belgische Ardennen ~ Nismes

06.06.2024 Donnerstag 

Strahlend blau begrüßt uns der neue Tag. Allerdings sind nachts scheinbar verspätete Eisheilige über die uneinnehmbare Stadt hergefallen und haben die Temperatur auf gerade mal 4 Grad niedergeschlagen. Sie hat sich jetzt auf frische 8 Grad im Womo hochgehangelt. Auch der Gärtner der Sternenstadt hangelt sich hoch, nämlich auf seinen Balkenmäher und glüht selbigen schon mal vor. Wim, in dem sich immer mal wieder der Gärtner meldet, der genau weiß, wie ätzend es ist, um Hindernisse herum mähen zu müssen, parkt unser Concördchen vorsorglich etwas um mit mehr Abstand zum Grünstreifen. So kann er beruhigt frühstücken. Nach einer kurzen Runde mit Chianga um die Befestigungsecken sind wir startklar und steuern zunächst ein ehemaliges kleines CP-Gelände um die Ecke an, das umgebaut wird, auf dem man aber noch entsorgen kann. Danach halten wir am Carrefour an, fassen Diesel, Grillhähnchen, Baguette, Müllbeutel. Und natürlich, erwähnen muss ich es eigentlich nicht: Paté, Rillettes, Terrine. Also immer noch und immer wieder verströmen diese Fleischprodukte in diesem herrlichen Steingut einen kolossalen Reiz mit enormer Anziehungskraft. Steht man da so vor der duftenden Wursttheke Auge in Auge mit einem ein langes Messer schwingenden strahlenden Metzgergesellen, wagt man es kaum, davon nichts zu nehmen. Und man erkennt deutlich, dass hier das Sprichwort geboren sein muss: „Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach“. Während mir die Kundin hinter mir wohlwollend zwinkernd versichert, bestmöglich gewählt zu haben, wandern vier Sorten fein verpackt in meinen Wagen. Auch eine Flasche Bier für Wim kommt dazu, nämlich eine Flasche vom sehr historischen Rocroi-Bier, das sozusagen seit Anbeginn der Welt mit außergewöhnlichem feinsten Geschmack gebraut und liebevoll „Bernsteinbier“ genannt wird. Gestern bei unserem Rundgang hatten wir total vergessen, es irgendwo zu probieren. Heute kommt es immer noch gelegen und wird später bei einem Picknick gesüffelt, das wir kurzentschlossen als Ziel für heute eingeschoben haben an einem Punkt, der sich „Fondry des Chiens“ nennt. 20 km sind es wiedermal nur. Das ist wirklich die Tour der kurzen Wege, auch mal entspannend schön. Trotzdem muss das Land gewechselt werden. Von Frankreich geht‘s nach Belgien.

Vor dem Örtchen Nismes geht‘s hinauf in Wiesen und Wälder. Google maps und andere Quellen lassen offen, ob ein Concördchen anfahren kann oder besser nicht. Schwach zeichnet sich auf der Karte ab, dass irgendwo eine breitere Ausbuchtung sein könnte auf halber Strecke zum eigentlichen Zielpunkt. Wir gucken von der Rue Grande kommend rechts um die Hausecken, steil geht‘s bergan, wir biegen trotzdem ab. Concördchen schnauft, wir ziehen selbstbewusst - mit nur kleinem Stoßgebet - durch die hohle Gasse in der Zuversicht, dass da jetzt gerade keiner entgegen kommen wird. So ist es auch. Entgegen kommt keiner, aber auf der breiteren Stelle, die zudem total schräg ist, parken schon PKW. Wir rangieren etwas, wenden und klemmen uns passgenau an die Böschung. Wer sagt‘s denn. Alles gut gegangen. Wanderung ist angesagt, Rucksack wird gepackt, Stöcke greifen, festes Schuhwerk, und ab ins Gebüsch mit uns.

Nach einem knappen Kilometer vorbei an Tausenden eingesponnenen Raupen erreichen wir einen Ort, der für die Ardennen-Region und die Wallonie einzigartig ist, eine Art Canyon, zwar in Miniatur, dennoch beeindruckend. Wie aus einem anderen Universum stammend, stehen wir plötzlich vor den Fondry des Chiens, einer bizarren Kalkfelsen-Landschaft, die man hier umgeben von dichten Wäldern wirklich nicht vermuten würde. Der Ursprung dieser Felsformationen geht auf viele Tausende Jahre Wassererosion zurück. Kalkgestein schwemmte sich aus, Granit überdauert. Man kann darin herumklettern und die kleine Schlucht durchstreifen. 

Rundum summt und brummt es. Viele Wanderpfädchen führen durch wunderschöne Blumenwiesen. Ambitionierte Wanderer, zu denen wir uns nicht zählen, finden zahlreiche kilometerlange Wanderrouten, wir nehmen die moderate von 4 km, lassen uns das Picknick mit Bernsteinbierchen am felsigen Abgrund trotzdem munden. 

Auf dem Rückweg entscheiden wir uns nach Abfahrt über die schmale Dorfgasse nach rechts abzubiegen und den Ortskern anzufahren. Eigentlich soll sich hier ein SP befinden. Wir nehmen eine kleine Brücke, und da haben wir es mal wieder: nichts erwartet und super bedient! Malerisch am Flüsschen sind Parkbuchten für Womos angelegt, selbst Entsorgung gibt es, 7 € für 24 Stunden, rückwärts einzuparken. Perfekt. Schöne Häuschen säumen die Straße, Fahnen flattern auf der Brücke, eine Kirche auf 12 Uhr, ein munter plätscherndes Bächlein treibt ein großes Mühlrad an und beschallt den Platz mit Tönen wie aus einer anderen Epoche. Aufatmen. Das sind die Momente, weswegen wir das Reisen mit Womo so lieben. 

Nach einem Kaffeepäuschen am Womo im warmen Sonnenschein schlendern wir noch etwas um die Ecken. Lesen kann man, dass das große Mühlrad gespeist wird vom unterirdischen Fluss L'eau Noire, der nur ein paar Meter weiter aus dem Fels hervor springt und niemals trocken ist. Mit irgendeiner zusätzlichen elektrischen Vorrichtung bringt das Rad doch tatsächlich ein ganzes Jahr lang Strom für 7 Haushalte. Erstaunlich. Toll ist auch das herrliche Château am Ufer des größeren Flüsschens, an das sich ein weitläufiger Park anschließt. Schon spannend, was sich einem in so einem vermeintlich kleinen „Nest“ plötzlich so eröffnet. Dazu gehört auch, dass holländische Mitcamper sich auf den Platz dazu gesellen und sich rein zufällig herausstellt, dass beide aus Katwijk stammen und dort aufgewachsen sind … wie Wim. Auch erstaunlich. So wie die „mittlere“ Portion Fritten, die Wim später für uns um die Ecke holt, zwei ordentliche Tüten voll, transportsicher im Karton verpackt. Weiß der Geier, wie eine „große“ Portion ausgesehen hätte, sicher hätte die nur noch mit der Sackkarre zum Womo verbracht werden können. 

07.06.2024 Freitag

Es klappert die Mühle am rauschenden Bach … klipp klapp. Ja, geräuschempfindliche Zeitgenossen könnte es nerven, dieses Geräusch, das eher nach einer vorbeiziehenden kleinen Dampflok klingt. Uns gefällt es, hat jedenfalls den Nachtschlaf nicht gestört, im Gegenteil. Denn erst um halb 9 kommen wir in die Gänge und Chianga liegt immer noch im Bett wie ein Brot im warmen Ofen. Die Sonne scheint, mehr geht für den Moment nicht. Dennoch lockt wieder die Ferne, na ja, gut, wie fast alles auf dieser Tour, liegt das Tagesziel heute auch nur die üblichen 20 km entfernt, nein, um genau zu sein, sogar 25! Nicht zu glauben. Also Aufbruch. Wir verlassen unser Plätzchen am Mühlrad und unter den Augen eines schwertschwingenden, an 1914-18 erinnernden Engels mit Stahlhelm und nehmen, während die ersten Mountainbiker sich forsch parat machen, über die Brücke an sehr interessanter Glasentsorgung vorbei Fahrt auf nach oben zur Hauptstraße dem nächsten Ziel Givet entgegen.