Noord-Beveland > Goeree Overflakkee - Middelharnis


20.10.2022 Donnerstag

Heute steht die Weiterreise an. Wir wollen zwei Halbinselzipfel weiter hoppen. 

Bei etwas diesiger Wetterlage verlassen wir den schönen Platz bei der Bauernfamilie und fahren hinter Vrouwenpolder über den Damm nach Noord-Beveland ans Ufer des Veersemeers gegenüber dem Städtchen Veere, das wir gestern besucht haben. Der dort verzehrte lappige Pfannkuchen liegt übrigens immer noch im Magen. Das hindert uns aber nicht daran, nach einem kurzen Spaziergang im Lokal am Meer einzukehren und ein Stück einer sehr köstlichen Appeltaart zu uns zu nehmen. Und das in bester Gesellschaft! Mit einem auch campenden Paar, das ganz treu unsere Reisen verfolgt und in der Nähe wohnt, haben wir ein Date. Die beiden fahren mit ihrem Womo vor, das sie häufig auch nur tagsüber an schönen Strandabschnitten nutzen und abends wieder in ihr Haus fahren. Sehr lustig und sehr angenehm sitzen wir ein gemütliches Stündchen zusammen. Schön, wenn man miteinander erzählen kann, schön, mal nicht zu schreiben, sondern zu reden. Echt klasse, Ihr Lieben, toll, dass Ihr Euch gemeldet hattet und wir uns treffen konnten. Auch Chianga war angetan von Euren zwei Hündchen, fand sie sichtlich weitaus interessanter als den wildgewordenen Goldendoodle eines Spaziergängers, der kurz und bündig mit seinem sonnigen Gemüt alle Register zog und wie ein Flummi um und fast über uns sprang.

Noord-Beveland verlassen wir nachmittags, fahren über die 5 km lange, unter Denkmalschutz stehende Zeelandbrug und durchqueren Schouwen-Duiveland. Hinter Bruinisse geht es über den 6 km langen Damm übers Grevelingemeer am Seilbahnanker vorbei, einem Denkmal zur Erinnerung an den Bau des Grevelingendams. 

Nun sind wir auf Goeree Overflakkee. Auch hier, wie in einigen Regionen vorher, wehen viele Landesfahnen im Wind an Ackerrändern. Das hat es in den Jahren zuvor bei unseren Besuchen so nicht gegeben. Häufig stehen Plakate dabei oder hängen Transparente: „zonder boeren, geen eten“ (keine Bauern, keine Nahrung). Grund für die schon länger andauernden und leider teils eskalierenden Proteste der Bauern sind verschärfte Umweltauflagen. Die Niederlande verstoßen seit Jahrzehnten gegen die Normen für den Stickstoff-Ausstoß, was zu einer Schädigung der Naturgebiete führt. Höchstrichterlich wurde die Notbremse gezogen, die Emissionen müssen um 50 %, in Naturgebieten sogar um 70 %, herunter gefahren werden. Davon ist der größte Verursacher, die intensive Landwirtschaft, betroffen. Einem Drittel der Viehbetriebe, so lt. Regierung, droht das Ende. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes „um die Wurst“. Und als sei das nicht das Schlimmste, nein, an die immer radikaler werdenden Proteste der Bauern hängen sich alle möglichen gewaltbereiten Gruppierungen, und den rechten und populistischen Parteien kommt der Bauern-Aufstand wie gerufen. Diese Entwicklung ist nicht neu in den Niederlanden, schwelt schon lange, schwappt auch nach Deutschland über, und muss wohl leider auch Premier Rutte angelastet werden, der „Strahlemann“ trägt wohl nicht umsonst den Spitznamen „Teflon-Mark“ wegen seiner Fähigkeit zum Wegschieben von Schwierigkeiten, an dem Probleme, wie man liest, abgleiten wie der Pfannkuchen aus der beschichteten Pfanne. Und da ist sie jetzt also: die Rache des Pfannkuchens. Den Vorgeschmack hatten wir ja gestern. Grausig!

Wir wollen nach Middelharnis und an einem Kanal am Haringvliet unser Nachtlager aufschlagen, den wir hinter dem Zentrum auch schnell erreichen. Ein paar Wohnmobile stehen hier auf dem gepflasterten Kai mit Blick auf eine ganze Reihe von Booten. Prächtig, gefällt, wackelt nicht, hat Luft. Wim zahlt für 2 Nächte beim freundlichen Hafenmeister, und der Tag, der auf nur knapp 70 km vieles zu bieten hatte, neigt sich dem Ende. 

21.10.2022 Freitag

Ein paar Tropfen fallen. Ein paar Womos rollen an. Schnell füllt sich die Parkreihe hier am Kanal. Man merkt, das Wochenende naht. Wir werden morgen wechseln. Einen Tipp hat man uns gegeben, ein SP in Heusden, vor allem auch, weil dort der Pfannkuchen sehr gut sein muss. Beim Googeln zeigt sich der Platz unglaublich toll, an der Maas gelegen, rundum Wasser, ein altes Fort, Örtchen, sicher extrem begehrt, also mal die Tel.Nr. des Hafenmeisters rausfischen, um nachzuhören, ob man reservieren kann. Ja, kann man, aber nur über eine spezielle App. Gut, runterladen, registrieren, anmelden, reservieren, IBAN dalassen, wird abgebucht. Minuten später ist alles geritzt und unsere Lücke gesichert. Etliche CPs und SP haben sich diesem System angeschlossen. Ggf. können wir noch andere auf diese Weise reservieren bei Bedarf. Wim spaziert etwas herum, ich spiele Zugeh- und Klofrau. Irgendwie schludert der Tag mit uns dahin. Plötzlich ist schon Nachmittag, und Wim kramt die Räder vor, obwohl wir überlegt hatten, den restlichen Tag in der Sonne vorm Womo mit Kanalblick zu verbringen und mal weiter nix zu unternehmen. 

Und was ein Glück, aber wirklich. Gut, dass wir uns bewegt haben. Allein die kurze Tour bis zur Mündung des Kanals in den Haringvliet ist schon herrlich bei inzwischen sommerlichen Temperaturen. Ein Genuss wieder mal. Hier steht alles in Reih und Glied. Diese Ordnung in der Landschaft ist, wenn auch manchmal befremdlich, doch sehr entschleunigend. Die Bilder sind unaufgeregt, Boot reiht sich an Boot, Baum an Baum, Haus an Haus, es ist still, auch der Wind, nicht mal die Masten summen. 

Wir drehen eine Runde um das Ende des Landzipfels, auf dem eine wunderschöne Skulptur in der Sonne glänzt. Ein restaurierter Fähranleger, ein Bahnsteig mit Bänken, zwei Gleise und der Nachbau eines Schalterhäuschens sind zu bewundern und entführen einen irgendwie in die Vergangenheit. Der Blick auf den Haringvliet von hier aus ist herrlich.

Per Knopfdruck wird von Geisterhand gesteuert die Brücke über den Kanal herab gelassen, so dass wir übersetzen und auf der anderen Dammseite zurück radeln und tolle Blicke auf den SP erhaschen können.

Jetzt geht‘s in den Hafen und in das Herz des ehemaligen Fischerdorfs hinein. Also sehenswert ist alles. Wir sind total begeistert, nie hätte ich erwartet, hier in solch ein Schnuckelhausen zu geraten. Es herrscht eine so gelöste schöne Stimmung, sonnenwarm und golden. 

Dann wartet dieses Örtchen mit einer weiteren Besonderheit auf, die uns in Holland so noch nicht begegnet ist. Schnurgerade, wie vieles hier, zieht sich eine annähernd 1 km lange schmale Einkaufsmeile mit Häuschen und Lädchen durch den Ort. Hin und wieder führen enge Treppengässchen nach unten auf die tiefere Ebene der Hauptstraße. Hier wird alles angeboten von schönen Klamotten bis Leckereien für den Gaumen, Schmuck und Deko, und häufig wird auf Schiefertafeln angekündigt, dass schon ein Kaffee auf den Besucher wartet.  Es mutet an wie ein marokkanischer Souk - holländisch interpretiert. Einfach irre, irre schön.

Wir lassen uns durch die Straßen und Gassen treiben, kreuz und quer. Die Fotos halten vieles fest, wecken beim Betrachter vielleicht den Wunsch, auch mal hier eintauchen zu wollen in diesem Schmuckkästchen, umweht von buntem Herbstlaub. 

In diesen Herbstduft mischt sich aber an der nächsten Ecke der extrem lockende Olliebollen-Duft. Puuuhhhh … wir geben uns geschlagen. Einer für jeden, sofort verspeist, dieser außen Pudrige und innen lauwarm Fluffige, golden Gebackene, mit seinen weichen warmen süßen Rosinen tief im Inneren, die einem noch den Wunsch nach einem nächsten dalassen, bevor sie das Zäpfchen passieren … wie gewonnen, so zerronnen.

Der Rückweg führt uns im herbstsonnigen Licht vorbei an begeisternd schönen Fassaden schnurgerade auf das Alte Rathaus zu, auf dem Besonnenheit, Liebe und Gerechtigkeit als Symbole dargestellt sind. Es wurde 1639 im holländisch-klassizistischen Stil entworfen und gebaut. Auf dem Turm des Rathauses befindet sich ein kupferner Segler. Daran ist zu erkennen, dass Middelharnis früher ein Fischerdorf war. 

Und dann aber ab durch die Mitte zum Womo. Wim läutet mit ein paar Häppchen das Wochenende ein, und der Himmel gibt ebenfalls sein Bestes. Welch ein Tag ! Middelharnis … sollte man sich notieren. 

22.10.2022 Samstag

Der Wettergott scheint auch heute mitzuspielen. Die ganzen Tage war wechselhaftes und oft mit Regenschauern angereichertes Wetter vorhergesagt. Aber es stellte sich nicht ein. So ist das in Holland häufig. Der Einfluss der Küstenwetterlage ist erfahrungsgemäß stärker Richtung „gutes Wetter“ statt Regen. Aber Glück muss man auch haben. Wir verlassen das hübsche Middelharnis, werfen noch einen Blick auf die beneidenswert herrlichen Grundstücke am Wasser und steuern den Jumbo an, kaufen etwas ein, bevor es weiter zum nächsten Ziel nach Heusden geht.