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Erg Chebbi
die ins Wasser gefallene Wüste

Dromedare

Begegnungen 

auf Abwegen


Sonntag 28.01.2018

Der heutige Tag war, am Abend betrachtet, stundenweise nicht pflückenswert. Er begann mit einem beim Aufstehen entdeckten alarmierenden Warngeblinke, Starterbatterie leer. Wieso und warum es dazu kommen konnte, wissen wir nicht. Jedenfalls startet Wim den Motor, Ergebnis: kein Ton. Es folgt ein mittelschwerer Wut- und Verzweiflungsanfall, wobei man wissen muss, dass wir mit diesem Womo die erste längere Tour unternehmen, wir also noch nicht alles bis in die Tiefen durchschaut haben und etwas Sicherheit fehlt. Wir legen das Womo an Landstrom, und keine 5 Minuten später zeigt die Anzeige vollen Batteriefüllstand. Nun ja, starten wird sie dann wohl, aber komisch ist es schon, vor allem, weil wir schon etliche Nächte und Tage autark gestanden haben und es nie Probleme gegeben hat. Wir frühstücken erstmal. Wim dreht eine Morgenrunde mit den Hunden, legt vorher unser Thermometer nach draußen und sieht bei der Rückkehr auf den eiskalten Wert von -5 Grad (in Worten: minus fünf Grad). Auf unserem großen Heki liegt eine dicke Frostschicht und das Wasser im Eimer am Wasserhahn draußen unter einer fingerdicken Eisplatte. Da das Auto anspringt, wir keinen Grund für den Fehler erkennen, schieben wir diesen auf die Kälte und machen uns nach Abschied von den Nomadenkindern auf den Weg Richtung Wüste. Von Thomas hatten wir uns gestern abend schon verabschiedet, er fuhr heute in Herrgottsfrühe schon nach Fes. 

Der Weg über die R708 zeigt uns wieder, welch phantastische Natur hier überall darauf wartet, entdeckt zu werden. Wir bedauern nicht, uns im Osten herumgetrieben zu haben. Im Ort Beni-Tajjite wird getankt, diesmal an einer normalen Tankstelle und keine Kanisterware, die sogar, ich falle fast um, einen amtlichen Aufkleber vom TÜV Rheinland trägt, das glaubt man doch alles nicht! Auf der Hauptdurchfahrtsstraße herrscht reger Betrieb, viele Menschen sind auf den Beinen, Souk in Sicht, Souk voraus, aber diesmal nicht direkt auf der Straße, sondern auf einem separaten Gelände. So umkurven wir nur im Schneckentempo viele Menschengruppen und wurschteln uns durch das Gewühl.

Hinter dem Ort sieht man Bleiminen am Berg kleben, es wird wieder sehr karg, wüstenartig. Die schmale, fransige Straße zieht sich über Anhöhen und durch die unfassbaren sandig-steinigen Weiten. Kein Mensch weit und breit unter dem mittlerweile stark bewölkten Himmelszelt. Aber plötzlich Dromedare, ich liebe diese Bilder. Einfach Dromedare, direkt neben dem Asphalt, direkt auf dem Asphalt, und direkt vor uns. Das sind Bilder, die sofort den Batterie-Morgenschock vergessen lassen. Wie schön ist das. Dieses Wüstengetier hat soviel Eleganz, schwebt federnd und recht arrogant guckend lässig an uns vorbei. Einfach zu schön. Und das gleich an zwei Stellen kurz hintereinander. Das ist Glück, würde ich mal sagen, echtes Sonntagsglück.

Nach Abbiegen in Bouanane auf die N10 werden uns diese schönen Bilder förmlich aus dem Kopf gezerrt. Riesige unendlich breite und lange Flächen tun sich zwischen absolut kargem Ödland auf, die bepflanzt sind oder zur Bepflanzung vorbereitet werden. Hier werden einmal zigtausende Dattelpalmen stehen, deren Anbau derzeit subventioniert wird. Bagger-Horden legen enorm große Becken an, in die das Grundwasser, wonach überall gebohrt wird, geleitet wird. Bewässerungsrohre und -schläuche sind verlegt, Pflanzlöcher ausgehoben, soweit das Auge reicht, Folienrollen warten auf Zuschnitt, und Zäune, kilometerlange Zäune, stecken Areale ab, deren pompöse farbenfrohe Eingänge schon in Stein gegossen aufgebockt wurden. Wo um Himmels Willen soll all das Wasser zum Wachsen herkommen in einem Landstrich, in dem es - wie Thomas erzählte - seit 7 Jahren nicht mal mehr eine Nacht durchgeregnet hat? Wer um Himmels Willen soll all die Datteln essen? Vielleicht die Menschen, die vor einiger Zeit all die Wassermelonen verspeist haben? Denn deren Anbau in der Wüste wurde ebenfalls subventioniert.

Ach ja, solche trüben Gedanken passen gerade zum leider immer dusterer werdenden Himmel. Alternative wäre jetzt ein ordentlicher Ehekrach, wo hinterher keiner mehr weiß, was überhaupt Ursache war. Aber vorher kommt glücklicherweise die nächste Dromedarherde in Sicht. Also wenn heute nicht der Sonntag des Dromedar-Schutzheiligen ist, dann weiß ich es aber auch nicht. Und diese jetzt hier sind alle besonders schön. Und am Wegesrand steht ein Geländewagen mit einem großen Aufkleber „Tirol“ auf der Heckscheibe. Er winkt, begrüßt uns fließend auf Deutsch und fährt weiter. 

Etliche Kilometer gefahren, nach Abbiegen vor Ar-Rachidia auf die N13, steht er in einer kleinen Ausbuchtung am Beginn der Oases du Ziz und deutet uns von weitem gestenreich an, dass man hier für ein Foto stoppen müsse. Recht hat der Mann, in einem grünen Palmkronenbett liegt ein Örtchen im Tal, gut behütet zwischen sandfarbenen steinernen Flanken, ein toller Anblick. Freudig schleppt der Mann Mandarinen für uns an, betont, es seien kernlose und reicht gleich eine farblich zu den Mandarinen passende Visitenkarte seines Campingplatzes in Erfoud nach. Also soviel Erfindergeist ist schon toll. Aber damit nicht genug, nein, er legt noch eine „Schippe drauf“, während er die Vorzüge eines Aufenthaltes für uns verlockend herausarbeitet, zieht er aus der Tasche ein kleines steinernes Herz, einen Anhänger mit einem versteinerten Schneckenhäuschen, das sei für Madame, also für mich. Das tat er, als Wim gerade unkonzentriert war und nicht auf uns achtete. Als er es später erfuhr, kündigte er mit einem „Was soll das denn, ein Herz !?!“ an, dem freundlichen CP-Werber ins Fortpflanzungsorgan treten zu wollen. Der hatte sich aber schon in seinen Tirol-Jeep zurückgezogen und war abgefahren, so dass es nicht zum Äußersten kam. 

Für die nächsten Kilometer gilt unsere Aufmerksamkeit diesem paradiesisch schönen Ziz-Tal. Wie ein grüner Lindwurm schlängelte sich der Palmen umsäumte Oued Ziz durchs Tal, ein Reichtum für die Menschen an seinem Ufer. Statt in weiße Gewänder gehüllte Frauen sieht man jetzt schwarz gewandete, allerdings mit bunten Bommelbordüren rundum, die ich sehr schön finde. In Richtung schwarz gehen auch die Wolkenberge, es werden immer mehr und immer dichtere Wolkenfelder. Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass es hier womöglich gleich regnet, in der Wüste. Kurz vor Erfoud kommt der Flecken Maadid in Sicht, und damit auch unser am Straßenrand parkender winkender CP-Werber. Anstandshalber, er schenkte uns schließlich (s)ein Herz, halten wir an, man ist ja auch nur ein Mensch, oh Mann; „Dann ist ja alles in Butter“ meint er grinsend, ringt uns unter meinem Widerstand und Wims „Aber nur für eine Nacht“ eine Zusage ab, und schwupp stehen wir auf dem CP. Wer weiß, wofür es gut ist, denn im Moment regnet es aus Eimern, ja, aus Eimern! In der Wüste regnet es aus Eimern. Und erbärmlich kalt und stürmisch ist es zudem. Unseren Hunger stillen wir mit einem Rest Putengulasch von gestern, heute mit Nudeln, statt Kartoffeln. Solche Tage, auch wenn es eher Fallobst-Tage sind, müssen eben auch „gepflückt“ werden. Gott sei Dank gab es ja noch die Dromedare. 

Montag 29.01.2018

Meine Güte, war das eine Nacht. Stürmisch, nass, es gießt immer noch in Strömen, die Palmen auf dem eigentlich sehr schönen Platz hier biegen sich gewaltig, es rauscht im Palmgewedel, riesige Pfützen um uns herum. Wim kommt völlig verlehmt mit den Hunden vom Morgengang zurück. Außerhalb sei alles total verschlammt und extrem glitschig wie auf einer Eisbahn, und das alles mit profillosen Gummischlappen an den Füßen. Selbst die Hunde seien geschliddert. Bin ich froh, dass sich keiner die Haxen gebrochen hat. Unser Maroc Telecom Kartenguthaben ist wieder verbraucht und das CP Wlan reicht nicht bis zum Womo. So lässt sich das aktuelle Wetter nicht googeln. Gestern abend sah die Wetterkarte nicht sehr toll aus. An der Küste am Atlantik ist es sonnig, wie FB Bilder zeigen, in Spanien gibt es heftige Stürme und Regenfälle, vieles steht unter Wasser. Zagora meldet auch gutes Wetter, Sonne und Wärme, aber bis dahin sind es 300 km, brauchen wir je nach Straßenlage eher 2 Tage, für Merzouga wird ab Mittwoch besseres Wetter vorher gesagt, allerdings auch nur Temperaturen um 12 Grad, ganz schön frisch für Sahara. Aber ohne Erg Chebbi gesehen zu haben, können wir hier auch nicht weg. Also beschließen wir, den heutigen Tag erstmal hier „in Sicherheit hinter Lehmmauern“ zu vergammeln. Mitten in den Dünen stehen, um uns 60 km/h Stürme, über uns graue Regenwolkendecke, das ist auch nicht wirklich schön, auch wenn das Stehen hier etwas die Stimmung drückt. Und die Weiterreise scheidet heute völlig aus, man kennt ja die Bilder von Marokko nach starken Regenfällen, da verrutscht alles, verschlammt, Straßen sind unbefahrbar, Furten nicht passierbar, und das alles blitzartig, da sind kilometerlange Strecken durch einsame gebirgige Gegenden nicht so der Renner. Außerdem soll bis in die Ausläufer des Hohen Atlas reichlich Schnee gefallen sein. Man sollte sich nichts suchen gehen! Wim kümmert sich nochmal um die Einstellung der Antenne, vielleicht kann er sie doch so einstellen, dass sie Empfang bekommt. Und es stürmt draußen weiter. Wir gehen später etwas herum und schauen uns das Restaurant am Platz an, sehr schön, großer Saal, aber eisig kalt. Hier zu essen ist auch keine gute Idee bei dem Wetter. Außerdem soll das Menü 100 Dirham kosten, statt 75, wie im Reiseführer angegeben. Ja ja, aufpassen muss man schon, ärgerlich ist es, auch weil die angepriesene heiße Dusche, die Wim ausprobiert hat, kalt und quasi ohne Wasserdruck war. Soviel zum CP. Aber der heutige Tag hat es eben schwer, ihm etwas Positives abzugewinnen. Enttäuschend ist eben die miese Wetterlage und die Aussicht, die Hunde nicht in den wundervollen Wüstendünen zu erleben. Hartes Schicksal! Wir planen die Abfahrt für morgen in Richtung Zagora. Die Route der Kasbahs wird gestrichen, ein Meter Schnee wird aus der Gegend gemeldet. Unglaublich! Ich trage unsere bisherigen Stopps in einer Liste zusammen mit den Nummern der gefahrenen Straßen, während Wim zwei Koteletts brutzelt, die uns zu Kartoffelpürree und Erbsen sehr gut schmecken. Leicht betrübt wird dann eingeschlafen, wobei mich seit Tagen stärker werdende Zahnschmerzen quälen, das auch noch!