18.09.2025 Donnerstag
What a day! Ja sag mal, wer hat denn über Nacht den Himmel derart blau gestrichen? Gott sei Dank! Kurz vor 10, herrgottsfrüh für uns, man glaubt es kaum, ziehen wir raus aus unserer Nische am Moselufer in Valwig. Schön war‘s. Wiederholung wahrscheinlich. Es geht doch vielen so, man denkt nach 2 Tagen, man sei schon lange unterwegs, die vielen neuen Bilder und Eindrücke, egal ob spektakulär oder auf den Spuren der Winzigkeiten, rücken einen sofort weg von Belastendem und hinein in dieses einfach lässige In-den-Tag-Leben. Beflügelt geht‘s auf zu neuen Ufern, wobei das Ufer ja gleich bleibt auf unserer Mini-Tour. Das ist das, was wir sehr am Womoreisen lieben: die Spannung auf das was kommt. Kommen soll am Ende des Tages, obwohl die heutige Tagesstrecke von 17 km wahrhaftig nur ein Katzensprung ist, der SP in der Winzer-Doppelgemeinde Ediger-Eller, bis dato nie gehört. Rüdiger, unser Navi-Boy, lotst uns der Moseluferschleife folgend mit Blick auf das wunderschön in der Morgensonne liegende Beilstein. In der Schleuse liegt eines der ellenlangen Kreuzfahrtschiffe. Passagiere schauen sich vom Außendeck aus das Geschehen ihrer Schleusenfahrt an oder lümmeln in den vielzähligen Liegestühlen.
Hier und da recken sich vor steilen Weinbergen spitze Kirchtürme aus Wäldchen und Reben gen Himmel hinter blau strahlenden Moselfluten. Die Ansichten sind wirklich phantastisch. Viele Traktoren mit vollen oder noch leeren Anhängern tuckern herum, ja, Trauben wollen irgendwann gelesen werden, und die Weinbauern haben Hochsaison.
Unser Zielort kommt in Sicht. Lang zieht sich die Reihe der Lokale mit vollem Moselblick. Herbststauden blühen bunt vor alten berankten Fachwerkhäusern, die Terrassen sind schon gut besucht. Alles macht einen gemütlichen Eindruck. Zum SP biegen wir direkt ans Ufer ab. Ziemlich voll ist es, aber am Ende findet sich eine Lücke. Hinein und aus- und einrichten. Perfekt. Glück gehabt, eine Stunde später hätte man das nicht mehr sagen können. Eine Lücke im Ufergebüsch gibt den Blick auf die Mosel frei. Etliche Wasserfahrzeuge ziehen vorbei. Die Umgebung ist sehr schön, der hinter uns verlaufende Moselradweg sehr praktisch.
Leider darf Wim seinem Knie heute nichts zumuten. So muss ich leider, was mir auch nicht sonderlich gefällt, alleine zu einem Radausflug starten. Die Weinberge locken, besonders ein in maps angezeigter Aussichtspunkt, der angeblich „mit moderater Steigung“ erreicht werden kann. Ziele muss der Mensch haben, und er muss willens und in der Lage sein, Ziele zu erreichen. Willens … daran hapert es nicht. In der Lage sein … zunächst auch nicht, nachdem ich mich mit Schwung über holpriges Gassenpflaster in eine der oberen Ortssträßchen katapultiert habe. Ach, es geht doch nix über ein leistungsstarkes Rad, denkt sich die U70 und tritt in die Pedale, wird schnell belohnt mit herrlicher Aussicht auf beinah Kirchturmhöhe.
Die Weinbergwege scheinen sich weiter am Hang entlang zu winden. Auf‘s Material ist Verlass, die nächste Etappe kann kommen. Ohne Anstrengung ziehen wir beide, mein Rad und ich, vorbei an ringsum sonnenbeschienenen Steilhängen aus wärmespeicherndem Schiefer, Rosen- und Rebstöcken und Trauben, die zu edlem Riesling gedeihen. Menschenleer ist alles, alles läuft ruhig dahin, ebenso ruhig wie La Mosella in ihrem Bett tief unten. Die nächste Biegung kommt, unweigerlich, eine Steilkurve, die es in sich hat, in deren Verlauf ich auf halber Strecke abkacke und absteigen muss. Tja, Aussichtspunkte liegen selten auf der ersten Etage. Sofort muss die Gewissensfrage beantwortet werden: Steige ich hinauf oder nicht? Zu Fuß? Schiebe ich? Aufsatteln am Steilhang, zumindest für mich, unmöglich! „Eva, lass Dich nicht so hängen, es warten auf Dich sicher traumhafte Draufsichten!“, spricht sie, meine Kamera, zu mir. Und ich schiebe. Wer sein Rad liebt, der schiebt, selbst an den Hängen hier am Calmont, dem steilsten Weinberg Europas.
Und die Mühe lohnt, aber sowas von, meine Olympus hat nicht zu viel versprochen. Äußerst reizvoll ist der Blick links rüber auf den SP und das Dorf Ediger, das sich mit seinen Gassen und bruchsteingemauerten Häusern langgestreckt ans Moselufer schmiegt. In einer Mulde vor mir liegen die wie Holzklötzchen anmutenden Häuser von Eller und zur Rechten zieht die Mosel in einer weiten Schleife durchs Schiefergebirge. Ganz wunderbar.
Hochmotiviert knöpfe ich mir noch schweißtreibend über einen holprigen Wirtschaftsweg einen noch höher gelegenen Aussichtspavillon vor. Hier sitzt man quasi auf der Abbruchkante des Schiefergesteins und genießt - oder auch nicht - die Tiefe. Bleibt zu hoffen, die Schicht trägt. Am metallenen Gestänge des Pavillons klettern unzählige schwarz-rote Käfer rauf und runter. Weiß der Geier, was die suchen, wohin die wollen. Ich beobachte das Spiel eine ganze Zeit. Es scheint, es geht um Paarung, worum auch sonst. Die bringen mich tatsächlich zum Lachen, die Viecher, denn immer rennt einer noch emsiger einem anderen hinterher, egal welche Haken er schlägt, und ich bin mir ziemlich sicher, der Hakenschlagende ist eine Sie. Zum Äußersten kommt es aber in meinem Beisein nicht, so dass ich mich schließlich der Botanik widme und danach den Rückweg antrete.