Mittelmeer-Route Tanger Med > Saidia

Hafen

Einlaufen ... Anlegen

Marokko

Afrika

ein überwältigendes Gefühl

Küste

Eine der 
schönsten Küstenstraßen
der Welt 
so sagt man 

Menschen

Die kompetenteste freundlichste Telefon-Internet-Spezialistin, die wir jemals trafen

Farah ... wer sonst


Montag 15.01.2018

Im ersten Kreisverkehr Tanger Med beantworten wir uns die „wohin jetzt“-Frage endgültig mit „Richtung Saidia“, entscheiden uns also definitiv für die Route nach Osten am Mittelmeer entlang und gegen den bekannten Start über Asilah, entlang am Atlantik. Auf zu neuen Ufern ... was gibt es Schöneres ? Kaum Schöneres gibt es! So schnell lassen sich Fragen beantworten. Die N16 gehört zu den schönsten Straßen der Welt, schlängelt sich am Meer entlang, verläuft an Ceuta, der spanischen Enklave vorbei, in Finideq, Mdiq und Martil passieren wir sehr noble Beach Clubs höherer Kategorien, fahren über breite Promenaden und kurbeln uns über ein Kap zum nächsten. Unser Arto schnauft ganz schön. Wenn auch der 3 Liter Duc keine lahme Ente ist, so merkt man doch die Last des Fahrzeugs. Bald kommen uns gewohntere Bilder Marokkos vor Augen. Im Abendlicht leuchten auf den auslaufenden Höhenrücken des Rif-Gebirges die Ansiedlungen mit ihren bunten Würfelhäusern und der flatternden Wäsche auf den Flachdächern, Gebirgsflüsse und Stauseen liegen in den Tälern, Menschen sitzen zusammen auf Brückengeländern, Türme der Moscheen und das Meer im Blick. Viele winken uns freundlich zu, legen die Hand auf‘s Herz, und damit nicht nur auf das ihrige. Ergreifend für Wim und mich immer wieder ... diese erfahrbare marokkanische Freundlichkeit und Offenheit, die viel mehr als das bedeutet.

Unser Ziel für heute ist die Strandpromenade in Et-Tleta-el-Oued-Laou. Hier soll man parken und übernachten dürfen. Steil geht es bergab, nachdem Wims Frage nach „was? hier willst Du runter?“ flott  mit meinem „ja“ beantwortet ist. Gut, unser vorheriges Womo, der Adria, war nur 40 cm kürzer, aber irgendwie kam er einem im Verhältnis doch erheblich kleiner vor. Wir müssen uns ja auch erstmal aufeinander einspielen, der Arto und wir. So durchfahren wir den Ort mit seiner weiten Promenade, bis sie am Ortsende im Sand endet. Dem uns „warte mal“ zurufenden Parkwächter auf einem Parkplatz winken wir zunächst nur im Vorbeifahren zu, steuern dann aber „seinen“ Platz an. In Marokko mieten Männer solche Flächen bei der Gemeinde, leben dann vom Parkgeld. Seine 50 Dirham zahlen wir gerne, er weist uns längs zum Meer stehend einen Platz zu, volle Breitseite, Ortsmitte, direkt am Fischerstrand, Bestlage, phantastisch, mehr geht nicht. Aufatmen .. ankommen ... schön, wieder in Marokko zu sein. Wim erkundet etwas die Hundeauslaufmöglichkeiten am Strand. Ich mache mich leicht nützlich mit dem ordentlichen Versorgen unseres spanischen Großeinkaufs und gucke mir das vorabendliche Treiben der Kinder und Frauen am Meer an. Es wird dunkel und wir drehen eine Runde durch den Ort. Zunächst besuchen wir die Fischer am Strand, die einzelne Boote mit ihrem Fang vom Meer in den Sand ziehen. Viele Hände helfen, viele Männer sind rege beschäftigt. Wir werden freundlichst begrüßt, alle wollen Worte mit uns wechseln, ein Mann lebte jahrelang in Bonn, erzählt uns freudig seine Geschichte, nun arbeite er hier in seinem Heimatort als Fischhändler und ergattert sich eine Kiste mit schillernd silbernen Fischen. Ein junger Mann in nato-oliv hat ein großes Gewehr geschultert. Er begleitet die Boote. Er schützt die Besatzungen. Wir staunen nicht schlecht. Dieser Junge, 21 Jahre wie er erzählt, ist seitdem er 19 ist, beim Militär. Algerien sei nicht weit, er steht, während er erzählt, beinah „stramm“, strahlt aber mit allem was er hat, auch wenn ihm die halbe obere Zahnreihe bis zu den Schneidezähnen fehlt. Was für ein Bursche. Er salutiert, legt seine Hand auf‘s Herz, fragt nach dem Namen der „Präsidentin“ unseres Landes und wünscht uns nur Glück auf unserer Reise. Wir schlendern noch etwas durch die Gassen, die Bars sind von Männern gut besucht, sie spielen Karten und sitzen über Brettspielen. Verbeulte Wasserkessel auf erloschenen Grillschalen sagen uns, dass wir tagsüber vorbeischauen müssen. Auch eine Speisetafel vor einem Lokal mit propper gedeckten Tischen lockt sehr, die ab 5 Dirham = 50 Cent gegrillten Fisch anbietet. Unglaublich! Welch ein Tag ... Mit dem Entschluss, an diesem Ort mehr als eine Nacht zu verbringen, schlafen wir ein. 

Dienstag 16.01.2018

Nach dem blauen Montag folgt der blaue Dienstag. Der Tag ist schon pflück-reif, bevor er richtig begonnen hat. Wim sattelt die Räder, die Promenade lockt. Einige Schwätzchen werden während des Aufbaus geführt, ob mit dem Marokkaner, der in Deutschland studiert hat und in Wiesbaden lebt, und sich gerade hier eine Ferienwohnung gekauft hat, oder mit dem Student, der im Vorbeigehen per Handschlag einen schönen Urlaub in Marokko wünscht, oder mit unserem Parkwächter, der nach Medikamenten für seinen Vater fragt, oder mit dem jungen Fahrradmechaniker, der sich interessiert unsere Räder mit Anhänger anguckt und um die Ecke einen Fahrradladen betreibt und seine Hilfe anbietet, nie steht man allein, Begeisterung füreinander schwappt meistens über. Aber irgendwann radeln wir los. Die ersten Fischerboote werden schon zu Wasser gelassen, Männer werkeln in Scharen drumherum. An der Promenadenmauer entlang reihen sich kleine Hütten und Verschläge für die Utensilien der Fischer, Häuschen am Meer, skurrile aber zweckmäßige Versionen. Am Ende der langen Promenade gelangen wir an ein paar Baustellen vorbei zu einem feinkieseligen Strand an einem felsigen Kap. Unterwegs sind uns schon zwei Soldaten aufgefallen. Hier ist eine Militärstation. Aber hier könnte man auch herrlich frei stehen mit dem Womo. Ich pirsche mich zum Eingang der beflaggten weiß-blauen Bude und erhalte nach Walkie-Talkie-Gespräch mit dem Vorgesetzten von dem diensthabenden Soldaten die Erlaubnis, hier zu nächtigen unter seinem Schutz. Wieder eine so freundlich-offene Begegnung. Auf der Rückfahrt ist dann der erste Minztee fällig. Köstlich. Und die Maroc Telecom Karte muss her, ich muss internetfähig werden. Auch hier hilft uns unser Parkwächter gerne weiter. Zusammen gehen wir in einen Laden. Eine junge Frau bedient uns. Zwischen Kabeln, Handyhüllen und Gucci-Täschchen richtet sie kompetent unseren Router ein, zack zack geht das, sie strahlt beim Wort „Frauenpower“, und die beiden Burschen im Laden schlucken verlegen. Farah heißt sie, und auf Frage, ob sie bei Facebook sei, klickt sie sich flott bis zum Versenden einer Freundschaftsanfrage durch. Das nenne ich serviceorientiert. Wir beide hatten keine gemeinsame Sprache, aber Augen und Hände in Verbindung mit Herz machten alles verständlich. Wieder ein bewegendes Erlebnis, auch deswegen, weil sie sich gerne auf meine Frage fotografieren lässt, was mich ziemlich stolz macht. 

Das Abendessen nehmen wir in einem gut aussehenden Lokal ein, frittierte Fischplatte für jeden, köstlich, jedoch aßen wir noch nie zu frittiertem Fisch einen dazu servierten Linseneintopf. Aber es ging, nein, es war richtig gut. Während unseres Besuchs in dem Lokal - es ist schon stockdunkel - wienern 2 Frauen und ein Mann sämtliche Fensterscheiben, zunächst außen, er am Abzieher, die beiden am Wischmopp. Dann begeben sie sich nach innen. Eimer, Mopp, Abzieher, alles in Betrieb, dann kommt er herein, zieht hinter sich her einen Gartenschlauch und fängt an, alle Fensterscheiben und Rahmen mit dem Schlauch großzügig abzuspritzen. Das Wasser fließt über die Brüstungen die Wände hinunter. Flott steht das ganze Lokal ziemlich unter Wasser. Es scheint aber so zu sein, dass Fenster unter jeden Umständen geputzt werden müssen, selbst wenn der Präsident im Lokal sitzt. Wir werden versuchen, uns dieserhalb mal in Marokko schlau zu machen. Unbeeindruckt und brav beenden wir unsere Nahrungsaufnahme, bezahlen für alles incl. Minztee und Fensterputzanleitung ganze 170 Dirham = 17 €. Also dafür kann man Fisch nicht selber fangen!



Mittwoch 17.01.2018

Die Horde Jungs macht in der Nacht noch lange, die Burschen johlen und haben Spaß, allerdings sehr in der Nähe zu unserem Womo. Aber so ist das eben in zentralen Wohnlagen, von daher nicht schlimm. Vor allem nicht, wenn man ausschlafen kann und im Sonnenschein am Morgen aufwacht. Heute wechseln wir, Fahrstrecke kaum der Rede wert, bis zum anderen Ortsende. Brot muss besorgt werden, fußläufig in 2 Minuten erreichbar ist der Mini-Souk, der alles Lebensnotwendige bietet, also alles für Marokkaner Notwendige, wie z.B. Ziegenköpfe und Minzbündel. Auch das Joghurtsortiment ist beachtlich. Da ist die Vielfalt groß. Ein Glas Marmelade kaufen wir noch, ein Tütchen Oliven, ein Stück eines etwas süßeren großen Fladen, sagen der lieben Farah „au revoir“, die sich freut und mir einen Handkuss zuwirft. Dann fahren wir los.

Am Ziel nehmen wir die Stühle raus. Und der Erste erscheint schon, begrüßt uns freudestrahlend, er arbeitet bei BMW in Köln und ist gerade hier in dem Ort, sie wollen sich eine Wohnung anschauen als Feriendomizil. Also der Küstenabschnitt hier ist wohl sehr begehrt und beliebt, man erzählte uns, dass es im Sommer auch rappelvoll sei. Hoffentlich bleiben sie bei der Art der bestehenden Bebauung, und es kommt nicht zu einem spanischen Bausündenfall. Ich sammele etliche Scherben in unserer unmittelbaren Umgebung auf, damit die Hunde sich nicht verletzen, das wäre mein Alptraum! Nun setzen wir uns in die Sonne, nichts tun, auch wenn‘s schwerfällt, ist ja oft nicht ganz so einfach. Beschaulichkeit will auch geübt sein. Nachdem das Auf’s-Meer-Gucken nicht so richtig befriedigend funktioniert, packt Wim quasi als Hilfsmittel seine Angel aus, ich mein Teleobjektiv. Wir „machen damit rum“ mit unterschiedlichen Ergebnissen: die Möwe konnte ich ganz gut einfangen, bei Wim biss aber leider keiner an. Ich packe also die große Pfanne für den erhofften noch größeren Fang wieder weg und schiebe einen kleinen Kasselerbraten mit Kartöffelchen in den Backofen. Uns war heute sowieso nicht nach Fisch, zu gesund ist auch nix, außerdem gibt es ja auch Salat dazu. Während zwei Männer plötzlich in der kleinen Strandbude neben uns ein Feuerchen in einer Grillschale anfachen, wird es auch schon stockfinster. Ein paar Fischerbootslampen irrlichtern herum. Es ist herrlich still. Und in der Stille pocht es an unser Fenster, der freundliche Soldat erkundigt sich nach unserem Befinden und betont nochmal, dass wir uns jederzeit an ihn wenden könnten. Und dann kehrt wieder Stille ein. 

Donnerstag 18.01.2018

Heute ist Weiterreisetag. Die Küstenstraße werden wir weiter befahren bis Al Hoceiima. Hier in Oued Laou hat es uns gut gefallen, ein Ort, der sich auch prima für Anfang und Ende einer Tour durch Marokko eignet. Entspannt fahren wir los, unsere Stimmung ist erheblich blauer als der Himmel heute morgen, der sich richtig grau zeigt. Überall wuseln die fleißigen Marokkaner herum, ob bei der Promenadenpflege, beim Baumschnitt, Kehren und Zweige aufraffen, oder in den Gassen beim Anliefern und Räumen.

Hinter dem Ort schließt sich eine gute Straße an, Feldarbeiter und Arbeiterinnen gehen bunt gekleidet an ihr Tagwerk oder stehen schon knietief im Gemüse auf den Feldern oder ziehen mit dem Vieh auf noch fette Weiden. So idyllische Bilder breiten sich vor uns aus, kaum jemand, der unser Lächeln und Winken nicht erwidert oder es uns sowieso schon von alleine schenkt. 

So geht es mit uns dahin, so begeistert, dass wir uns tatsächlich verfransen und - dies vorweg genommen - gefühlte 2.793 Kurven, 260 km und 8 Fahrstunden später um Tausende Eindrücke reicher sind. Wir übersehen nämlich - hier immer navilos unterwegs - in unserem Eifer, auf die N16 abzubiegen, fahren stattdessen geradeaus auf der P4105. Man könnte nun denken, vierstellige Straßen, da lässt man doch besser selbst in Deutschland mit 8 Meter Länge die Reifen von weg, erst recht aber in Marokko. Aber es läuft gut, richtig gut, die Landschaft zieht uns in ihren Bann. Frühlingsfrische strahlt um jede Ecke, Menschen mit zufriedenen Gesichtern begegnen uns. Die Gegend wird wie die hart im Feld arbeitenden Menschen rauher, felsiger, schluchtiger; Wildwasser, über Jahrtausende spaltende Felsgesteine, schlängeln sich in einem fahlen Olivgrün Richtung Meer. In einem breiten Felsbruch donnert ein Wasserfall und stürzt sich hinab ins Flußbett. Und wir sitzen bzw. fahren in der ersten Reihe. Phantastisch. Ein paar Kilometer weiter bemerken wir, dass irgendwas nicht richtig gelaufen sein kann, von Küstenstraße kann man hier nun wirklich nicht mehr sprechen. Ein Blick in die Karte bestätigt: wir können nur noch, ohne einen Umweg fahren zu müssen, auf die N2, und das bedeutet: eine Fahrt mitten durch das wilde Rif-Gebirge. Na denn, man las darüber Zwiespältiges, jedenfalls ist Achtsamkeit angeraten, wollen wir nicht einen Tross Hanfplantagenbesitzer mit ihrer Rauchware im Schlepptau haben. Gut, Wim ist ja Holländer, die nehmen es da nicht so genau, aber die sehr gebirgige Strecke, es sind 235 km bis zu unserem geplanten Ziel, erlaubt eigentlich nicht ein berauschtes oder besser bekifftes Fahren. Da sollte der Lenker des Geräts schon alle Sinne beisammen haben und klar gucken können. Und wie, bis auf gut 1600 m schraubt sich unser Arto hinauf. Wolkengrenze? Na und .. Schneefallgrenze? Na und! Und Nebelschlussleuchte .. auch dabei. 

Als wäre das Durchfahren des Rif-Gebirges bei derart wechselnder Wetterlage und zum Teil sehr schlechter Fahrbahn nicht schon genug gewesen, um sich als der Bergbezwinger unter den Womo-Fahrern zu fühlen, nein! Es kam noch besser ...

Es ging auch noch in den Bergflecken nicht nur durch einen Souk, nein! Gleich 3 mussten es sein. Im letzten Winter zogen wir vor Mouley Bousselham bereits durch einen Souk, mit Anhänger hinten dran. Aber das war weitläufiger, wenn man überhaupt so sagen kann. Hier oben in windiger Höhe in der Enge mit Händlern rechts und links, Trauben von Menschen, einem irren zweispurigen Verkehr, Parkenden in zweiter Reihe, da befällt einen so ein „Jetzt-oder-nie“-Gefühl, wenn dann neben Dir noch ein Schaf verladen wird und man sicher ist, der beifahrerseitig stehenden Frau gleich den Knopf vom Mantel abzufahren und der Mann mit Kapuze sich mit seinem ärmellosen Überwurf im Außenspiegel verfangen wird, während dem Jungen, der sich an der Womo-Haube vorbei quetscht, mit Sicherheit der geschulterte Sack Bohnen gleich abrutscht ... und das alles mit entschlossen getretenem Gaspedal und unter Schweißausbruch aufgrund der unübersehbar nahenden Masse eines MAN-Führerhauses. Aber hier, im Land des Lächelns, muntern die Marktbesucher einen auf, heben den Daumen, winken, jubeln, und lachen sich schlapp, wenn ich mir spaßig-verzweifelt den Schweiß von der Stirn wische, mit den Augen rolle und „puuuuh“ rufe. Nein, was war das ein Spaß, bei aller Aufregung blieb Wim die Ruhe selbst, er, der sonst oft schnell auf die Hupe latscht, nein, hier zirkelte er unsere 8 m souverän an Tomaten, Rinderhälften und Mandarinen vorbei. Richtig stolz bin ich! 

Die Landschaft ändert sich im Verlauf sehr, fuhren wir zunächst durch Ackerland, dann durch felsiges Gebiet mit Schluchten, Bergflüssen und Stauseen, so schließen sich jetzt, bevor es sehr karstig wird, herrliche Zedernwälder an, und es wird Winter, richtiger Winter. Hier muss hoher Schnee gelegen haben. An sonnabseitigen Hängen sieht man noch dicke Schneewehen liegen. Leider hängen die Wolken kilometerweit so tief, dass wir uns durch eine milchige Suppe quälen müssen. Da werden die Kilometer sehr sehr lang. Und es wird immer dämmriger. 

Umso froher sind wir, als es endlich talwärts geht, hinunter nach Al Hoceiima. Die Plage Isri finden wir problemlos, obwohl es schon fast stockdunkel ist. Wir überlegen, ob wir hier stehen bleiben dürfen, da nähert sich auch schon aus dem Nichts eine Warnweste. Der darin steckende Mann räumt ein paar Markierungssteine weg, natürlich können wir bleiben, das sei gar kein Problem, er freue sich und wohne dort und zeigt irgendwo in die Dunkelheit hinein. Im gleichen Moment erscheint ein adretter dunkelhäutiger Mann, königliche Polizei, sehr galant, ich frage, ob er die Ausweise sehen wolle. Irgendwie hantieren wir und seine hinzu gekommenen 2 Kollegen und der Platzwächter brockenweise in mehreren Fremdsprachen miteinander mit dem Ergebnis, dass die Polizisten am Ende wissen, woher wir kommen und wohin wir wollen. Das Meer und seine Wellen sind direkt hörbar, die Dunkelheit lässt aber alles noch im Verborgenen. So freuen wir uns auf Morgen, dann sehen wir, wo wir gelandet sind. 

Freitag 19.01.2018

Im Zeichen Wassermann muss dieser Tag heute stehen, denn scheinbar hält jemand seine triefenden Hände schützend über uns. Unterscheiden kann man nur zwischen mäßig, leicht, schauerartig. Aber Tropfen fallen ganztags dauerregenhaft. So sehen wir zwar nach dem Aufstehen, dass wir gestern in der Dunkelheit einen wunderbaren Nachtplatz in einer kleinen verträumten Bucht gefunden haben, allerdings wird uns die Freude darüber, wie gesagt, verwässert. Der Parkwächter kommt mit seinem Moped vorbei, fragt nach unserem Befinden und was er für uns tun könne, besorgt uns Brot, entsorgt unsere Kassette. Wir werden heute weiter fahren, kein Wetter zum Bleiben, Fahren geht immer. Da wir kein Kleingeld mehr haben, „müssen“ wir unseren Platz weit mehr als üppig mit 100 Dirham bezahlen, aber der Wächter strahlt dankbar darüber, er hat ja auch Gänge für uns erledigt, und der kleine Strahlemann mit den dunklen Funkelaugen, den er uns stolz zeigt, wird ja auch etwas davon haben. So ziehen wir ab unter den wachsamen Blicken der beiden Bucht-Hunde, die wie alle bisher angetroffenen marokkanischen Hunde nur bellen und „nix tun“. 

Unterwegs geht es zum Thema Wasser weiter. Seitlich sehen wir eine Wasserstelle, an der gerade ein LKW-Fahrer seine Vorräte auffüllt. Uns fehlt auch einiges in den Leitungen, also Auto stopp und Wasser marsch! Wir fassen Wasser mit Eimer, Kanister und Trichter und lernen dabei, dass da, wo eine Tasse angebunden ist, auch Trinkwasser fließt. Nun ja, direkt getrunken wird es bei uns nicht, aber zum alltäglichen Gebrauch wie duschen, Kaffee oder Kartoffeln kochen, bedenkenlos und bisher folgenlos genutzt. 

Unterwegs versuchen wir, die erst vor ein Paar Tagen gekaufte Telefonkarte aufladen zu lassen. Sie ist schon verbraucht, vermutlich habe ich zu viele Fotos hochgeladen. Aber ich möchte die Website schon jeweils aktuell haben. Läden finden sich zahlreich an der Straße, an denen das Maroc Telecom Schild hängt. Aber trotz der Bemühungen eines Ladeninhabers und seines dazu gerufenen Sohnes Mohammed kann er nur die in diesen Läden üblichen 10-Dirham-Streifen mit einer Gültigkeit von einem Tag verkaufen, das sei aber nichts für Internet. Da wir nichts anders finden, fahren wir unverrichteter Dinge weiter, der Küstenstraße N16 folgend. Unverständlicherweise ist die in unserer Karte nicht grün gerändert und als landschaftlich schöne Strecke ausgewiesen. Da muss der Kartenmaler aber verblendet gewesen sein. Unmittelbar zwischen Mittelmeerküste und unterschiedlichsten Gebirgszügen schlängelt sich die Straße, durch viele Ortschaften geht es, alles wirkt ordentlich mit viel Struktur und mit mal mehr oder weniger Landwirtschaft. So nah an der Grenze zu Algerien hätten wir das nicht erwartet. Auch hier treffen wir auf uneingeschränkte Freundlichkeit am Straßenrand; was wir aber nicht treffen, ist ein Wohnmobil. Kein einziges, weder vor noch hinter uns oder entgegen kommend. Ob das an der nicht grün gekennzeichneten Straße liegt? Wir stellen uns spätestens beim Durchfahren der prächtigen faltigen Berge vor, wie es aussehen müsste, wie unfassbar schön, wenn sich dazu das Mittelmeer meerblau und der Himmel himmelblau präsentieren würden. Es wäre ganz bestimmt ein Anblick, der einen sprachlos machen könnte. So ziehen wir mit Grautönen an der Bergwelt vorbei, oder sind es doch hundertfach vergrößerte Mikroskop-Aufnahmen einer Elefantenhaut, wäre möglich. 

Um Nador und Melilla herum sieht man viele farbige Menschen am Straßenrand, vermutlich sind es Flüchtlinge, die hier auf irgendeine Gelegenheit warten, für uns auch Begegnungen, die sehr nachdenklich machen. Bedrückt geht die Reise weiter gen Osten. Wir erreichen unser Tagesziel Ras-el-Ma, das hinter Nador nach der langgezogenen Lagune, die zu einem pompösen Feriengebiet für wohlhabende Marokkaner ausgebaut wird, an einem kleinen Kap vor den drei winzigen spanischen Islas Chafarinas liegt. Dort laufen wir am Hafen ein. Viele Restaurants und Bars sind recht gut besucht. Wir stellen uns auf einen großen leeren Strandparkplatz, gegenüber dem Wachtürmchen einer Militärstation. Im Moment fällt kein Regen, es braut sich über dem Meer allerdings Dunkles zusammen, also die Gelegenheit für einen Spaziergang am Strand, der auch teilweise glückt, am Ende doch mit nassen Klamotten zurückkehren lässt. Hier lebt ein Hunderudel, mindestens 5 schöne gescheckte Hunde bellen forsch, beobachten und rennen sofort weg, sobald Bazou sich auch nur umdreht. Er büxt auch aus, klar, mit Feuereifer spurtet er los, Abrufen zwecklos, die ganze Meute hinterlässt eine Staubwolke und verschwindet hinter den Strandbuden. Was folgt ist Stille und ein zurückkehrender quasi augenzwinkernder Bazou mit lässig-federndem Schritt, verfolgt von gutmütigen mindestens 12 Augen der steif dasitzenden Beach-Dogs. Wim kauft später eine Tüte Gemüse ein, jeweils 6 große Paprika und Tomaten, einen Kopf Salat, alles für 20 Dirham. Wobei wir am Ende des Tages wieder beim Thema Wasser wären, denn ein Teil wird mit einer Flasche Mineralwasser, weil wir noch kein stilles Wasser in Flaschen gebunkert haben, ordentlich gewaschen, bevor es roh auf einen leckeren Salatteller mit Thunfisch und Käse wandert und verspeist wird. TV-Empfang klappt hier nicht (mehr), so sind wir fernseh- und internetlos, was auch mal sehr gut tut. Ich trinke noch einen Schluck, nein, kein Wasser, Bier! Und bin früh im Bett verschwunden. 

Samstag 20.01.2018

Wohl verdient blau begrüßt uns der neue Tag. Es ist schon früh morgens sonnig, wolkenlos und warm. Die einzige Pfütze weit breit ist die unter unserer Treppe, so dass Bazou und Chianga sich wahnsinnig schwer tun und nur angewidert das Womo zur Morgenrunde verlassen. Um die Ecke des Womos gerade mal herum, schießt das Rudel Beach-Dogs bellend und johlend aus ihrem gegenüberliegenden Schlafareal beim Wachposten. In gebührendem Abstand setzen sie sich auf ein Mäuerchen am Strand und beobachten jeden Schritt unserer beiden. Irgendwann, Wim wähnt sich schon sicher, jagen Bazou und Chianga vom Strand her los in einem Affenzahn auf das Rudel zu. Die schlucken, man konnte das fast sehen, springen auf und rennen weg so schnell sie können. Das war es dann auch. Bazou setzt nicht nach, es gibt keine Keilerei, nichts, etwas rumschnüffeln und gut ist es. Komisch ist auch, dass die Rudelhunde immer bellend in Aktion sind, Bazou und Chianga aber keinen Ton von sich geben. Dazu muss ich mal was lesen, das ist interessant. Wir machen uns klar zum Abfahren. Eine Runde drehen wir zum Hafen, schauen uns die drei winzigen spanischen Eilande an und den Fischern über die Schultern, die die Netze flicken. 

Die Fahrt bis zum Tagesziel Saidia ist sehr kurz, knapp 20 km. Unterwegs können wir auch in einem Handyladen die Karte aufladen lassen. Vor Saidia entsteht eine riesige Urlaubsregion, es wird überall gebaut, palmenbesäumte Promenaden überall, Luxushotels und Ferienhausanlagen. Spanier und reiche Marokkaner lieben diesen Ort mit seinem feinen Sandstrand sehr. So rentieren sich wohl die ganzen Residenzen, die vielfach mit Schlagbaum und Pförtnerloge gesichert sind. Wir kreisen etwas im Ort herum und erreichen am Ortsende bis auf 5 Meter den mit Stacheldraht versehenen hohen Grenzzaun zu Algerien und einen Grenzübergang, na ja, irgendetwas Unwegsames mit Zoll-Schild gekennzeichnet. 

Unmittelbar daneben liegt die Medina von Saidia, wo gerade Souk ist. Ein Wächter winkt uns heran, signalisiert, dass er noch Platz zum Parken habe. Toll, Souk hatten wir ja schon lange nicht mehr. Also rein und den Anweisungen des Personals Folge leisten. Zentimetergenau passt der Arto in eine Lücke, unmöglich für die beiden Autofahrer rechts und links, in ihre Fahrzeuge einzusteigen. Das sei aber egal, meinen die Wächter, wir sollten uns in Ruhe alles anschauen. Ein tolles Bild, dieses geschäftige Marktgeschehen vor der alten Ummauerung der Medina. Viele Frauen suchen Kleidung aus, Familienväter ziehen Klamotten aus riesigen Haufen und überlegen, wem das passen könnte. Es werden sogar Zelte, Kinderwagen, Reisebettchen und Fahrradhelme angeboten, und natürlich jede Menge Kuriositäten wie eine Ladung Nivea Lotion, Signal Zahncreme, Besteckkoffer aus Solingen und ein Gemälde vom Schiefen Turm in Pisa. 

Nun müssen wir auf Nachtplatzsuche gehen. Ein Polizist schickt uns auf Nachfrage auf einen Parkplatz an der Promenade, wo wir von einer Französin angesprochen werden, wir sollen doch auf den geschlossen wirkenden CP Amazona gegenüber kommen. Wim schaut sich das an, und wir ziehen um. Bevor wir einbiegen, kommt ein deutsches Womo raus, also mehr ein Wüstentruck, ein glänzendes riesiges tolles Ungetüm. Wir können etwas in der Sonne sitzen, es ist richtig warm. Der Gang zum Strand fällt kurz aus, da Hunde verboten und viele Marokkaner unterwegs sind. Aber so vom Strand her auf die algerischen Gebirge zu schauen, ist schon ein besonderer Moment. Abends essen wir in einem Lokal eine Tajine, die sehr gut geschmeckt hat und denken gespannt darüber nach, wie unsere weitere Reise, dem Meer den Rücken drehend, nun Richtung Süden verlaufen wird.