Anreise

16.03.2024 Samstag

Wim hievt drei schwere Koffer ins Womo. Sehr außergewöhnlich, so außergewöhnlich, dass in der Heckgarage auf Anhieb gar kein Platz für sie zu finden ist und der Dickste sogar auf den Betten zwischengelagert werden muss. Tja, so ein Reha-Aufenthalt braucht scheinbar Massen an Klamotten und Utensilien. Für alle Wetterlagen, alle Sportarten, alle Relax-Zeiten, für jede Normalzeit und „was zum Wechseln“ muss man von Kopf bis Fuß für drei Wochen gerüstet sein. Aber wirklich. Vermute, das bin ich jetzt. Vermute auch, dass stapelweise Ungetragenes wieder so ins Haus geschleppt wird, wie es jetzt rausbugsiert wird. Jedenfalls starten wir bei sehr kühlen Temperaturen gut gelaunt und ungestresst mit unserem Concördchen zunächst Richtung Düsseldorf, wo wir eine Übernachtung am Rheinufer einlegen und unseren Sohn besuchen wollen. Regenfrei erreichen wir über den Rhein hinweg am selbigen den langen Parkstreifen mitten in der Stadt. Die Lage ist ja wirklich toll. Die Kähne blubbern vorbei, mal rasant schnell, mal schwer ackernd, je nachdem, ob sie mit den Rheinfluten schwimmen oder dagegen angehen müssen. Aber vor der Schranke halten wir, zunächst peilt Wim zu Fuß die Lage. Ein Womo reiht sich nämlich ans andere. Es scheint voll wie ein Ei. So ausgelastet habe ich es bisher nie erlebt. Glück haben wir aber. Irgendwo ist eine Lücke, sozusagen die letzte, und wir können hinter der Schranke verschwinden und uns reinquetschen in die Reihe der Bestlagernden. Schön. Fußläufig sind wir blitzschnell in der Altstadt, eine leckere Pizza wird verschlungen im empfehlenswerten sehr authentischen „Pinocchio“, das eine italienische Familie seit 30 Jahren betreibt mit ihren überwiegend ebenso lange treu für sie tätigen Angestellten. Nach kurzem Rumräumen, der Koffer muss ja vom Bett, und ebenso kurzem Eingewöhnen verläuft die Nacht gut, wenn auch reichlich Gedöns um uns herum herrscht mit amüsierten Menschengruppen und wort- und krachreichem Einsteigen in PKW und Kastenwagen. Macht aber nichts, mittendrin ist eben mittendrin. Während ich so überlege, wie der Wahnsinnstrümmer aus dem Hause Morelo, der volle Breitseite mit seinen gut und gerne 12 m neben uns trohnt, wohl schallgedämmt ist und über diese neuartige, in die Matratzen eingearbeitete Einschlafmassagezuschaltautomatik verfügt, schlafe ich mit Zwinkern über einen meiner Lieblingssprüche („Meine Armut kotzt mich an.“) und meiner Einschlafautomatik, der friedlich schnorchelnden Chianga neben mir in der Besucherritze, in meinem Concördchen ein.

17.03.2024 Sonntag

Es scheint, ein Frühlingssonntag bahnt sich an. Hell und freundlich wölbt sich der Himmel über Vater Rhein und lockt schon zahlreiche Spaziergänger. Ich sagte ja bereits, die Lage ist herrlich, wenngleich auch die Parkgebühr von 18 €, und damit eine Verteuerung zum letzten Besuch um 6 €, doch viel, aber nicht zu bemängeln ist. 

Bis zum Tagesziel heute liegen knapp 400 km vor uns, bei dem Wetter und sonntäglich freien Straßen also ein entspanntes Cruisen sicher. Quer durchs Ruhrgebiet nähern wir uns vorbei an Bielefeld und Hannover dem Heideland unterhalb Hamburg. Nach Abfahrt von der AB vor Lüneburg tun sich wider Erwarten ungeahnte Möglichkeiten des Freistehens auf. Hier scheint ziemlich viel erlaubt zu sein. Oder wie sonst erklärt man sich die etlichen, in abgehenden Waldwegen lauschig platzierten Wohnwagen in Einzellage? Gut, möglicherweise müssen Freisteher farblich passen … und leider ist so rein gar nix Rosafarbenes an unserem Concördchen. Wir passen also nicht. Und gewöhnlich räkele ich mich auch eher seltener und nur in extremen Ausnahmefällen in schwarzen Ganzkörperstrapsen auf dem Armaturenbrett dicht an der Frontscheibe, zumindest tagsüber nicht. Wobei … ach ja lassen wir das mal. ;-) 

Zunächst ist Ansteuern unseres Nachtlagers auf einem SP auf grüner Wiese in Amelinghausen angesagt. Der ausgesuchte Platz scheint perfekt für uns. Mal sehen. Eine Besonderheit gilt es zu beachten: an der Shell-Tankstelle im Ort soll die SP-Gebühr von sage und schreibe 3,50 € entrichtet werden. Die Tanke ist unübersehbar, der Ticketkauf kein Problem. Mit sorgsam ausgefülltem Parkschein schlagen wir uns durchs schmucke Dörfchen, am Ortsende rechts in die Büsche und platzieren uns auf saftig grüner Wiese. Ein paar Mitcamper stehen verstreut dort, alles wirkt sehr schön, sauber und gemütlich. 

Einfach optimal für uns, ganz unser Geschmack, auch der anschließende Spaziergang im lauen Frühlingslüftchen um den direkt angrenzenden Lopausee, der in der Nachmittagssonne vor sich hin glitzert. Ein Kaltgetränk auf der Seeterrasse ist uns nicht vergönnt, so früh im Jahr ist das Lokal noch in Winterpause. Da lob ich mir den Mitcamper im Nachbarmobil, der beinhart sein Angrillen eingeläutet hat und zünftig seine Holzkohle abfackelt. Mit einem „Besser-geht-nicht“ läuten wir zufrieden den Abend ein. 

18.03.2024 Montag

Gemächlich starten wir in den neuen Tag nach wunderbar stiller Nacht. Am Dorfmetzgerladen vorbei, der sehr erfinderisch einen 24-Stunden-Service per Automat für Grillfleisch und regionale Spezialitäten anbietet, entsorgen wir im Ort am CP am Waldbad und begeben uns über die Bundesstraße Richtung Lüneburg und Elbe. In einer der folgenden Ortschaften können wir aber nicht mehr weiter wie geplant. Leider zwingen Sperrung und Umleitung zu anderer Route und damit doch über die A7 und später die A1. Das ist sehr schade, da wir die heute fälligen 170 km „über Land ziehen“ und in Lauenburg über die Elbe und am Ratzeburger See entlang bis Boltenhagen fahren wollten. Blöd jetzt, aber bloß nicht aufregen. Das Wetter ist toll, kaum Verkehr, könnte alles schlimmer sein.

Höhe Lübeck wechseln wir auf die A20 und verlassen diese in Grevesmühlen. Erstaunt über die nicht erwartete hügelige und urige Landschaft mit viel Ackerland zuckeln wir auf schmalen baumbestandenen Sträßchen Richtung Ostsee. Reichlich Osterschmuck sieht man überall und die Frühlingsblüher strengen sich an. Ja, der Frühling ist da. 

Boltenhagen empfängt uns freundlich und sonnig mit blauem Himmel. Es herrscht schon reichlich Betrieb. Gästescharen bevölkern die mit Fellen ausstaffierten Caféhausstühle, man schlendert um Klamottenstände, erledigt Einkäufe in Apotheken und lustwandelt unter blühenden Bäumen Richtung Promenade und Ostsee. Puuuh, ich mag das alles ja nicht sooo gerne. Aber manchmal gibt es eben keine Wahlmöglichkeiten. Und auch hier, wie bei der Routenänderung am Morgen, muss ich sagen: „Könnte alles schlimmer sein.“ Wir fahren auf der Hauptstraße entlang zur Strandklinik am nördlichen Ortsende, die ab morgen auf mich wartet. Parken ist hier unmöglich. Der kleine Klinikparkplatz darf von Womos nicht befahren werden, ist ohnehin viel zu eng, ansonsten alles Privatgelände ringsum, einzelne Parktaschen nur für Taxi oder Bus. Also hierher zu kommen, Koffer ausladen und kurz parken ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ein anderer Plan muss uns einfallen. Zunächst rollen wir erstmal wieder zurück, werden uns den gewählten SP etwas außerhalb ansehen. Im Vorbeifahren erhascht Wim - bei sowas ist er unschlagbar, wenn er nix sieht, aber sowas entgeht ihm nicht - einen Blick auf eine Fischbrötchen-Bude. Unterwegs schon darauf hingeschwärmt, gibt‘s jetzt kein Halten, oder besser: tatsächlich eine freie Haltebucht. Concördchen wird vor luxuriöser Kulisse geparkt, Wim saust zielgerichtet zur Bude, Chianga und ich stechen geradeaus in See und riskieren wenigstens mal erste Blicke auf die Ostsee. Herrliche blaue Weite, beste Aussichten auf eine Zeit, die, wie schon gesagt, zwar aus der Not geboren, aus der aber das Beste gemacht werden muss. Der erste Biss ins lecker knusprige Fischbrötchen mit dazu gehörigem Remouladenklecks auf der Wange lassen hoffen: es könnte klappen.