12.09.2021 Sonntag
Lange noch wurde im Lokal gefeiert, woran auch der Regenschauer mit Donnergrollen nichts änderte. Heute morgen ist es ziemlich grau. Bestes Wetter für einen Reisetag, heute 200 km, auch wenn wir natürlich lieber im Blauen reisen. Vorbei an den letzten Lichtern im Hafen, die ganz sicher im Laufe des Tages ausgehn, sagen wir dem erlebenswerten schönen nordischen Eiland Saaremaa „Adieu“ und treten die Reise über den Damm, die Insel Muhu und zur Fähre an, ganze 20 km.
Ein Schwung PKW kommt uns entgegen, sicher ist gerade eine Fähre eingelaufen. Dem ist auch so, nur leider ist sie schon voll, wir müssen 1 Stunde warten. Es gibt starkes Wifi im Hafen, so ist die Zeit gut zu überbrücken. Und die nächste Fähre kommt, wir fahren auf und neben uns rollt der rote Kastenwagen, der auch schon diese Nacht neben uns stand. An Deck gehn lohnt sich nicht, so schwatzen wir von Fenster zu Fenster, was sehr unterhaltsam ist, vor allem weil sie auch schon einmal in Marokko waren, allerdings mit Flieger und Zelt.
Die Weiterreise ist ziemlich unspektakulär, die Bilder ähneln sich, der Straßenzustand ist tadellos. Chianga geht es gut, auch wenn sie gelegentlich wie ein Häufchen Elend da hängt. Auslöser dafür ist meist, dass sie den Platz, auf dem Bazou sich befindet, einnehmen will, der ihn aber mit stoischer Ruhe nicht räumt, dann jammert sie rum, die Diva, und wenn ich schimpfe, ist sie betreten-beleidigt. So auch bei der kurzen Kaffeepause in einem kleinen Ort an der Strecke, bei der sich noch etwas Lustiges ergibt, nämlich ein „Concördchen-Suchbild“ …na ???
Irgendwann geht es ab von der Fernstraße zu unserem heutigen Tagesziel, einer alten Mühle. Schmale Straße, ist ja kein Problem für Wim und das Concördchen. Plötzlich unbefestigt, natürlich, hier so grenznah zu Lettland musste ja was kommen, und wir haben noch über 20 km. Der Herbst hat bereits alles fest im Griff, die letzten Zugvögel versammeln sich, und da ist es, mitten hier zwischen dem einen und dem anderen Gebüsch: das Grenzschild zu Lettland. Und wir passieren kontrollenlos und fern der Heimat die Landesgrenze. Das kurze Zwischenstück Asphalt weicht wieder einem schlammigen Schotter, breit und glatt, und an einsamen Höfen und verlassenen Werkhallen und Fabriken vorbei erreichen wir die Mühle am Weiher, idyllisch, leider im suppigen Grau. Wir haben 22 Grad, was es aber im Moment auch nicht besser macht, nur schwüler.
Alles scheint verwaist, meine Rufe im Haus werden nicht erhört. So schlendere ich mit Bedacht etwas durch die Gemächer, rufe hin und wieder „hallooooo“. Nach geraumer Zeit tut sich doch etwas. Jemand, eine weibliche Stimme, ruft etwas Unwirsches und kommt eine Treppe hinunter. Eine ältere Frau, in der gewiss zwei Herzen wohnen, das einer russischen Zarin und das einer französischen Grande Dame, mit langem schwarzen Lederrock, beiger Strickweste und seltsamem Jeanshütchen funkelt mich auf halber Treppe wenig sympathisch mit eiskalten Augen an. Holla die Waldfee, nein, eine Waldfee ist es ganz offensichtlich nicht. Ich wähle kurzentschlossen das Mittel „Lächeln ist die schärfste Waffe“, was zunächst eine Wirkung = Null erzielt. In Art und Weise, Gestik und Gangbild meiner Vorstellung einer Gutsherrin sehr nahe, fordert sie mich zum Folgen auf, nachdem ich ihr, die weder des Englischen noch des Deutschen mächtig ist, bedeutet habe, dass wir gerne mit Womo übernachten möchten. Sie zeigt mir mit gnädigem Augenaufschlag und gönnerhafter Handbewegung Toilette und Dusche, ebenfalls im Außenbereich unseren Platz und den Stromanschluss. Ich übergebe ihr die gewünschten 15 €, was sie mit einem Hauch von sanftmütig-versöhnlichem Lächeln quittiert, erwähnt, dass sie abends 20 Gäste erwarte. Na dann, Liebchen, viel Spaß. Die Situation ist alles in allem grotesk und ulkig, daher bemerkenswert, aber völlig ok für uns, jeder Jeck ist eben anders.
Puuh, wir parken ein. Schön ist‘s hier, wenn‘s nicht so grau wär.
Und schwarze lange Lederröcke zu Kompotthüten aus Jeans find ich echt saublöd.
13.09.2021 Montag
Schauer in der Nacht, Schauer auch jetzt, dicke dunkle Wolken über uns, die nicht ans Weiterziehen denken, sondern eher daran, wann sie ihre Zurückhaltung gänzlich aufgeben wollen. Der Blick durch unsere Windschutzscheibe auf eine Lichtung macht etwas heller: drei Rehe frühstücken.
Wir ebenfalls und Abfahrt, ganze 120 km warten. Im Gegensatz zu Estland wirkt die Landschaft noch urwüchsiger. Föhren und ganz lichte Wälder fehlen zwar, stattdessen durchfahren wir dichte Mischwälder, auch mit vielen Weiden. Auf den fetten Wiesen stehen große Kuhherden. Die Gegend ist leicht hügelig, manches Gehöft liegt in richtiger Senke. Der Straßenzustand ist sehr gut. Schön, trotz schlechtem Wetter, hier herum zu cruisen.
Und der Herbst hat alles fest im Griff. Blätter fallen, die Birken sind durchzogen von goldgelbem Laub, Unmengen Äpfel hängen an den Bäumen in den Gärten der alten steinernen Bauernkaten. Es sind sehr schöne anheimelnde Bilder vom Leben in Bodenständigkeit, idyllisch, aber auch Zeugnisse schwerer körperlicher Arbeit, auch heute noch. Natürlich helfen heutzutage Maschinen, und die Winter sind bestimmt sehr lang, in denen die Landwirtschaft ruht, dennoch muss das ganze Gelände, müssen die riesigen Ackerflächen bearbeitet werden. Wir fragen uns, wie die Familien hier leben, ob beispielsweise mehrere Generationen unter einem Dach leben, man landwirtschaftliche Betriebe als Familie bewirtschaftet. Erkenntnisse können wir bisher auf dieser Reise leider nicht gewinnen.
Ein Abstecher in die größte Storchenkolonie des Baltikums, die als Tipp im Baedeker genannt wird, scheitert. Wir finden sie zwar, aber von angeblich 40 Nestern keine Spur, nur ein paar Plastikkameraden in schwarz-weiß. Störche sind ohnehin keine mehr zu sehen. Sie sind schon seit einiger Zeit Richtung Süden unterwegs.
So haben wir aber wenigstens abseits der Route auf holprigem Asphalt noch ein Dörfchen durchfahren und peilen nun am Raiskuma See den CP Apalkalns an. Tatsächlich lockert die Bewölkung und zunehmend stellt sich immer mal wieder Himmelblau ein. Bergauf und bergab geht‘s auf schmalem Weg und durch das Örtchen.
Abwärts dann zum See hin liegt der Platz. Im Vorbeifahren sehen wir eine größere eingezäunte Wiese mit etlichen Hundespielplatz-Einrichtungen. Wir landen in einem Blumenparadies. Eine Unmenge Hortensien steht in voller Blüte in der perfekten Anlage, die einem Golfplatz gleicht. Wir werden an der Rezeption sehr freundlich empfangen. Die ganze Familie betreibe den Platz, sie würden auch hier wohnen. Du lieber Himmel, ich als CP-Verschmäher, muss hier alles revidieren. Wunderschön wunderschön! Die Fotos können sprechen, sie verdeutlichen anschaulich, in welch herrlichem direkten Umfeld wir nun einparken, und das bei mittlerweile strahlendem Himmel. Unglaublich!
Kurz danach schwankt ein großer Alkoven heran, ein Cruiser, also quasi ein schwerreicher Onkel unseres Concördchens, der winkend und lichthupend grüßt, noch bevor er drei Terrassen entfernt einparkt. Es ist immer wieder schön, Markenfreunde zu treffen, irgendwie verbindet es unterwegs sehr. Niemals zuvor haben wir das mit unseren vorhergehenden Womos so erlebt. Anfangs war es gewöhnungsbedürftig, zwischenzeitlich bereichernd. Ein kleiner Plausch, Austausch über die Route, ein paar Anekdoten über Pleiten, Pech und Pannen, schön, sich mal wieder austauschen zu können nach wochenlanger Einsamkeit in estländischer Wildnis. Viele Grüße daher nach nebenan. Auch an unsere Nachbarn im silbernen Kawa neben uns. Auch hier hatten wir ein lustiges Gespräch über Reisen und Alter und Wehwehchen und Pläne. Angesichts der vielen Klagen, die man so aufliest, über das neuerdings wenig kommunikative Verhalten der Camper untereinander, sind das zwei Paradebeispiele dafür, wie es eigentlich laufen soll, einfach nur menschlich zugewandt, kostet nicht mal was! Und an solch einem Fleck kann man doch nur guter Laune sein .. oder ?
14.09.2021 Dienstag
Eine gute Nacht haben, fällt hier nicht schwer. Beim Schönwetter hapert es etwas. Schwärme großer Vögel sortieren sich am Himmel. Wir planen eine kleinere Radtour, es wird schon nicht aus Eimern gießen. An einem Hüttchen kann man jede Menge Info-Material finden, auch eine Radwegekarte, einfach vorbildlich. Bevor wir losradeln, drehe ich eine Fotorunde über den Platz. Die Waschhäuser werde ich später mal fotografieren. Bisher habe ich sowas nie festgehalten, weil es nicht Sinn unseres Reisetagebuchs ist. Aber ich kann mich nur wiederholen, dieser Platz hier ist eine echte Empfehlung, daher sind für Mitcamper auch solche Fotos interessant.
Hinter dem Ausgang des CP liegt rechts auf einem großen Wiesenstück der komplett und hoch eingezäunte Hundespielplatz. Sagenhaft. Übrigens gibt es auf dem Platz auch eine Hundedusche. Bazou und Chianga drehen eine Runde mit und ohne Gerätenutzung, aber Einkassieren von Leckerchen.
Um die beiden Seen herum führt ein Radweg, Wanderwege gibt es ohnehin reichlich. Das erste Stück geht‘s über die kaum befahrene Landstraße, an einigen Bauernhöfen und am Rand eines Örtchens vorbei, dann rechts ab auf einen Feldweg durch Wiesen und Wälder. Zum Seeufer mit Bänken, Tischen und Grillstellen führen viele kleine Stiche.
Der Wald ist stellenweise total urig und wild mit kleinen Tümpeln und Quellen, der Waldweg ganz schön anspruchsvoll. Man muss schon fest im Sattel sitzen, wenn eine der zahlreichen schlammigen Senken zu durchfahren ist, und mutig Gas geben, denn Absteigen-Müssen wäre fatal.
Alles in allem ist es wiedermal ein „Waldbadevergnügen“ der Extraklasse, auch deswegen, weil die Hunde komplett leinenlos nebenher flitzen können. Es ist richtig deutlich, wieviel Spaß sie am Entdecken und Erkunden haben.
Und langsam verziehen sich die dunklen Wolken, die Sonne blitzt durchs Geäst, der See wird blauer, und wir erreichen wieder die Landstraße. Links am Hügel steht eine kleine Kapelle. Oben angekommen, sehen wir einen großen Friedhof im Wald liegen mit vielen vielen Gräbern im wunderschönen Gelände. Eine große alte Grabstelle einer Familie Vegesack liegt nah am Eingang. Muss sich wohl um bedeutungsvolle Personen handeln. Der Name ist uns zwar bekannt, könnte Deutsch sein, muss nachgeforscht werden.
Am See entlang unterhalb des Dorfs Raiskuma radeln wir weiter. Ein prächtiges, altes großes Gebäude liegt unübersehbar in einem weiten Park zum See hin. Die vor sich hin bröckelnde ockerfarbene Fassade leuchtet im Sonnenschein, die bemoosten Mauern könnten sicher unendlich viele Geschichten erzählen.
Auf einer Infotafel an einer Chorbühne im Grünen zwischen den Blumenbeeten lesen wir zwischen für uns unverständlichen Texten den Namen „Vegesack“. Aha, hier hat also diese Familie residiert. Wir radeln zum Platz vor dem Haus, schlendern über die Terrassen.
Unterdessen fährt ein Auto vor. Eine Frau steigt aus, Tasche und Jacke überm Arm, scheint, sie kommt von ihrer Arbeitsstelle. Sie spricht uns auf Englisch an. Das ist schon ungewöhnlich, nicht das Englisch, nein, das direkte Ansprechen. Sie wohnt hier im Haus, ihr gehört eine Wohnung, weitere 20 Eigentümer würden auch hier leben. Also schon „Leben in der Bude“. Ja, man plaudert so über dies und das, Wohl und Wehe der vergangenen Epochen. Sie ist sehr zugewandt und herzlich. Ich frage sie scherzhaft, ob sie keine Angst habe vor den Geistern der alten Vegesack-Familie. Wir lachen, und sie lädt uns ein, mal bei ihr reinzuschauen. Es sei fast alles noch so, wie es damals gewesen und gebaut worden sei, ich könne getrost auch Fotos machen. Leicht perplex schließe ich mich gerne an. Durch das alte Haustor und den alten Eingangsbereich mit Treppenhaus gehen wir im Erdgeschoss zu ihrer Wohnungstür, eine riesige alte Tür mit ebensolchem Schlüssel. Auch die Beschläge seien alle noch Original. Hinter einer schmalen Diele liegt eine doppelflügelige schwere Tür aus dunklem Holz, dahinter ihr „Esszimmer“, ein großer Raum mit sehr hoher Decke aus massiven Holzkassetten. Ein paar schmiedeeiserne Haken sind angebracht, an denen früher die Kerzenleuchter hingen. Durch ein uraltes Fenster blickt man in den Park und ein kleineres Haus, an dem gebaut wird. Das Haus gehöre ihrem Freund. Ja, wir machen Spaß, wie gut es sei, den Freund nah, aber doch mit Abstand bei sich zu haben. Das Thema „bei sich haben“ wird plötzlich sehr ernst, als sie mir erzählt, ja, ihr ehemaliger Mann sei gestorben. Und sie geht zu einer Anrichte, auf der eine kleine Holztruhe mit geschnitzter Front, dem Abendmahl, steht. Das sei die Urne ihres Mannes. Er sei an Krebs innerhalb kürzester Zeit hier im Haus in ihren Armen gestorben. Wir tauschen uns noch lange aus in dieser sehr intimen Atmosphäre über Leben und Liebe, ich danke ihr sehr - weit über den Besuch jetzt hinaus - für die Herzensnähe und die Gelegenheit, meinen Eindruck über die Menschen hier im Baltikum zu korrigieren. Nun ja, kleine Begebenheiten auf unseren Reisen verschaffen uns eben „nur“ einen Eindruck, der nicht allumfassend sein kann und auch nicht stimmig sein muss, dennoch da ist. Jenseits jeder Verschlossenheit lernten wir aber nun einen Menschen kennen, der letztlich anmerkte, dass er um die abweisende Haltung der Menschen hier wisse, diese aber gar nicht schätze. Danke <3.
Unsere Tour geht, auf Empfehlung von Gundila (ist sicher nicht korrekt), weiter zu dem kleinen Laden im Ort, der selbst gebrautes Bier in Liter-Flaschen verkauft. Ja, das dürfen wir uns doch nicht entgehen lassen. Also wird alles für einen „schönen Nachmittag“ eingesackt: Bier, Knackwürstchen, Knoblauchbrotstreifen. Bei inzwischen windstillem wunderschönen Wetter radeln wir zum Womo zurück und verbringen in echt fröhlicher Runde ein paar Stündchen mit den Ruhrpottcruisern und den Sauerländern. Ihr Lieben, es war super … und da geht noch mehr, hoffen wir, irgendwann.
15.09.2021 Mittwoch
Regenwolken, die nix tun, hindern uns leider leider am Auslaufen mit den Rädern oder an sonstigen Aktivitäten. Stattdessen planen wir die weitere Reise und genießen die schönen Aussichten auf dem Platz bei zunehmend blauerem Himmel. Ich schau mir noch kurz das Waschhaus an. Es ist ordentlich, zweckmäßig, mehr nicht, fällt schon sehr ab im Vergleich zu der bombastischen Anlage hier.
Nachmittags schmeißen wir die Faulheit über Bord. Im Dorfladen bunkern wir vom köstlichen Gebräu, wirklich lecker vollmundig süffig. Die Runde um die Häuser ist sehr schnell gemacht, es gibt nur sehr wenige. Einen großen mehrstöckigen Bau umkreisen wir noch, ein Internat für körperlich und geistig Behinderte, wie uns etwas später ein junger, perfekt Deutsch sprechender Mann erzählt. Er habe damals in der Kindheit, da die Eltern eine Satellitenschüssel gehabt hätten, immer RTL geguckt im TV, alle Trickfilme, und so Deutsch gelernt. Unglaublich. Hier sei sein Heimatdorf, er lebe nun in Riga.
Auf dem Weg zum Womo stoppen wir am „Hundegehege“. Ein paar Übungen werden durchgezogen, die die beiden mit Lust und mit Unlust absolvieren oder eben nicht. Manchmal zum Schlapplachen.
Und das Tagwerk wäre damit vollbracht für heute. Sonnesitzen und Aperol trinken fällt nicht mehr unter Arbeitstätigkeit. Morgen geht‘s weiter. Vermutlich wird es dann unsere letzte Station auf lettischem Boden sein.
16.09.2021 Donnerstag
Froh gelaunt und „Fahrgestell“ in Ordnung, was nicht immer der Fall ist, da wir doch gelegentlich mit Wehwehchen aufwachen, mit denen wir abends zuvor nicht ins Bett gegangen sind, richten wir alles für die Abreise. 260 km soll uns die heutige Etappe weiter bringen. Wim startet den Motor und lässt die Pumpe laufen, die die Bälge hinten wieder in normale Fahrposition bringt, er hat das Concördchen nämlich hintenrum abgesenkt, um es in eine gute gerade Position hier auf dem Plätzchen zu bringen. Klappt alles, aber mit nur minimalem unzureichenden Effekt. Also nochmal neu starten. Und: nix. Ein kleiner „Würger“, das war‘s. Ja sag mal, was ist denn mit dem Concördchen los? Auch mit Problemen wach geworden, die es abends und Tage vorher nicht hatte? Wie der Herr so das Gescherr? Nun komm aber mal in die Gänge. Nein, es kommt nicht. Der Motor springt nicht an. Ein kleiner „Klick“, dann Stille, zumindest unter der Haube. Allerdings tut sich stattdessen jede Menge im Display vom Armaturenbrett: ein wirres Geblinke und Geklicke aller Symbole, grell rot und orange, und dann die Meldungen, wie bei NTV in der unteren Zeile, dieses Laufband: Zündung defekt, Bremspedale irgendwas, Handbremse defekt, zu wenig Sprit, Getriebe defekt. Alles wird aufgefahren. Schonungslos. Concördchen ist vermutlich gestorben gerade im Moment. Unsere Gesichter kann man sich lebhaft vorstellen vor dem Hintergrund, dass wir vor 3 Tagen ein total rundlaufendes motorbetriebenes Vehikel hier abgestellt und zudem an Landstrom gehangen haben, das lt. Bordcomputer über 100 % Batterieladung verfügt. Was nun?
Erstmal begibt Wim sich zur Rezeption. Da kommt sofort Hilfe. Man rückt mit Überbrückungskabel an. Leider bleibt die Intervention erfolglos. Ich rufe den ADAC an, werde locker 5 x aus der Leitung geworfen nach ellenlanger Warteschleife, aber erreiche dann doch einen der gelben Engel. Sehr flott meldet sich eine Stelle hier aus Lettland, Verständigung war recht schlecht, aber letztlich wussten wir beide ja, worum es im Grunde geht. Und auch wieder recht flott kommt ein Mann im normalen PKW angeflitzt, klemmt sich unter die Haube, überbrückt, klemmt eine „Außenbordbatterie“ zusätzlich an, nun sollen wir 4 Stunden mal abwarten, er käme wieder. Tun wir auch, weglaufen ja unmöglich. Der Mann vom Platz kommt igendwann, klemmt alles ab, neuer Startversuch, nichts. Er ruft den Mechaniker an, er wird kommen. Mittlerweile ist es nach 18 Uhr. Wim ist schon der Meinung, das wird heute nix mehr. Aber falsch. Kurz darauf erscheint der Mechaniker mit einem weiteren Kollegen. Nun stecken sie beide unter der Haube. Sie rumoren unter meinen Füßen, gucken hin und wieder raus, Gesichtsausdruck eher weniger positiv. Die Batterie wird durchgeprüft, völlig ok. Irgendwann wird um Startversuch gebeten. Siehe da, Motor springt zwar immer noch nicht an, aber dieses „Armaturenbrettflimmern“ ist weg, die Anzeigen sind fast wieder normal, und gerade kann ich noch zu meiner Erheiterung sehen „Getriebe ok“, dann ist wieder alles weg.
Lange Rede, kurzer Sinn: es wurden alle Kontakte kontrolliert, von Korrosion und Belägen befreit, neu und fest wieder angeklemmt, und „zack“, plötzlich ist alles wieder so, wie es sein muss: die Punkte des Programms werden im Display durchlaufen, mit „ok“ bestätigt, und es wird gezündet. Auch die Bälge lassen sich wieder füllen.
Also: Sollte ein Mitcamper auch mal solch ein „Armaturenbrettflimmern“ feststellen, einfach im Starterbatteriebereich feucht durchwischen, dann läuft‘s wieder.
Mannomann, sind wir froh! Man muss wissen, dass wir aus dieser Senke nicht ohne gravierende Erdarbeiten heraus gekommen wären, denn durch das hintere Absenken war natürlich viel zu wenig Abstand zur ansteigenden Einfahrtsrampe auf den Weg. Und vorne raus zur Wiese wäre es nicht möglich gewesen wegen der erheblich zu steilen Abbruchkante.
Unterdessen leisteten die Freunde der Facebook-Gruppe unterstützende Hilfe durch echt tolle Ferndiagnosen, die dafür sorgten, dass Wim nervlich noch gut alles verkraften konnte in diesen schwierigen Stunden. Und die „alten Hasen“ hatten recht mit ihren Diagnosen. Auch an dieser Stelle: von Herzen DANKE !
Nun sind wir wieder etwas klüger, pfeifen uns einen Liter Bier aus der Dorfbrauerei rein und einen fetten köstlichen Burger aus dem Lokal am Platz. Junge Junge, Tage gibt‘s, da leistet man nix und fühlt sich trotzdem wie nach einem Ritt quer durch die USA.