Absolut Schluss ist dann, als uns ein Rudel großer und unzweideutig bellender Hunde ein ganzes Stück am Auto folgt. Dass Gustavo dabei natürlich den Tjaffer fast auseinander nimmt, ist das eine; dass die Meute einfach nicht abdreht, und wir uns aus der Situation nur durch Gasgeben lösen können, das andere. Jedenfalls (k)ein toller Ausflug, einer, den die Welt nicht braucht.

29.05.2022 Sonntag

Ein wirklich herrliches Fleckchen ist das hier oben, und zudem der gepflegteste Platz den wir bisher besucht haben. Vorbildlich ist alles sauber und in Ordnung mit großen Duschen, großen Duschköpfen, die auch druckvoll aus allen Löchlein Wasser hergeben. Sogar Kleiderhaken und verschließbare Türen gibt es. Nicht üblich unbedingt. Wir nutzen zwar höchst selten Einrichtungen außerhalb des Womos. Aber wenn sie so verlässlich gut sind wie hier, ist etwas mehr Raum und Wasser auch mal herrlich. Nur dass der Pool noch nicht in Schuss ist, ist wirklich schade. Berücksichtigung beim Preis findet dieser doch wesentliche Punkt aber leider nicht.

Trotz der unschönen gestrigen Erfahrungen werden wir heute nochmal losziehen. Neuer Tag - neues Glück. Und der Tjaffer muss „anne Luft“ bzw. ins Gelände. Er ist zwar direkt nicht dafür gemacht, aber er als Leichtgewicht geht eigentlich durch alles, ähnlich einem Zäpfchen. 60 PS bei 700 kg regeln das sehr gut, und wir haben Spaß damit. So knöpfen wir uns schon mal die vom Spaziergang bekannte „Piste“ vor und tauchen ein in die staubige, holprige Welt der wilden Offroader. 

Der erste Stopp gehört unserer Königin. Lady Nana Chianga Dafina, Königin von Cappadokia, blickt auf ihr Reich, schreitet die Grenzen ab und kontrolliert, ob die Zaunanlagen, wie sie befohlen hat, in sattem Ridgeback-Rotweizen erstrahlen. Es findet alles ihre Gunst, und wir können weiterziehen. Aber dann bleibt sie noch am Kreuz hoch oben stehen, legt eine Gedenkminute ein. Sie blickt verträumt zum Himmel und wünscht und spürt, ihr geliebter Kamerad Bazou schaut exakt in diesem Augenblick herunter zu ihr und erinnert sich mit ihr an all die wundervollen gemeinsamen Momente. Dankbarkeit und Glück - bis zum Himmel und zurück.

Das harte Leben mit seinem Auf und Ab schnappt uns gnadenlos wieder, denn über hohle Gassen mit reichlich ausgespülten Bodenwellen und Krempen hangeln wir uns in Schieflage weiter durch das unwegsame Gelände. Einige Engstellen sind zu passieren. Es wundert, dass wir nicht plötzlich vor solch einem Kameraden von Expeditionsfahrzeug stehen, der zwischen Felsen eingekeilt vom Tjaffer rausgezogen werden muss. Ach ja, kann man mal spinnen oder spinnen lassen, tut das sehr gut, einfach mal die Albernheit laufen lassen. 

Kurz darauf erreichen wir das Plateau, auf das wir vom CP aus schauen können. Schaut man jetzt nach oben, blinzelt schwach im dichten Laub der Bäume hier und da das Blütenweiß der Freizeitfahrzeuge hervor. Hier auf dieser Anhöhe turnen tagsüber scharenweise Wandergruppen herum, die sehr achten müssen, in den von im Rudel jagenden Quads aufgewirbelten Staubwolken noch irgendwie sichtbar zu bleiben und Haut zu retten, bevor später die Kolonnen von schweren Geländewagen alles nochmal besonders kräftig durchmahlen. Aber alle eint das Vergnügen, das dieser Landstrich bietet. 

Nun werden wir uns nochmal die steilen Serpentinen, die unser Tjaffer schon mal gefahren ist oder besser gesagt auf dem Hänger vom Concördchen gefahren wurde, nach unten in den Ort vorknöpfen. Meine Güte, was für eine Schanze. Kaum zu glauben, dass wir die bewältigen konnten. Morgen reisen wir ab, auf alle Fälle in anderer Richtung und nicht hier runter. 

Unten entlang der Straße stehen alle fahrbaren Untersätze in Reih und Glied und warten auf Abenteurer. Die Nachfrage muss gewaltig sein. Ansonsten würden die Anbieter sich wohl kaum den Hof vollstellen mit „totem Kapital“ zum Einsauen ohne Gegenwert. Und das märchenhafte Tal der Rosen, durch das wir hindurch gurken, ist perfektes Gelände für breite Schlappen. Scheinbar auch das Liebestal, denn auf unserem Weg dorthin kommen sie uns sogar auf Asphalt entgegen. 

Lust und Frust … das erleben wir hier oben beim Herumschlendern zwischen vielen anderen Besuchern. Beginnen wir mit dem weniger schönen, dem Frust. Chianga an der Leine, was sonst, geht brav mit Wim herum. Ich sehe im Augenwinkel, das von hinten ein kleines Mädchen angelaufen kommt, den Arm hebt und doch tatsächlich einen Stein auf Chianga wirft. Hast Du noch Töne? Ja, Wim hat sie, die Töne, und pflaumt mit Recht den etliche Schritte abseits stehenden Mann, wohl Vater, der sich auf das Kind zubewegt, an. Der guckt zunächst betreten, aber als ich mich auch noch erdreiste, zu schimpfen, ernte ich einen Blick voller Verächtlichkeit, ein Gemurmel, dessen Übersetzung nicht nötig ist, und ein drohendes Handheben. Da kommt doch Freude auf. 

Daher muss nun echt etwas Erheiterndes, Fesselndes, dumpfe Gedanken Vertreibendes, einfach etwas Wonniges und Lustvolles her. Wie passend kommt doch da der Blick nach unten, nach unten ins Tal, dahin, wo die Liebe wohnt, dahin, wo sich einer an den anderen reiht, wo wortlose Nachrichten gesendet werden, in Stein gemeißelt, wo mir nur noch einfällt, man müsse abends endlich mal wieder zeitiger ins Bett ;-). Da war doch noch was … Aber man kommt doch zu nix! Diese Hunde … 

Aber das blüht auch all jenen, die sich auf kleinen Töpfchen verewigt ins dürre Geäst oder um große Herzrahmen herum oder um alles, was sich hier oben umwinden und umwickeln lässt, haben binden lassen. Sie wissen es nur noch nicht ;-). Glück schwingt hier um die Ecken, und ich würde gerne mal die Gedanken des ein und anderen lesen können. Und mit unseren recht amüsierten sehnsuchtsvollen Gedanken, beim Anblick der Kamele vornehmlich nach Marokko, ziehen wir wieder von dannen. 

Den Rückweg legen wir zurück über eine kleine Querverbindung abseits der Hauptroute und kommen mit Lebensnotwendigem, Orangen und Brot, am Womo wieder an. Und morgen geht‘s weiter. Let‘s go West.