14.06.2025 Samstag
Nach Norden geht es. Auf der Flucht so etwas vor der irren Hitze zieht es uns weg aus L‘Isle-sur-la-Sorgue. Gut 160 km nördlich hoffen wir, etwas erträglichere Temperaturen und schöne Ziele zu finden. Zwei Routen schlägt Navi-Rüdiger vor, eine entlang der Rhone, die andere durchs unbekannte Inland. Zeitlich nehmen sie sich nichts, Entscheidung fällt daher auf Inlandsroute. Lavendelfelder begleiten uns, füllen das Concördchen in jede Ritze mit dem Duft. Motten werden wohl über Jahre nicht einziehen wollen.
Wilde Flüsse und kleine Örtchen passieren wir, häufig eng, Ortskerne dunkel im Schatten riesiger Platanen liegend, dass man kaum ausmachen kann, welche der engeren Abzweigungen man nehmen soll. Glücklicherweise verfransen wir uns nicht.
Einige Male muss gestiegen werden, bevor es wieder abwärts geht. Wenn keine Lavendelfelder an der Straße liegen, dann Weinreben, manchmal beides, so weit das Auge reicht. An unscheinbaren aber auch noblen Weingütern fahren wir vorbei. Auf Degustation wird reichlich hingewiesen.
Die Bergrücken werden höher, ziehen sich schroffer weit an der Route dahin. Der Landstrich ist äußerst abwechslungsreich, und wir sind sehr froh, diese Strecke gewählt zu haben, weil wir wieder tolle Eindrücke von der Provence gewinnen, vermutlich ganz anders als über die flache Rhone-Route.
Kleine Unsicherheit fährt mit, da der gestern per Mail angefragte CP in der Nähe von Crest bisher nicht geantwortet hat. Es könnte sein, dass nichts frei ist. Wir probieren es einfach und lassen uns den wunderbaren Landstrich jetzt nicht vermiesen.
Nach gut 3 Stunden und unendlich vielen Beruhigungshubbeln nähern wir uns dem Städtchen Crest und kommen nach einem Einkauf im Supermarkt am CP Gervanne in Mirabel-et-Blacons an. Wie im Netz beschrieben, werden wir richtig herzlich empfangen, Platz für uns ist vorhanden.
Wir werden eskortiert, es geht abwärts zum Flussufer, der CP ist total grün, hohe Bäume, Blühendes, Dekorationen, wirklich sehr liebevoll und hübsch alles. Mittendrin wäre eine Lücke, aber unten am Fluss auch noch. Und das muss uns nun keiner zwei Mal anbieten, natürlich direkt dorthin. Auf einem breiten Wiesenstück findet sicher eine Oldie-Club-Versammlung statt, Käfer und Bullys stehen dicht geparkt, und auch ein paar andere Oldtimer. Keine Frage, man räumt für uns auf Geheiß unseres tollen Eskortmannes die komplette Fläche, völlig problemlos und galant, und wir dürfen einfädeln auf Platz 1 am Ufer der Drôme. Wahnsinn! Wer hätte das gedacht? Paradies!
Auch hier ist es heiß, aber unser von Bäumen super beschatteter Platz und die vom Fluss kommende Frische lassen alles ertragen. Wir richten uns ein und lassen uns sofort in die Fluten zischen. Meine Güte, welch eine Location, welch ein Erlebnis. Es geht doch nichts über Flussbaden. Und das genießen sehr viele. Weit hinauf und hinunter ziehen sich die Badegäste wie bunte Kleckse am Ufer und im Wasser der rasant dahin fließenden Drôme.
Nach und nach verabschieden sich die Oldtimer-Freaks nach etlichen lustigen Gesprächen, wir haben unsere Ecke für uns alleine und verzehren die erste „Tarte Tropezienne“ der Saison, dieses fluffige, mit Streuselzucker überzogene und, ich sag mal „leichter“ Creme gefüllte Gebäck, das auf der Zunge zergeht. Und morgen wird geradelt, die „Velodrôme“ lädt dazu geradezu ein.
15.06.2025 Sonntag
Eine Mitcamperin informiert uns über alles Mögliche, u. a. den heute in einem Nachbarort stattfindenden Marché. Ja, warum nicht, schon lange keinen Marché mehr besucht, und ein Ziel beim Radeln ist doch immer gut. Aber morgens ist zunächst ein Bad im Fluss an der Reihe. Sagte ich schon, dass ich das liebe? Noch kein Mensch unterwegs, obwohl schon halb 10, so haben Chianga und ich den Fluss für uns alleine. Eine Wohltat, eine frische. Die hält wenigstens an, im Gegensatz zu einer schnöden Dusche. Vor allem an der Ecke im Mündungsbereich der Gervanne in die Drôme, da strömt es so richtig, da sind Massage und Lymphdrainage frei Haus inklusive.
Inzwischen hat Wim das Sonntagsfrühstück angerichtet und die Räder stehen parat. Die Damen brauchen nur Essen fassen und aufsatteln. Wenn wir Wim nicht hätten … dann könnten wir uns jetzt alleine durch die Lavendelfelder schlagen, durch die der herrliche Radweg führt. Hohe Berge rahmen alles ein, die hoch oben liegenden tollen Anwesen genießen sicher weite Blicke ins Vallée du Drôme und die türkisblauen Fluten, die sich durch das breite Flussbett aus fast weißen Kieseln schlängeln. Es ist ziemlich bedeckt heute, zwar nicht sehr schwül, trotzdem heiß, ein Gewitter könnte in der Luft liegen. Seltsam ist, dass die Lavendelfelder richtig dunkel wirken, Strahlkraft erkenne ich wenig. Möglicherweise sieht das anders aus, wenn der Himmel blau ist. Hoffen wir, dass wir das noch erleben dürfen. Ggf. liegt es auch daran, dass der Lavendel natürlich noch nicht voll aufgeblüht ist, zwar blaue Blüten trägt, aber diese noch überwiegend geschlossen sind.
Nach gut 10 km erreichen wir das Örtchen Saillans. Es scheint recht groß und durchzogen von richtig engen Gassen. Den Markt verfehlt man auch hier nicht, denn immer der Meute nach ist nicht falsch und von Erfolg gekrönt. Anders als auf den beiden anderen Märkten können wir hier ziemlich problemlos mit Rädern und Hänger durchschieben, obwohl die Lokale ihre Tische komplett auf die Gasse gestellt haben.
Es herrscht eine deutlich gelassene, eher gechillte Stimmung. Auch das Publikum ist sehr viel anders. Wir sehen viele alternativ angehauchte Leute, es wirkt zum Teil esoterisch. Möglicherweise ist auch eine künstlerische Szene hier zuhause oder Leute, deren Lebensziel das Canyoning ist oder sie einfach noch auf der Suche nach dem Lebenssinn sind. Etwas irritierend wirkt das Ganze nach einer Zeit des Herumschlenderns. Jedenfalls fasziniert es auch irgendwie diese Einteilung quasi in zwei Schubladen: „Rastalocken-Pluderhosen-Typen“ und „Trecking-Schlappen-Touris“. Auch kann ich den Grund für das auffällige Gechillt-Sein nicht ergründen. Liegt es wirklich am Total-Runterkommen oder ist nicht doch ein aufhellendes „Mittel“ im Spiel?
Egal, der Markt ist nett, mal etwas anders, viele Hunde sind unterwegs, mal mit, mal ohne Leine, Wim schenkt mir ein Sonnenhütchen aus Seegras, er trinkt ein „Sturmbio“-Bier, und ich nehme zum Wasser eine Pavlova, wollte ich schon immer mal probieren. Während die Händler zusammenpacken, kaufen wir noch flott 2 Melonen, kreuzen die Gassen des Örtchens und begeben uns auf den Rückweg.