Geiselwind und Unterfranken

18.07.2020 Samstag

Der alte Turm vor uns ist heute nicht, wie bei Ankunft, regenverhangen, blauer Himmel und sonniges Wetter. Wir reisen heute weiter. Wie gestern abend noch abgesprochen, werden wir beim neuen Concorde unserer norddeutschen Vorbesitzer einen Fotostopp einlegen. Ist doch eine herrliche Gelegenheit, beide Womos zusammen mit dem Paar, Wolfgang und Anke, zu fotografieren. Die Neue, da „Diva“ genannt, und der Ex, da „Dicker“ getauft, sehen zusammen toll aus. Wir haben alle Spaß miteinander, auch wenn, wie mir scheint, bei Anke leichte Wehmut mitschwingt. Eine sehr lustige Runde verabschiedet sich hier voneinander, zusammen auch mit den beiden Daniela und Thorsten, der uns nun immer noch nicht sein pinkfarbenes Shirt vorgeführt hat. Irgendetwas bleibt doch immer auf der Strecke.

Und Strecke wird heute gemacht, na ja, nicht sehr weit. Es geht nach Geiselwind, ein nächster Punkt auf unserer Extrawurst-Tour. Lagerverkauf Concorde. Da wir für den Umbau unserer Treppe zum Bett noch Material brauchen, ist es sehr passend, dass dieser Termin bei Concorde gerade in unsere Reisezeit fällt. Über den Main hinweg geht‘s auf der AB unterhalb Würzburg Richtung Nürnberg durch landschaftlich schönes Gebiet. Sonnenblumenfelder oft soweit das Auge reicht. 

In Geiselwind stehen vor einer großen Lagerhalle etliche Concorde. Rainer, ein Mitglied aus einer Facebook-Gruppe, begrüßt uns. Wir freuen uns darüber, ist doch immer schön, freundlich miteinander umzugehen, wenn‘s um unser gemeinsames Hobby geht. Auf der Wiese gegenüber stolzieren einige Störche, völlig unbeirrt suchen sie den Wiesengrund nach Fressbarem ab, es kann sie nichts stören offenbar. Bis Bazou meint, er müsse einen kleinen Spurt einlegen, erst dann schwingen sie sich in die Lüfte. Ich kann mich nicht erinnern, einem Storch schon mal so nahe gekommen zu sein.

In der Halle findet sich Vieles, Winziges und Riesiges. Schrauben, Dichtungen, Fenster, Türen, Leitern, Verkleidungen, Gardinen, Markisen, Tischplatten, Kopfstützen, Polsterteile, Spülen, Herde usw. usw.. Von unserem Holz gibt es einiges. Wir finden sogar eine einsam vor sich hin staubende Stufe eines Liners, die perfekt in unsere Ecke passt, es ist wiedermal nicht zu glauben. Im ganzen Lager gibt es nur diese eine. Vermutlich hat sie auf diesen Tag gewartet. Eine Art Nachttischchen steht ebenfalls herum, nur dieses eine, auch wieder exakt zu unserer Baureihe passend. Ja, was wollen wir mehr. Glückstag, und ab damit auf die Sackkarre. Wim verstaut die Holzplatten, in reichlich mitgegebener Noppenfolie gut verpackt, in der Heckgarage. Ich lass Stufe und  Nachttischchen Katzenwäsche angedeihen und setze sie im Womo direkt an Ort und Stelle. Kurz fixiert hoffen wir, dass sie kleinere Bremsmanöver überstehen. 

Und nun, wohin jetzt? Rainer gab uns einen guten Tipp für das Main-Ufer. Aber es ist mittlerweile Nachmittag, und wir vermuten, dass gute Plätze in disponierten Lagen völlig überfüllt sind. Ein Blick ins Internet und ein schöner Platz bei einem Winzer bietet sich an, aber da ist auch einer an einer alten Stadtmauer in einem wohl schönen historischen Städtchen. Den wählen wir. Flott erreichen wir wieder durch sehr schöne Naturlandschaft mit wunderschönen Dörfchen und Kirchen, vorbei an zahlreichen Wegkreuzen und großen Gehöften, den Ort Iphoven. 

Am Rand eines großen Parkplatzes wurden tolle Parkmöglichkeiten für Womos angelegt. Toiletten gibt es, man kann ver- und entsorgen. Und das alles kostenlos. Wir haben wieder viel Glück und erwischen einen Außenplatz, die letzte freie Lücke überhaupt. Weiter ankommende Womos stellen sich auf den Parkplatz, was auch erlaubt ist. Hochsommerlich warm ist es, die Nachbarn sind sehr gesprächig und freundlich, eine lustige Runde ergibt sich, wir sitzen in der Sonne, genießen ein Glas Wein und die heutigen glücklichen Fügungen. Wim radelt noch zum Bäcker, brutzelt uns zum Abendessen Frikadellen und bastelt mit Brötchen, Salat und Remoulade einen Burger. Passt gut und schmeckt gut. Morgen werden wir uns hier mal umschauen mit Rad und Hund und Hänger. 



19.07.2020 Sonntag

Heiß, Sommer. Klimaanlage wird wohl irgendwann auch her müssen. Würde zwar gut zu Sinn und Zweck unserer aktuellen „Extrawurst-Tour“ passen, aber man kann sich nicht immer um alles kümmern. Unser Concördchen schwächelt leicht, was die Aufladung der Batterien angeht. Das werden wir beobachten. Ansonsten sind wir immer noch und immer mehr sehr begeistert vom Reisen in und mit ihm. Schon schön alles. Auch die Radtour, die sich nach einem geglückten Omnia-Testlauf mit Brötchen zum Frühstück anschließt, ist einfach nur herrlich und erlebenswert. Felder, Weinberge, Wälder, Wiesen - alles ringsum reichlich vorhanden. Der erste Stopp an einem Kneipp-Becken mitten in der Natur verfehlt nicht die Wirkung. Es zischt beim Eintauchen der Füße. Ein wanderndes Männergrüppchen zieht sich das erste Fläschchen Bier am Wasserbecken rein, es wird lustig auf Pfarrer Kneipp angestoßen, Kurmaßnahme von innen und außen. Die Hunde flitzen streckenweise nebenher, dann wieder im Hänger. Es ist bei mittlerweile 30 Grad zu heiß, um sie so total enthemmt rumsausen zu lassen. Im Hänger sind sie wenigstens etwas geschützt. 

Vom Wiesenland geht‘s hinüber in die Weinberge. Auch hier kann man endlos radeln. Steil geht‘s zum Teil hinauf, Chianga und ich schaffen‘s immer, na ja, fast immer. Alle Weinfelder sind perfekt beackert und gepflegt, breite schon recht welke Wildblumenstreifen zeugen von vergangener großer Pracht. An einem kleinen Holzhüttchen, wovon es über die Weinberge verstreut viele gibt, rasten wir kurz. Die Tür ist nicht verschlossen, in dem einen gemauerten fensterlosen Raum ist es schön kühl. Sicher ein guter Rückzugsort zum Pause machen für die Arbeiter im Weinberg. Wir nehmen nun eine flotte Talfahrt mit Ziel Ortsbesichtigung. Neulich in Neipperg wurden Wim doch am Ortseingang in der 30er Zone auf einer Anzeigetafel noch 47 km/h angezeigt, obwohl er schon abgebremst hatte. Helm, Fahrradhelm, wäre auch mal eine Überlegung, aber wie man damit aussieht, das Grauen. 

Und die ersten Türmchen des Örtchens Iphofen erscheinen. Wirklich schön, Beschaulichkeit an jedem Fleck, hinter jeder Ecke. 

Die Kirche hat geöffnet. Lange her, dass wir eine besucht haben. Es ist sehr ergreifend, zu der leisen choralen Musik, die gespielt wird, im kühlen prächtigen Innenraum an den Kirchenbänken entlang zu gehen, die Corona bedingt mit Hinweisschildern versehen sind. Viele Kerzen brennen. Die durch die hohen Fenster fallenden Sommersonnenstrahlen bringen all das Gold zum Glänzen. Zeit, an die zu denken, denen es im Moment nicht so gut geht, und dafür zu beten, dass Mittel und Wege gefunden werden können, die die Menschheit wieder aufleben lassen. 

Die Besinnlichkeit begleitet uns eine Zeitlang, obwohl es sich hervorragend radelt, immer neue wunderschöne Einblicke warten. Es sind kaum Besucher unterwegs, leichtes sonntägliches Gemurmele durchzieht die Gassen immer da, wo eine hübsche Weinstube oder ein uriges Gasthaus mit lauschigen Eckchen einlädt. Wir parken Räder, Hänger und Hunde im Schatten und genehmigen uns ein Bierchen. Einige Male spricht uns jemand an. Das ist auf dieser Reise auffällig oft der Fall. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Menschen mehr denn je den Kontakt zu anderen suchen, einfach weil man das braucht und mag. So ergeben sich immer wieder schöne Momente in diesen kurzen Gesprächen. Und solch ein Ort hier ist nicht überlaufen, es rast nicht jeder suchend am anderen vorbei in Hektik ohne Ende, sondern erlaubt, dass man einfach mal stehen bleibt. 

Zurück zum SP radeln wir durch‘s Örtchen und über den rund um die Wehrmauer verlaufenden einfach tollen Weg. Der oft tiefe Graben zur Mauer ist wild zugewuchert, wie verwunschen gucken dahinter an manchen Stellen die Häuser hervor. Auf den Rasenflächen am Weg entlang wachsen unzählige Obstbäume zwischen sauber geschnittenen Hecken. Parkbänke laden zum Ausruhen ein. Am Ende zum SP hin ragt ein mächtiger Turm in den Himmel, einer von vielen hier, mit erschreckend gruseliger Vergangenheit. Besser wir leben im Jetzt, wer weiß, hinter welchen dunklen Gemäuern wir für dubiose Machenschaften hätten darben müssen. Am SP erfahren wir noch von einem Mitcamper, dass die Gemeinde wohl sehr reich sei. Die Firma Knauf hat hier ihren Sitz und lässt viele Steuergelder in die Gemeindekasse fließen. Daher sei auch der SP gratis. Na gut ... morgen ziehen wir weiter.