15.08.2024 Donnerstag
Eine gute Nacht liegt hinter uns, wir lagen wie Brote in tiefem Schlummer. Ob nun das gestrige Bad im Silbersee oder der Blick in die Muschelgrotten oder der Ritt nach oben durchs Nadelöhr dafür verantwortlich zu machen sind, man weiß es nicht, jedenfalls geschadet hat uns keine Aktion. Wir packen zusammen. Da sitzt, das kennen sicher alle Womobilisten, jeder Griff. Kurz plauschen wir noch mit unseren freundlichen Nachbarn, den Neucampern, die meinen Bericht über die Ulm-Etappe sehr treffend und amüsant finden. Das Lob freut mich sehr, vor allem vor dem Hintergrund, dass sie in Ulm aufgewachsen sind und die Stadt sehr gut kennen. Wim sagt mir stolz, das sei ja ein richtiger „Ritterschlag“ gewesen. Na ja … aber ein so tolles Feedback zu meinen Reise-Gedanken freut, wie gesagt, sehr. Auf dem Boden der Tatsachen wieder aufgeknallt, steht Abreise und E+V an. Das kann man hinter dem Damm erledigen. Wasser fassen für 1€ für 100L und über einen Metalltrichter mit großem Schlauch Grauwasser in eine Klappe ablaufen lassen gelingt problemlos. Eine Entnahmestelle für Wasser zum Spülen der Kassette gibt es nicht. Man kann sich denken warum. Mit bösen Gedanken an schmarotzernde mitcampende Zeitgenossen, von denen uns gerade erst auf dem SP in Ulm welche über den Weg gelaufen sind, weil sie von der Stadtverwaltung „Denkzettel“ für Nichtzahlen der SP-Gebühr unterm Wischerblatt hängen hatten. Unmöglich so etwas! Aber leider gibt es diese Typen. Wir jedenfalls verabschieden uns vom sehenswerten Neuburg, das nochmal mit herrlichen Ansichten aufwartet, bevor es uns durch ein Stadttor von dannen ziehen lässt.
„Selbst schneiden, selbst bezahlen“, ja, hier in der Gegend geht‘s ordentlich zu, ehrlich und klar, bei Gladiolen z.B. oder bei Bier. Denn das muss hier in Strömen fließen, wohin sonst um Himmels Willen mit all dem Hopfen, der sich über weite Ackerflächen zieht. Hopfen und Malz, Gott erhalt‘s. Bei der Hitze und dem Anblick des hoch rankenden Hopfens unterwegs müssen wir unweigerlich schlucken. Aber die Strecke ist heute nicht lang. Die 70 km bis zum Ziel in Kelheim sind zügig erledigt, und schon von weitem zeigt sich hoch oben in exponierter Lage der imposante Rundbau der Befreiungshalle, eine Gedenkstätte, die König Ludwig I. für die siegreichen Schlachten gegen Napoleon in den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 und als Mahnmal für die Einheit Deutschlands errichten ließ. Unfassbar immer wieder, welche Ideen in damaliger Zeit überhaupt verwirklicht werden konnten. Tief beeindruckt steuern wir über die Donau hinweg die SP an. Es gibt 2, wobei die Zufahrt zu einem abgesperrt ist. Er hat sich nämlich verwandelt in einen Kirmesplatz mit riesigem Festzelt. In Kelheim findet an diesem Wochenende ein Volksfest statt. Wir fahren kurz um eine Ecke auf den zugänglichen, recht vollen SP, der einen sehr guten Eindruck macht und sofort eine freie Lücke bietet. Ohne weiter zu überlegen, besetzen wir diese sofort, da noch einige Womos herumkreisen. Wir stehen.
Der Plan war, heute noch eine Tour zu unternehmen, so eine richtig touristische, für den Fall, dass wir Kelheim früh erreichen. Gerade erst Mittagszeit, passt es, der Plan, uns durch den Donaubruch zum Kloster Weltenburg schippern zu lassen, wird in die Tat umgesetzt, ist ja egal, wo wir schwitzen. Wim macht die Räder und Hänger parat, könnte ja sein, dass wir vor Verschiffung Wartezeiten haben, die wir dann besser auf dem Rad als zu Fuß verbringen können. Über den Kirmesplatz hinweg kommen wir zum Donauufer und zur Anlegestelle. Ein Bilderbuchwetter für solch eine Tour, alles glänzt und strahlt, weiße Wölkchen zieren den blauen Himmel und die Hitze lässt sich auf den Fotos nur erahnen. Trotzdem nehmen wir, da beim Zusteigen auf das Ausflugsboot günstigerweise mit in den ersten Reihen, die Treppe nach oben auf das Außendeck vorne. Das selbstverständlich mitgenommene Hundedeckchen wird mit Hilfe der Reling umfunktioniert zum Sonnensegel, so dass Chianga-Mäuschen Schatten hat. Und Leinen los! Volle Ladung (Touristen) voraus. 40 Minuten dauert die Fahrt, es geht stromaufwärts. Der Kapitain begrüßt seine Gäste, vom Band ertönen deutliche und interessante Ansagen in Deutsch und Englisch zu Besonderheiten der Felsformationen. Leise tuckern wir dahin im bereits 1840 von König Ludwig I. erklärten Naturschutzgebiet Bayerns. Auch in diesem Abschnitt der Donau, in dem sie sich ihren Weg durch eine spektakuläre Schlucht bahnt, herrscht reges Treiben. Es ist einfach toll, wie schön dieser Fluss von Menschen belebt und geliebt und nicht nur, wie der Rhein, vom Schiffsverkehr benutzt wird.
Die Felslandschaft ringsum wird steiler und schroffer. Senkrecht bis zu 80 m hoch ragen die steinernen Wände hinauf, und es wird enger. Wir kommen, vorbei am Heiligen Nepomuk, der von einer Felsnische aus die Geschehnisse leitet, nach rund 5 km zum Donaudurchbruch, dem Herzstück des Naturschutzgebiets.
Und nach der nächsten Schleife öffnet sich der Blick hin zum Kloster Weltenburg. Da liegt es nun, eines der ältesten Klöster Bayerns, in einzigartiger Flusslandschaft. Im Kloster leben heute noch 14 Mönche, die ihre Aufgabe in der Pfarrseelsorge und der Gästebetreuung in einer Begegnungsstätte finden. Man sagt, ein Besuch des Weltenburger Klosters sei absolut empfehlenswert. Und es scheint zu stimmen. Wir legen an.
Nach einem kleinen Fußmarsch können wir an einer Hauswand mit eingeritzten beeindruckenden Hochwasserständen entlang den Innenhof des Klosters betreten. Diese Idee des Betretens haben heute viele. Es wird wohl zu allen Tagen gut besucht sein, aber heute am Feiertag wohl besonders. Denn der Biergarten ist proppevoll. Ja, wer will sich denn bei diesem Wetter ein Bier der ältesten Klosterbrauerei der Welt hier im Kloster Weltenburg entgehen lassen? Wer? Wir nicht! Und noch bevor ausdiskutiert ist, ob erst Kirche dann Biergarten, wird doch plötzlich ein schattiger Tisch frei, und wir schnappen zu, erbarmungslos. Sehr freundlich berät und bewirtet uns die Kellnerin, die, wie ihre Kolleginnen, lächelnd und zuvorkommend unterwegs ist. Das ist nicht die Regel in solchen stark frequentierten Lokalen. Hitze und Lärm und Schleppen und alle denkbaren Charaktere um sich, da weiß man abends als Servicekraft, was man getan hat so tagsüber. Jedenfalls ist der Brotzeitteller, den wir natürlich 2 x bestellen, was sie aber augenzwinkernd in 1 x umändert, da es sehr viel sei, wirklich üppig und lecker. Und dann das Bier erstmal. Da haben die schottischen Wandermönche im 7. Jahrhundert hier bei Gründung ihrer Klosterbrauerei aber ganze Arbeit geleistet. Und offensichtlich wird diese Arbeit von der Benediktinerabtei Weltenburg, in deren Eigentum die Klosterbrauerei nun steht, hervorragend weitergeführt.
Auch das beste Schmankerl hat einmal ein Ende, und gestärkt wenden wir uns dem eigentlichen Prachtstück, der Klosterkirche St. Georg zu. Ich muss mit anderen vor der Eingangspforte warten und erst einmal eine schier endlose Reihe Besucher rauslassen. Fast alle latschen mit total genervtem Gesichtsausdruck an uns vorbei. „Scheint nicht gut da drinnen gewesen zu sein?“, frage ich so in die Runde. Eine ältere Frau neben mir meint, dass man ja wohl ein Gotteshaus freudig zu verlassen habe, man habe ja darin gebetet, zu seinem Gott, es sei ja schließlich die einzige wahre Religion. Meinem Argument, dass ja Menschen aus so verschiedenen Weltkulturen hierher kämen, ist sie wenig zugänglich, geißelt mich förmlich mit ihrem empörten Ausruf: „Ich bin Praktizierende, ich bin eine wahrhaft Praktizierende!“ Oha, meine Frage: „Wo haben Sie denn Ihre Praxis?“ versteht sie nicht. Ich wünsche ihr ein erhellendes Zwiegespräch mit „unserem“ lieben Gott und kann endlich eintreten in Hülle und Fülle des bayerischen Hochbarocks mit unfassbarer Liebe zum Detail. Eine unbeschreibliche Vielfalt an Darstellungen und Farben gepaart mit Verzierungen der verzierten Verzierungen prasseln auf das Auge ein. Ich stehe sprachlos da und gucke. Ich versuche, zu ergründen, wie die handwerkenden Künstler dies alles „auf die Reihe“ bzw. an Wände und Gewölbe bekommen haben. In solch einer Umgebung fällt ein Gebet schwer, weil alle Gedanken doch schnell wieder bei der Frage sind, wie das hier alles gefertigt werden konnte, alles nur dem Ruhm und der Ehre diente, und auf welche Kosten. Halleluja. Ich begebe mich nach längerer Zeit wieder nach draußen in die weniger barocke Welt, damit Wim auch noch das Vergnügen haben kann, während ich nun unsere Chianga hüte.
Wir schlendern noch etwas um die Klosteranlage herum, waten zur Abkühlung in der Donau, wälzen uns mit dem Strom der Bier- und Klosterfreunde in Richtung Anlegestelle und gelangen irgendwann mit all den Models für Sonnenhüte auf ein Deck der Wahl unseres Ausflugsdampfers.
Im Licht der Nachmittagssonne ziehen wir in 20 Minuten stromabwärts durch dieses Naturschauspiel von Donaudruchbruch und Weltenburger Enge und legen unbeschadet am Ausgangspunkt wieder an. Schöne Tour. Aber jetzt reicht es mal mit touristischen Hotspots, jedenfalls bis auf Weiteres.
Eine kleine Runde drehen wir durch das nette Örtchen Kelheim, essen ein großes Eis und kehren zum Womo zurück. Dort hängen zwei kleine Tütchen unterm Scheibenwischer. Das ist aber eine fürsorgliche Geste. Wir legen sie erstmal weg. Ich, nachdem Wim im Bett wie gewohnt sofort tiefschlafend wegsackt, obwohl das Volksfest laut dröhnend, plärrend und Ramba Zamba machend auf dem benachbarten Festplatz tobt, krame sie aber schleunigst wieder vor und stecke sie mir dahin, wo sie hingehören, nämlich in jeden Gehörgang einen. So verbringen wir 3 unsere erste gemeinsame Nacht. Erfüllend ist es nicht. Die 2 taugen nichts. Oder gegen das Volksfestgetöse ist einfach kein Kraut bzw. kein Stöpsel gewachsen. Morgen schlafen wir woanders, aber ganz sicher.