belgische Ardennen ~ Bouillon

02.06.2024 Sonntag

Eine sehr friedliche Nacht liegt hier auf dem Parkplatz an der Abtei d’Orval trotz Straßennähe hinter uns. Allerdings zeugen herumflatternde Papiertücher davon, dass auch nachts Verkehr geherrscht haben muss. So ist es nun mal im Leben, die einen dürfen schlafen, die anderen müssen sich mühen. Wer nun das bessere Ende erwischt hat? Endlösung findet sich gerade nicht, und wir verlassen unser Parkplatzeckchen. Das nächste Ziel ruft, unüberhörbar, liegt es doch nur 35 km entfernt. Es ist das unweit der Grenze zu Frankreich liegende Städtchen Bouillon, auch „Perle der Semois“ genannt, ein wohl attraktives Reiseziel. Ja, Bouillon kann man nicht nur löffeln, auch besuchen. Bisher kannten wir nur diesen Bouillon in Tassen mit mal mehr mal weniger Fettaugen. Und nun erreichen wir schnell nach einer Abfahrt, bislang meist über gute Straßen und auf einer Höhe zwischen 350 und 450 m fahrend, das Örtchen im tiefen Tal der Semois, die sich als eine schöne Laune der Natur im engen Bogen um die Stadt legt. Durch den Frankrijkpoorttunnel hindurch, hoch über uns unübersehbar thronend eine mächtige Festung, landen wir am Ufer der Semois. Nach kurzem Zweifeln, ob wir nun die steinerne Pont de Cordemois überqueren dürfen, folgen wir doch den Anweisungen unseres Rüdigers und erreichen wohlbehalten das andere Ufer und unseren Platz für die Nacht. An den Flusswiesen liegt er ganz schön am Rande eines mit „Teppichstangen“ für Womos abgeriegelten Parkplatzes. Wir schaukeln auf dem gesandeten Weg, der eindeutig bessere Zeiten gesehen hat und förmlich nach einigen LKW-Ladungen Split schreit, in eine der freien engen Parkbuchten. Vor uns liegt eine Seenplatte, gefolgt von einem kleinen Wiesen-Bolzplatz, der am Flussufer endet, Jungs spielen Fussball, Eltern verpflegen. 

Neben uns rüsten Kawa-Insassen sich und ihre Mörder-Bikes auf wie wohl ehemals Ritter für eine Schlacht. Ja, sie ziehen in eine Schlacht, eine Schlamm-Schlacht wie sie uns lustig beschreiben. Denn in der felsigen direkten Umgebung gibt es nicht nur einen phantastischen Burgblick, ein Wasserfällchen und leuchtend pink blühende Fingerhüte, sondern auch enorm anspruchsvolle Mountain-Bike-Routen über mehrere hohe Kuppen hinweg und in tiefe Täler hinein. Da lässt sich wohl einiges mit Freude und Adrenalin abreiten, uphill und downhill. Anerkennend nickt man auch unseren, von Wim inzwischen parat gemachten Bikes zu, wünscht einen guten Tag, alle radeln los, sie ins Gebüsch, wir Richtung Städtchen, allerdings ohne Helm und ohne Kinnschutz. Wenn das mal gutgeht mit uns! Denn die Strecke wird anspruchsvoll ;-). 

Nachdem wir am Ufer etliche farbenfrohe Marktstände, die zum Teil Erinnerungen an Südfrankreich wecken, und blumengeschmückte Gassen und Plätzchen passiert haben, müssen wir hoch hinauf in diesem Städtchen, dem im 18. Jahrhundert mit seiner Buchdruckerkunst ein kultureller Aufschwung gelang, nachdem hier ein gewisser Pierre Rousseau aus Toulouse endlich seine künstlerische Freiheit fand und die Société typographique de Bouillon gründete, die schnell in ganz Europa Bekanntheit erlangte und sich mit dem Druck von Schriften und Büchern zu den unterschiedlichsten Themen wie Politik, Wissenschaft und Philosophie befasste. In halber Höhe wird erstmal verschnauft an der Église Saints-Pierre-et-Paul. 

Weiter gehts einen letzten Stich hinauf und wir stehen vor der langgezogenen mittelalterlichen Festung, deren Ursprung auf das 8. Jahrhundert nach Christus zurückgeht. Sie zählt zusammen mit der Burg von Sedan, der wir auf unserer Tour auch noch einen Besuch abstatten wollen, zu den spektakulärsten Bauwerken des Mittelalters und ist eine der interessantesten Burganlagen Europas. Sie war Stammsitz des berühmten Gottfried von Bouillon, bevor dieser als Ritter vor mehr als 1000 Jahren zum ersten Kreuzzug aufbrach. An der ersten Zugbrücke ist für uns allerdings Schluss: Hunde verboten. Nun gut, glücklicherweise sind wir in einem Alter, in dem man landläufig betrachtet schon zig Burgen bewundern durfte. So schmerzt es jetzt kaum, einfach nur auf den Genuss der herrlichen Aussicht beschränkt zu werden und haben Spaß bei der folgenden rasanten Abfahrt. 

So beschaffen wir uns in einer Patisserie einige Leckereien für unseren Sonntagnachmittagskaffee, radeln außerhalb des Städtchens am mäandernden Flüsschen entlang zu der in dieser Woche leider geschlossenen Abtei Notre Dame de Clairefontaine und machen es uns später im Concördchen gemütlich. Auch wenn uns das Wetter besser und vor allem blauer hätte mitspielen können, so war es doch ein gelungener regenfreier Tag. Wir wollen nicht darüber nachdenken, was hier bei bestem Wetter gebacken ist, da werden Touristenströme jedes Flussbett sprengen. Und morgen sehen wir weiter.