Heimreise

16.04.2024 Dienstag

Ja, auch die schönste Reise endet mit der Heimreise. 

Aber wie immer gilt: Nach der Reise ist vor der Reise!

Und gut, dass uns der vorausfahrende LKW eine wahrhaftige Erkenntnis nochmal quasi schwarz auf weiß vor Augen führt. Was nicht passt, muss passend gemacht werden. So streichen wir schon mal „Telematik“ - wer oder was es überhaupt ist - und ersetzen es durch „Boltenhagen“. Ja ja, manchmal muss man ein Fuchs sein, um sich durchfuchsen zu können, so durchs Leben und andere Situationen. Jedenfalls blicken wir sehr zufrieden auf die zurückliegende Dauercamper- und Anstaltswochenzeit zurück. Eine gute Entscheidung war es, und sie trägt spürbar Früchte. Und mit Freude auf ein verlockendes heutiges Tagesziel geht‘s weg von der Küste, wir legen ab und nehmen Fahrt auf gen Heimat. Zum Regengrau des April-Wetters gesellt sich kurz nach Abreise eine Baustellenumleitung, die uns schmalspurig über Land und, wie auch auf der ganzen Strecke, an auffällig vielen Rehen vorbei führt und locker eine Stunde kostet. Aber auf das immer wieder begeisternde Rapsgelb ist Verlass, es strahlt ungebremst und begleitet uns auf unserer Route über die irgendwo und irgendwann erreichte AB und der heutigen 320-km-Strecke.

So, es läuft. Zielort Bückeburg kommt blühend in Sicht, unser Navi-Rüdiger hat es heute problemlos ohne Gehakele gewuppt. An strammstehenden Fliederbüschen und rankenden Glyzinien, deren Anblick uns immer wieder an unsere Osterurlaube an der Coté d‘Azur erinnert, geht‘s vorbei an schmucken Fachwerkhäuschen durch das Städtchen Richtung Schloss. Hier peilen wir den SP direkt am Wassergraben des Schlosses an. So schön wie beschrieben zeigt er sich auch. Hinter einem Parkplatz und umstanden von alten Bäumen kann man mit Schloss im Rücken auf großer, absolut planer, sauberer und perfekt geschotterter Fläche für 9 € pro Nacht, am Automat zu entrichten, eine Lücke belegen. Das wird, und das ist jetzt schon klar, mit Sicherheit häufig schwierig sein, denn solche zentrumsnahen tollen Plätze, und dann noch an Schlössern, werden immer sehr stark frequentiert. Wir haben aber erstmal ausreichend Auswahl, viele Lücken sind frei, was sich aber im Laufe des Nachmittags ändert. 

Das Wetter, mittlerweile wieder heiter bewölkt, lockt, und wir starten sofort zur Schlossbesichtigung. Nur um eine Ecke herum, und man erreicht den mit uralten riesigen blühenden Kastanienbäumen gesäumten Weg am Schlossgraben entlang, und eine Ansammlung phantastischer hochherrschaftlicher Bauten tut sich auf. 

Dazu gehört zunächst die Fürstliche Hofreitschule, einzigartig in Deutschland. Hier kommen Pferdebegeisterte sicher auf ihre Kosten. Der Fürstliche Marstall aus dem Jahr 1621 mit Reithaus beherbergt eine weltweit einmalige Sammlung von Reitkunstpferderassen vergangener Jahrhunderte. In Vorführungen kann man die Geschichte erleben und einiges ausprobieren, wie z.B. unterschiedliche Sättel. Uns genügt der Blick und das Streicheln der beiden sehr temperamentvoll auf einer Koppel springenden wunderschönen Fürstlichen Barockhengste - was es nicht alles gibt -, für Chianga wenig beeindruckend, für die beiden Bückeburger Reitkünstler mit ihren treuen feurigen Augen aber schon, denn sie galoppieren forsch mit Anlauf auf die Umzäunung zu, stoppen abrupt und schütteln anmutig und elegant ihre Häupter, lassen sich aber angstfrei und neugierig schnüffelnd über die weichen Nüstern streicheln. Wir hoffen, diese unbändige Lebensfreude dürfen sie immer genießen, auch wenn‘s als Schulhengste ins Training mit den Hofbereitern und zur Präsentation der Hohen Schule der Reitkunst in historischen Kostümen geht, die den „tiefgehenden Wissensschatz der Bückeburger Pferdeflüsterer“ offenbaren sollen, wie wir lasen. Wir haben keine Ahnung von Reiterei, aber ein Begriff wie „Barren“ ist sofort sehr unangenehm präsent. 

Nun setzen wir über auf die Schlossinsel. Imposante Bronzefiguren zieren die alte Brücke und scheinen zur leise und eigentümlich französisch klingenden Musik zu tanzen. Die trägt der Schlosswind uns zu aus dem hinter der Wassergraben überspannenden Brücke sehr dekorativ gelegenen Bistro Le Pavillon. Einladend lässt das adlige Windchen karierte Tischdecken flattern, ein schönes Fleckchen, aber einfach zu frisch, um sich an einem der kleinen Tische niederzulassen.

Es zieht uns weiter, unsere Blicke werden gebannt von der vor uns aufragenden 700 Jahre alten Tradition und Geschichte derer von Schaumburg-Lippe. Es hat etwas Märchenhaftes, katapultiert einen unweigerlich in frühere Zeiten, Worte wie „bei Hofe“ fallen einem ein und das Blut in den Adern verfärbt sich sicher schon leicht blau beim Anblick dieser Pracht, die einst im Jahr 1304 nur eine schnöde „Bückeburg“ war, sich im Zuge der Zeiten von Herrschern, Adel und Klerus und entsprechenden Machtansprüchen aber zu einem hochherrschaftlichen Schloss mauserte. 

Wir staunen und posieren und beschränken uns, bis auf ein paar neugierige Blicke in offene Flure, auf den Außenbereich, da alles andere schon geschlossen ist. Prunkvolle historische Gemächer bleiben uns verborgen. Allerdings der Schlossladen gewährt noch den Zugang. Eine sehr freundliche Mitarbeiterin mit viel Zeit zeigt mir sehr amüsiert ein paar Dinge, führt mich an feinstem Schlossporzellan und alten Fotos vorbei. Und da entdecke ich doch tatsächlich Wims König, den Willem, in ganz jungen Jahren, auf einem Foto. Der hat sich also auch schon in glanzvoller Vergangenheit hier herumgetrieben und sicher vom fürstlichen Schokolädchen und Gesöff genascht. Lekker, lekker. 

Durchs reich verzierte Schlosstor verlassen wir die hinter dicken Mauern liegenden Wohnbereiche des 250-Zimmer-Schlosses des Hausherrn Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe und wenden uns der schnöden Fußgängerzone zu. Ein leckeres Eis verstärkt noch die Süße der schnuckeligen Fachwerkhäuschen, bevor uns ein aufziehender April-Schauer schnellen Schrittes zum Womo sausen lässt, aber nicht bevor Chianga wie üblich die Spitze der Eiswaffel verschlungen hat. So viel Zeit muss sein, da vergisst sie nichts. 

Gegen Abend wird das Wetter wieder freundlich. Gegenüber führt man die Pferde von den Koppeln in den Stall, und wir unser Chianga-Mäuschen und uns nochmal aus. Erwähnen muss man für die Hundefreunde unter uns, dass sich sofort an den SP Spazierwege durch Wald und Wiesen anschließen. Und scheinbar sehr interessante, denn Chianga wird gar nicht mehr fertig mit Schnüffeln. Die wird heute Nacht liegen wie ein Brot im Ofen nach all der Kultur und Natur. 

Der nächste Tag bringt uns staufrei und zufrieden nach Hause. Zeitig können wir den gastlichen SP in Bückeburg verlassen, reihen uns wieder ein auf der Autobahn und ziehen durch den Pott, über den Rhein und hinauf zu den Eifel-Höhen unserem Heimatdörfchen entgegen. Schön ist es hier ja auch, unbestritten, aber neue Bilder machen neue Gedanken … oder wie man heutzutage sagt: sie machen etwas mit einem. Tja, egal was. Unser Häuschen klebt noch hoch oben am Hang, und fast kniehoher fetter Löwenzahn ums Haus herum wurde von keinem entfernt. Echt ein Ding, ein Unding ;-). Wim bahnt sich dennoch einen Weg zum Kaminholzschuppen, heizt ordentlich ein. Denn so manch ein Ridgeback ist schon erfroren, hörte man, obwohl er sich kunstvoll mit Pinzettenbiss Kissen zurecht rutschte und sich darunter zu schützen versuchte. Armes Hundekind, ganz armes.