unser Gustavo

De Mijas GUSTAVO Meron 

(Swahili: Freund und Kämpfer - aus De Mijas)

*01.03.2020

Vater: unbekannt / flüchtig

Mutter: ja, geben tut es sicher eine 

Leere überall, in uns, im Haus, und damit reichlich Raum für abgrundtiefen Trauerschmerz, der kaum Platz für Dankbarkeit darüber lässt, solch einen prächtigen Herzenshund wie Bazou ein Hundeleben lang bis zum letzten Atemzug begleitet haben zu dürfen. Glück ist flüchtig, es lässt uns als Spuren die Erinnerungen zurück. 

Hundemenschen wissen, durch welche Hölle man geht nach dem Tod eines wundervollen Kameraden, einem Begleiter, der völlig eins war mit einem. Und fließen auch Bäche aus Tränen, die Endgültigkeit hat alles fest im Griff, lässt einen erstarren. Unwiederbringlich ist Bazou weg. Zeit zieht einfach so dahin, man verliert das Gefühl dafür, man lebt nicht, man wird gelebt. 

 

Und dann erwischt man sich dabei, dass man in den Weiten des "www" stöbert, virtuell die Tierheime durchwandert und die Notstellen durchforstet, fassungslos ist über elende Vermehrer und Welpenverhökerer und Hundeangebote überforderter Menschen in Kleinanzeigen-Portalen und schließlich hängen bleibt an einem Burschen hinter Gittern, sozusagen schwedischen Gardinen - oder passender spanischen Gardinen -, den sie "Gustavo" nennen.

Mein Gott, wie viele Tierschutzorganisationen es im Umkreis gibt und wie brechend voll sie sind. Nun ja, Umkreis ist etwas milde ausgedrückt. Dieser schelmisch-lebensfroh guckende Gustavo sitzt in Spanien. Ja, warum auch nicht um die Ecke? Warum nicht so, dass man sich zunächst einfach mal öfter besuchen kann? Warum einer ohne bekannte Vorgeschichte? Warum ein Brüderchen für Chianga? Und wenn überhaupt: Warum der?

Letzte Frage ist einfach beantwortet:

weil er ein kleiner Ridgeback-Mix ist, zumindest zu sein scheint. Bald 2 Jahre alt, gleiche Größe wie Chianga, gleiche Gewichtsklasse, geht er verschmust und wild in den kurzen Videos mit leuchtend dunklen Kulleraugen auf die Tierheim-Betreuer zu, schmeißt sich mit seinen fast Ridgeback typischen Katzenpfoten in deren Arme und schaut äußerst fotogen in die Kamera mit sehr sehr süßem Gesicht. Entziehen zwecklos!

 

Herz an Kopf: "!!! Adoptieren !!!"

Kopf an Herz: "Neee, lass mal!" 

 

Und weil sich Herzenshunde selten Kopfmenschen aussuchen, und Gustavo das Zeug zum Herzenshund hat, stellt sich in unserem Kopf (Verstand) einfach Funkstille ein. Er, der Kopf, hat begriffen - begriffen, dass solch ein Kleiner ideal zu uns passen könnte, dass die Sinnhaftigkeit den Zweifeln bei weitem überlegen ist, dass wir optimistisch vom Besten ausgehen und uns mit aller Macht dieser neuen Herausforderung stellen werden. 

"Chianga, mein Kätzchen, was hältst Du davon?" Ihr Signal: „Ich krieg den schon hin, selbst bei Bazou fruchteten meine Erziehungsmethoden, er wird sich benehmen müssen, der Spanier, Ihr könnt seine Einreise vorbereiten und ihm ein Ticket kaufen!"  

 

Na dann ... jetzt aber haarklein die mageren Informationen über "Gustavo" kreuz und quer und zwischen den Zeilen auf der Seite der Tierschutz-Organisation lesen, zerlegen und studieren, und die wenigen verfügbaren Fotos mehrmals täglich begutachten. 

Er wurde von der Organisation aus erbärmlicher Haltung zusammen mit einer Hündin am 14.08.2021 aufgenommen. Mehrfache Versuche hatten endlich gefruchtet, und der Besitzer konnte überzeugt werden, die beiden Hunde abzugeben. Gustavo, wie auch seine "Schwester" Vicky, ein schon vermittelter, wollig-lockiger Wasserhund, werden vom Tierheim als sehr den Menschen zugewandt, nicht scheu, fröhlich, verschmust und lieb geschildert. Also was reden wir noch herum ... an seinen Taten wird man gemessen.

Gesagt - getan.

Wir signalisieren der Auffangstation unser Interesse.

Und es nimmt seinen Lauf.

 

https://ace-charity.org/

 

 

Wir füllen einen mehrseitigen Interessenten-Fragebogen aus, telefonieren mit einigen belgischen und holländischen Unterstützerinnen der Organisation, liefern Videos von unserem Zuhause inkl. Garten, ziehen uns, bildlich gesprochen, bis auf die Unterhosen aus. Alles wird mit Spanien abgestimmt. Die Entscheidungsfindung läuft, und kurz darauf prangt auf Gustavos Eintrag auf der Website „pre-reservatie“. Aber mal besser nicht zu früh freuen! Nehmen wir auch an, ganz „gute Karten“ zu haben, so wissen wir nicht, ob wir letztlich den Zuschlag bekommen, denn es gibt einige Bewerber für Gustavo. Wir hoffen, dass man uns und unseren Angaben vertraut, denn normalerweise erfolgen Hausbesuche in Belgien und Holland bei den Interessenten, um exakt alles zu sichten und zu prüfen. Wir leben zwar grenznah, aber die Anfahrt wäre schon sehr weit. Auch unser ursprünglicher Plan, den "Kleinen" auf unserer Winterreise direkt im Heim (oder "Refugio", weil's besser klingt) in De Mijas in Andalusien abzuholen, geht leider nicht auf, da wir die Reise aktuell verschieben müssen. Eigentlich halten wir es auch für besser, bleibt ja auch keine andere Wahl, den von der Organisation vorgeschlagenen Weg zu gehen und ihn in Belgien oder Holland abzuholen, damit er nicht direkt in die Enge des Wohnmobils muss, sondern sich in unserem Zuhause erst mal "breit machen" und einleben kann. Er soll ja schließlich nicht den Eindruck gewinnen, Dauercamper werden zu müssen. Obwohl wir Bazou wie auch Chianga jeweils als winzige Welpchen direkt mit auf Tour genommen haben, erscheint uns das mit einem älteren "fertigeren" Hund, der schon geprägt ist und sich noch an wirklich alles bei uns gewöhnen muss, eher weniger gut. Er darf dann im Frühjahr mit auf große Reise, natürlich, was sonst. Wenn er uns denn auch zugesprochen wird …  

 

Warten ist nie schön, die Lebenserfahrung zeigt aber, dass es irgendwann ein Ende hat. Und so auch in diesem Fall. Irgendwann kommt die erlösende Mail: "Aankomst 9 Maart". Endlich! Am 9. März werden 29 Hunde und jede Menge Katzen in 2 Transportern nach langer Reise aus Andalusien in einer Tierpension Nähe Brüssel ankommen und können abgeholt werden. Ist das aufregend ! Schwupp wie auf Knopfdruck sind Wim und ich im Eltern-Modus, durchleben Phasen großer Vorfreude, aber auch gehöriger Bedenken, was wir uns da wohl "antun". Zweifel gibt es nicht, lediglich "Gamaschen" vor unserem Entschluss. Und die werden auch schlagartig bei Abholung bestätigt.

Die vielen ankommenden "Eltern" stehen versammelt erwartungsfroh auf einem kleinen Parkplatz. Einzeln werden sie von Ehrenamtlichen rein in den Garten der Tierpension gerufen. So auch wir. Wir schreiten noch recht gelöst durch das Tor und trauen unseren Augen nicht. Du lieber Himmel, ein Rotweizen farbener Wildfang übt sich im Luftsalto wie ein "Flummi", und das alles an der Leine, ein wild gewordener Handfeger, aber ein Großer. Na, Prost Mahlzeit! Irgendwie haben wir aber keine Zeit, darüber nachzudenken, ob uns das nun überfordert, denn blitzschnell steckt unser Gustavo im Geschirr und seine Leine in Wims Hand. Mir wird ein kleiner Umschlag mit dem Heimtierausweis in die Hand gedrückt und schon stehen wir wieder auf dem Parkplatz. Kurz und schmerzlos. 

Das sieht Chianga, die im Kofferraum wartet, etwas anders, denn als hätte Gustavo ihr schon etwas angetan, faucht sie ihn durchs Sicherungsnetz von hinten an, als er, von Wim geschoben, sich dicht neben mich auf die Rückbank klemmt. So, die Ansage hat er schon mal, aber ohne jede Aggressivität oder Nervosität, nur leicht verschüchtert, schmeißt er sich ohne Frage neben mich, verliert alles von dem "wilden Tier" von vorhin, räkelt sich und sucht den vollen Körperkontakt. Die Rückreise dauert mehr als 2 1/2 Stunden, die er neben mir gekuschelt ohne Ängstlichkeit abreißt. Wir sind ziemlich perplex, aber angenehm, ein herrliches Gefühl ... das lässt berechtigterweise hoffen:


Gustavo ist ein Hund vom Typ "Dabeisein-ist-alles".

Mannomann ... sind wir froh !           

 

So sind auch nach einer problemlosen ersten Nacht im Hundebettchen an meinem Kopfende leinenlose Erkundungen rund ums Haus, in Garten und Wäldchen entspannt möglich, ein Spaziergang im Eifelwald am Bach entlang ebenso und auch das Autofahren auf Rückbank und im Kofferraum. Selbst Büroschläfchen wird schon gehalten, die 2 machen es toll.

Gut, Lektion "Pieseln nur draußen" muss geübt werden, und Chianga muss sich noch etwas gewöhnen, Gustavo wird noch verstehen lernen, wie sie was meint, wenn sie "Klartext" redet - auf Deutsch, nicht auf Spanisch.