Praia Carvalhal > Sagres

18.01.2015 Sonntag – Praia Carvalhal

Wir planen die Abfahrt aus Lissabon nach einer wahnsinnigen Sturmnacht, die ich etliche Stunden lang auf dem Beifahrersitz verbracht habe. Es schüttete und goss unvorstellbar, wie aus Eimern, dazu ein irrsinniger Wind, der unser Womo hin und her und auf und ab schaukelte, und das auf einem Parkplatz noch im Schutz von etlichen anderen Womos. Sowas hab ich bisher noch nie erlebt. Blaulicht, Polizei, Hafenmeisterei, alles im Einsatz. Wim schlief wie ein Murmeltier, bekam von alldem nichts mit. Und da das Wetter morgens leider auch nicht gut ist, beschließen wir die Abreise. Sonntags reist es sich ohnehin gut. Also ab gen Süden. Vorher repariert Wim die Duschabtrennung, die war wohl durch die hinter uns liegenden Holperstrecken aus der Führung gesprungen. Wettervorhersage für die Algarve ist hervorragend, allerdings Richtung Cabo Sao Vicente ist richtig starker Wind über 60 km/h gemeldet, also müssen wir später vor Ort sehen, ob wir in einsamer Klippenlage übernachten wollen. Erstes Etappenziel soll zunächst Cabo Sardao sein. Die Fahrt führt uns über Vasco da Gamas imposante Brücke in Lissabon auf das andere Ufer und über zum Teil Wellblechasphalt durch wunderschöne Landschaft mit Korkeichenwäldern, Weinreben, Olivenbäumen und unzähligen Storchennestern, vorbei an großen Landgütern mit viel Mut zur Farbe.  

Ein stolzer Leuchtturm mit phantastischen Klippenplätzen erwartet uns am Cabo Sardao. Ein englisches WoMo steht irgendwo im Klippengrün. Riesige Pfützen und tiefste Furchen verhindern das Befahren einiger lauschiger Ecken. Wir wandern ein wenig herum, genießen Ausblicke und üppige Azaleenfelder. Es ist sehr windig, und wirklich windgeschützt gibt es hier eigentlich nichts. Also fahren wir kurzentschlossen weiter. Eine weitere windgebeutelte Nacht wollen wir uns ersparen. Unterwegs stoppen wir an einem Lidl, der Einkauf war ganz lustig, Unmengen Fisch und Meeresfrüchte. Wir kaufen Wein, gefrorene kleine Fischdinger, die wir schon aus einem Lokal kannten. Dieser Lidl am Ende Europas führte sogar echt Holländisches: Stroopwaffeln und Pindakaas. Draußen warb man an einem Haus mit „te koop“. Oranje boven!

Auf der Suche nach einem Nachtlager fahren wir einfach die nächste Möglichkeit zu einer Praia an, es ist die Praia Carvalhal. Holprig geht es plötzlich an Gnuherden, Antilopen und riesigen Büffeln vorbei. Witzig. Da hat sich wohl irgendein Großmogul was für seine Großwildjagd heimisch gemacht. Über steile Anfahrt erreichen wir eine himmlische Bucht. Ja ein Paradies. Ein Flüßchen strömt zum Meer. Ein paar verzottelte Zivilisations-Gegner im schrottreifen Bus schleppen sich Meersand in Tüten ins Auto und verschwinden wieder. Wir bleiben über Nacht an diesem herrlichen Ort, spazieren herum, machen Luftsprünge, nun ja, ich weniger hoch als Bazou. Es gibt Rouladen und Rosenkohl und später Tatort, es ist Sonntag, und der Fernseher funktioniert wieder. 

19.01.2015 Montag – Praia Carvalhal

Ein herrlicher Morgen, er hält, was uns der Abend schon versprach. Blauer Himmel, Sonne, klare Welt. Eine sehr sehr stürmische Nacht liegt hinter uns, aber der Platz ist ganz geschützt, Angst hatte ich daher wenig, obwohl ich gelegentlich dachte, der Wind zerreißt unsere Fahrradhaube. Wir frühstücken, planen, bleiben. Es ist zu schade, diese wunderbare Bucht so schnell zu verlassen. Wir gehen am Strand, kraxeln über die Felsen, sonnen uns in den großen Stühlen, bewundern stundenlang die hohen Wellen, die Brecher, die sich unaufhaltsam in die Bucht schmeißen. Und das Flüsschen hält tapfer dagegen. Ach, wie haben wir uns das verdient, augenzwinkernd muss ich in mich hinein lachen. Es weht ein kräftiger Wind, der das Wellenspiel erst recht antreibt. Es ist eine Zeit, die Gedanken anfacht, voran treibt. Ein Genuss. So bin ich sicher, am Ende einer kleinen Gedankenkette, dass der Wind der wirkliche Herrscher über Wasser und Fels ist und das Meer nur die zweite Geige spielt. Allerdings sollte man das in mehreren Stunden nochmals querdenken. Der Himmel bleibt jedenfalls wolkenlos blau, ein herrlicher Kontrast zu dem Anthrazit des Schiefergesteins und dem rostfarbenen, zerklüfteten Fels. 

Sicher gibt es Fotografen, deren Lieblingsmotiv ein Rhodesian Ridgeback ist und die immer auf der Suche nach der perfekten Location für ihre Aufnahmen sind. Hier wäre sie, sie könnte sich eignen. Aber nein, keine Frage von „könnte sich eignen“, sie eignet sich perfekt! In meiner Welt ist eine solche Landschaft und inmitten unser wundervoller Bazou ein Stückchen Himmel, das wir in Reisezeiten aufsaugen wie Schwämme. 

Wir essen am Strand im warmen Sonnenschein Kuchen, Zitrone und Kokos, einen Cappuccino dazu. Ich restauriere meine Fingernägel. Ein echter Urlaubs-Faulenzer-Tag. Später erklimmen wir die Klippe rechts der Bucht, es geht steil und voller Geröll auf einem Trampelpfad nach oben. Wim geht vor, um zu prüfen, ob es oben einen weiterführenden Pfad überhaupt gibt. Ja, es gibt ihn, und mit ihm prachtvolle Ausblicke auf die Felsenküste mit ihren Buchten. Die Gischt schießt an einer Stelle heftig wie eine Fontaine nach oben. Man wird richtig nass, obwohl wir weit oberhalb stehen. Schwaden aus Sand, Salz und Wasser ziehen an den Felswänden der Buchten wie Regenschauer vorbei. Naturgewalt pur! 

Vorbei an einem kleinen Gehöft kommen wir auf eine Schotterstraße, steil bergab geht's zur Praia. Flott erreichen wir unser WoMo. Noch eine Runde am Strand, WoMo etwas windgeschützter platzieren und kochen. Es gibt Salat, Kartoffeln und Fleischklößchen aus Portugal, leider nicht gewürzt, hätte gerne mal probiert, wie sie hier so würzen. Es war wieder köstlich. Bazou plant noch etwas die weitere Reiseroute, will dann plötzlich raus, hat schlimmen Durchfall und kotzt. Hoffentlich ist es morgen wieder vorbei. Er war tagsüber zwar sehr gut dran, flott unterwegs und fit, aber sauschlecht muss es ihm schon sein. Also verbringt er den Abend eingemoppelt in meinem Bett und wärmt es für mich schön vor. 

 

20.01.2015 Dienstag – Sagres

In der Nacht gab's mehrfach Schauer. Heute morgen ist der Himmel voller Wolken, aber lau ist es. Bazou und ich spazieren zum Strand. Schon toll, so eine eigene Zuwegung zu Strand und Bucht. Einfach nur eine göttliche Landschaft. Bei Abfahrt kommt eine Meldung "Getriebe kontrollieren", ist dann zwar weg, aber schockt uns und wirkt retraumatisierend. Dann fahren wir ab Richtung Südwest-Spitze. Ich knipse die afrikanischen Tiere in ihrem Gehege. Toll ist es, Gnus und Gazellen zu sehen. Auf dem Weg treffen wir doch tatsächlich das französische Womo, das in Fatima neben uns stand. Sie halten an und freuen sich. Wir auch. So ein Zufall! 

Die Fahrt geht wieder über eine sehr schöne Strecke mit vielen Pinienwäldern. Wir besuchen noch kurz eine wilde Bucht in einem kleinen Fischernest. Es ist immer wieder gut, wenn wir keine Autobahn nehmen. Bazou geht es offenbar etwas besser, er frisst zwar noch nicht, aber hat auch keinen Durchfall mehr. Unterwegs entsorgen wir auf einem CP für 10€. Aber egal, wir sind es los. 

Wir sehen über tellerflache Felsrücken den Leuchtturm Sao Vicente. Ich finde es toll, hier am südwestlichsten Ende Europas zu stehen. Die Bratwurstbude ist leider geschlossen, keine Überraschung daher für Wim. Schade. Ein Wetter zieht rasend auf und rasend ab. Hier erlebt man, was atlantisches Tief ist. Mehrfach zeigen sich Regenbogen. Und es stürmt, bleibt aber trocken und wird sonnig und himmelblau. Wir schauen uns kurz ein altes Fort an, dann die Wellenreiter in der Praia Beliche bei Kaffee und Kuchen im Womo.

Den Übernachtungsplatz in Sagres finden wir schnell. Er ist zwar ziemlich öde, ein riesiger Parkplatz, rundum stehen einzelne Womos, schon ein krasser Gegensatz zu unserer letzten Bleibe. Aber was soll's. Die Lage ist perfekt. Während ich zusehe, wie ein englischer Womo-Reisender Kaminholz spaltet für seinen Ofen im Womo, höre ich in den Nachrichten Schneewarnungen für Portugal und Marokko, Schulen wurden geschlossen usw.. Ob wir jemals nach Marokko kommen, ein großes Wunschziel. Wir frittieren die kleinen Fischdinger vom Lidl, außer Stinkerei leisten sie nichts, sie sind, sagen wir mal, geschmacklich sehr zurückhaltend, quasi neutral oder eher fies. Einen französischen Problemfilm sehen wir, eine Affäre, sehr gut. Morgen geht's an die Algarve, Postkartenmotive aufstöbern.