26.06.2025 Mittwoch
Auf der Landstraße Richtung Mosel lässt Marokko plötzlich grüßen, als uns ein vollgepackter Strohlaster entgegenkommt. Nun muss man aber einschränken, denn der Vergleich hinkt. Weder die Güteklasse des LKW noch die Art der Ladungssicherung stimmen mit der in Marokko überein. Ich werde vergleichsweise mal ein Foto aus meiner Marokko-Sammlung zur Veranschaulichung einfügen. Übers Führerhaus hinaus lädt man in Frankreich wie in Marokko, das passt schon. Und einen umgekippten Strohballen-LKW haben wir nie in Marokko gesehen. Stabilität ist also irgendwie vorhanden. Aber aber aber … der Anblick in Marokko ist jedenfalls immer zum Staunen. Hier zieht er halt vorbei, eben ein Strohballentransporter, mehr nicht. Und die Straßen sind ja weitestgehend passabel, vielfach schnurgerade, aber mit tückischen Hubbeln und vor allem Kreisverkehren. Die könnten Knackpunkte sein. Jedenfalls bis Langres läuft’s wie geschmiert, und wir umrunden die schöne und stark befestigte Stadt, die sicher auch mal einen Besuch wert wäre.
Ein weiterer See wird passiert, und über schmale Landstraße mit zum Teil großer Fernsicht ziehen wir durch etliche Dörfer.
Ein besonders schönes Dorf naht. Hinter einer Brücke sehen wir eine größere Parkmöglichkeit am Flussufer, ein Womo parkt schon dort. Wir biegen ab. Schön im Schatten können wir stehen, nehmen das Tischchen raus und machen jetzt einfach mal Mittagspause, eher unüblich für uns. Aber das Plätzchen war zu einladend, um daran vorbei zu rauschen. Im Nachhinein sehe ich beim Durchforsten der Landkarte, dass wir am Ufer der Maas gesessen haben. Nicht zu fassen. Aber bei der Vielzahl an Flüssen, Strömen und Bächen, die uns auf dieser Tour untergekommen sind, verliert man schon mal den Überblick. Jedenfalls ist die Pause sehr erquicklich, die Straße aus dem Dorf heraus ebenfalls, denn geradezu Künstler im Fach Heckenschneiden sind hier am Werk. Man hat sehr kreativ Menschen mit eingearbeitet bzw. aus dem Grün herausgeformt und -geschnitten. Also so etwas haben wir auch noch nie gesehen in banalen Dorfeinfriedungen. Evtl. hat der Heckenschneider einmal den tollen Park „Jardin Topiaire“ in der kleinsten Stadt der Welt in Belgien in Durbuy mit dem weltweit größten Formschnitt-Baumpark besucht, in dem man auf 10.000 qm an die 250 echt sprachlos machende Skulpturen aus Buchs oder Eibe sehen kann. Wer interessiert ist, kann gerne nachlesen unter „Belgien > Ourthe“.
Das nächste Städtchen wird gekreuzt, und Navi-Rüdiger zeigt an, dass es tatsächlich bald auf eine AB geht, mautfrei natürlich. Nicht zu glauben. Wir hangeln uns durch weitere Ortschaften dahin, stoßen auf die Mosel und verpassen um ein Haar die völlig unscheinbare und ungepflegte Auffahrt auf die A31 vor Nancy, das uns bald zu Füßen liegt. Der Anblick ist uns gut bekannt. Allerdings kennen wir ihn eher bei Nacht. Denn auf der Rückkehr der vielen Osterferienurlaube an der Côte d’Azur in Port Grimaud haben wir Nancy meist spät am Abend erreicht, blickten auf das Lichtermeer der großen Stadt und waren froh, bald zuhause anzukommen. Das waren noch Zeiten, da „fuhr man durch“, da setzte ich mich mit meinen beiden Jungs und unserem Hund in Köln in Herrgottsfrühe ins vollgepackte Auto und stieg nachmittags nach knapp 1300 km in Port Grimaud vor unserem Ferienhäuschen wieder aus, erwartet meistens von meinen Eltern, die schon vor Ort mit ihrem Wohnwagen standen. Ja, alte schöne Zeiten. Heutzutage zuckeln wir herum und schieben noch 200 km vor unserem Zuhause eine Übernachtung ein. Aber es ist gut und total richtig so. Alles hat seine Zeit. Daher ist die heutige Etappe auch in Pont-à-Mousson zu Ende.
Wir peilen den SP am Moselufer an, von dem ich schon sehr häufig in Camperkreisen gehört habe, der kommt gerade passend. Auf Anhieb scheint er schon am frühen Nachmittag recht voll zu sein. Wir sind froh, zeitig hier anzukommen und verschwinden sofort in der erstbesten freien Lücke. Nase zum Ufer, angrenzend Wiesenstreifen mit vielen Bäumen mit wunderbarem Blick auf die alte Moselbrücke und das gegenüberliegende Ufer. Besser geht nicht. Stühle und Tisch erstmal nix wie raus und auf der schattigen Wiese platzieren, ebenso wie es die anderen Camper machen. Eine kurze Fotorunde und Badespaß für Chianga, und dem Ende des Tages wird nur noch liegend entgegengesehen, bzw. kann nur so sein, denn es ist unsäglich brütend heiß.
Ich lebe diese heißen Momente mit Blick durch meinen Blätterrahmen auf den Ausschnitt der Mosel und das Treiben darauf und im Uferbereich.
Es könnte ja so entspannend sein, wenn man nicht so stöhnen müsste. Jede noch so kleine Regung oder gar Bewegung verursacht Sturzbäche. Echt schrecklich. Auch die benachbarten Camper zeigen Schnappatmung, versichern, zu schlapp zu sein, um sich ein Getränk im hinter ihnen stehenden Womo zu holen. Wir überlegen zusammen, ob nicht einer, also der Fähigste unter uns, einfach mal aufsteht und für alle etwas beischleppt. Aber diese Witze führen zu Lachen, das wiederum zu Schwitzen, wir alle beschließen daher, zu schweigen und zu ertragen. Bis irgendwann hinter dichtem Uferbewuchs ein riesiger lauter Wasserplatscher hörbar wird, so, als wäre da einer ins Wasser gesprungen. Aber da war doch kein Steg oder etwas? Haben wir da was übersehen? Könnte man tatsächlich mal abtauchen? Fragen über Fragen. Wasser, das man sieht, aber nicht rein kann bei Hitze, ist doch wirklich reine Zankerei. In der Runde ist man sich sicher, dass hier keiner in die Moselfluten kann, wir also besser wieder liegenbleiben. Es dauert nicht lange und ein zweiter Platscher schallt herauf. Jetzt ist aber genug damit. Wim sieht am Ende des Parkstreifens einige Personen zusammenstehen. Neugierig wie er ist, rappelt er sich auf und schreitet dorthin. Kurz darauf kommt er mit einem „Schätzelein, die Kamera, schnell, die Kamera, ein Fisch“ ziemlich flotten Schrittes zurück. Da hat doch ein Angler etwas ganz Großes an der Angel. Völlig begeistert schnappt er sich die Kamera und wieder zurück. Ich soll mitkommen, das sei ein gigantischer Fisch. Nein danke, ich kann sowas nicht sehen, hab einmal auf einem Kutter eine Fahrt „auf Dorsch“ ab Travemünde mitgemacht und gesehen, wie die Angler so mit den herausgezogenen Fischen umgehen, nein danke, das brauche ich niemals mehr. Und jetzt: Butter bei den Fisch! Letztlich macht der Fischers Fritz einen wahnsinnigen Fang. Er zieht nach längerem Kampf, „Der alte Mann und das Meer“, einen riesigen Wels an Land, 197 cm lang, mit einem ebenso riesigen Maul. Zwei Mann mussten den Fisch am Maul packen, um ihn ans Ufer schleppen zu können. Hier wurde ihm jedoch der Haken aus dem Maul entfernt, und es war sofort klar, dass er wieder zurückkehren dürfe in die Mosel. Wohin auch mit solch einem Monster. Unglaublich. Das sind Raubfische, andere Kaliber als die kleinen Schmarotzerfischchen in der Drôme. Boah, wenn der dich auf Hautschuppen an den Unterschenkeln untersucht, Prost Mahlzeit. „Der weiße Hai“ kommt mir wieder in Erinnerung. Ich verfluche den Tag, an dem ich diesen schrecklichen Film gesehen habe. Ich weiß noch, dass ich auf dem Nachhauseweg vom Kino an jeder dunklen Hausecke dachte, da erwartet er mich und springt gleich hervor. Seitdem habe ich keine große Lust mehr auf Meerschwimmen, allenfalls Meerbaden im Seichten. So, das war nun die Attraktion des Tages für Wim. Seine Ausbeute sind ein paar verwackelte Fotos und die Gewissheit, dass der dicke Fang seine Freiheit wieder genießen darf, im Flusswasser, nicht in Tiefkühlschrank und Pfanne.
Auch für mich ergibt sich noch etwas Schönes, ein Schwanenpaar zieht nämlich vorbei, vier zuckersüße zerzauste Schwanenkinder im Schlepptau, und ansonsten anderes Getier.
Der Tag geht und der Abend kommt, ohne Johnnie Walker, mit Walken is nix heute. Dafür aber wunderschöne Abendstimmung am Fluss, die blaue Stunde mit herrlichen Spiegelungen, später im Glanz vieler Uferlichter.