20.08.2024 Dienstag
Blauer Himmel. Heute verlassen wir das Mostbirnenland und steuern die Wachau an. Klingt gut, was? Klingt so, als würde ich mich auskennen. Aber keineswegs. Österreichische Regionen sind mir nur aus Winterzeiten vom Skifahren ein Begriff. Die ersten Abhänge meisterte ich in Kärnten, im Salzburger Land in der Flachau waren wir öfter mal, in Gastein, Obertauern und Heiligenblut ebenfalls. Aber hier so weit östlich kenne ich mich gar nicht aus. Die Wachau, wie das Mostviertel, sind mir zwar vom Namen her bekannt. Aber bei Routenplanung hab ich mich nur der Donau nach gehangelt, ohne auf die Regionen zu achten. So, nun muss ich mich damit befassen, wo wir sind. Aber erstmal wird V+E erledigt. Hierfür ist auf dem PP alles bestens vorgerichtet mit viel Platz und ohne Kosten. Danach verschwinden wir im hügeligen Mostbirnenparadies. Heute ist die Aussicht erheblich besser. Überall verstreut liegen die großen meist sonnengelben alten Vierkanthöfe und blicken von ihren Kuppen auf das Land. Auch neuere Modelle davon gibt es. Man sieht nur Grasland, Maisfelder und Grünzeug, kein Getreide. Vermutlich ist hier viel Viehhaltung auf den Höfen. Allerdings stehen nirgendwo Kühe auf Weideflächen, was ja weniger schön ist.
Es geht irgendwann abwärts in eine weite Donauebene. Industrieanlagen passieren wir und fahren parallel zur Bahnstrecke. Ein paar Kilometer weiter kommt ein mächtiger Bau ins Blickfeld. Das muss Kloster Melk sein. Ja, es ist Kloster Melk. Unsere Route führt direkt unterhalb vorbei. Viele Touristen sind zu Fuß unterwegs, Radfahrer aller Klassen wimmeln herum, der SP ist ziemlich voll, nicht so unbedingt etwas für uns dieser Hotspot. Weiterfahren, ein Stopp war ohnehin nicht geplant.
Über die Donaubrücke in Melk erreichen wir die Donaubundesstraße 3 und die Weltkulturerberegion Wachau. Und das unübersehbar, denn schlagartig ändert sich die Landschaft. Das nun enge Donautal zwischen Melk und Krems schiebt sich durch felsiges Gestein. An den Sonnenseiten ziehen sich Terrassen mit Weinreben bis weit nach oben. Auf höchsten Felsen sitzt die ein oder andere Burgruine. Schmucke Dörfchen liegen an der Strecke. Weinbauorte verströmen doch immer eine ganz besondere Gemütlichkeit. Viel Schiffsverkehr herrscht. Kreuzfahrtschiffe und Transportschiffe sind unterwegs, ebenso kleinere Motorboote, hölzerne Paddelboote und Mini-Fähren.
Unser Zielort Dürnstein kommt in Sicht. Schon von weitem sieht man hoch oben einen Burgrest und wenig später ein pompöses Gebäude mit himmelblauem Turm direkt am Donauufer. Und ehe wir uns versehen, verschwindet die Uferstraße und wir gleich mit in einem Tunnel. Irgendwo am Ortsende werden wir wieder ausgespuckt und können kurz darauf ans Donauufer auf einen Parkplatz abbiegen. Einige Womos parken schon hier. Wir stellen uns dazu. Nachtlager erreicht.
Nach einer Kaffeepause versuchen wir, den Weinskulpturenpfad per Rad zu erkunden. Es geht schnurstracks durchs Dorf Oberloiben hindurch und hinauf in die Weinberge. Die erste Etappe läuft prima. Die nächste wird schwieriger. Die dritte ist die reinste Bergetappe. Wir genießen kurz die Ausblicke, schwitzen wie Elche, und lassen uns zurück ins Tal rollen, was wiederum sehr viel Spaß macht.
Dem Gleisbett der Wachaubahn folgend kommen wir nach paar Kilometern nach Dürnstein, das mitten in der Wein- und Obstregion Wachau liegt. Es ist, wie ich im Nachhinein lese, ein Zentrum des Weinanbaus und ein sehr beliebtes Ziel, das von jährlich fast 2 Mio Tagestouristen aus aller Welt besucht wird. Nun gehören wir auch dazu, wenngleich total zufällig gewählt. Denn eigentlich ist nur der gut gelegene Parkplatz die Ursache für unseren Stopp. Aber jetzt schauen wir uns gerne das bestens erhaltene mittelalterliche Städtchen an.
Auch wenn hier natürlich das touristische Souvenir-Angebot ziemlich umfangreich ist, gibt es viele schöne Ecken, die uns aufhalten, vor allem die in Schattenlagen. Selbige werden auch von großen Besuchergruppen, voran ein fähnchenschwenkender Kundiger, aufgesucht. Es knubbelt sich gelegentlich. Freudiges Staunen hört man selten, eher genervtes und gelangweiltes Gestöhne unter der Überschrift: „Ich will heim!“ bzw.: „Die wird ja jetzt nicht auch noch mit uns da und dahin latschen, mit mir nicht!“.
Herzstück ist die im Laufe des 15. Jahrhunderts errichtete Klosteranlage. Der mit 1733 datierte hohe Turm der Stiftskirche ist das edelste Bauwerk der gesamten Klosteranlage und mit seinen markanten Farben blau-weiß zum Wahrzeichen der Wachau geworden. Der schöne Innenhof des Augustiner Chorherren-Stifts gibt aber nur wenig preis von der Schönheit des Turms, da müssen wir noch nach einer anderen Perspektive suchen.
Auch das Durchstreifen der nächsten malerischen Gassen bringt zwar etliche tolle Ansichten, aber nicht den eigentlich gewünschten Erfolg. Quasi nebenbefundlich werden wir um eine Geschichte der Geschichte klüger. Und zwar fragen wir uns schon, warum ein historisches Gebäude, jetzt Hotel, den Namen „Richard Löwenherz“ trägt. Der Grund: Richard Löwenherz wurde hier 1192 auf der als uneinnehmbar geltenden Burg Dürnstein gefangen gehalten. Nach Verhandlungen in Regensburg, Würzburg und Speyer kam er 1194 in Mainz wieder frei gegen ein damals horrendes Lösegeld von 150.000 Mark Silber, eine der größten Geldtransaktionen des Mittelalters. Damit nicht genug, denn auch für den Namen „Sänger Blondel“ des angrenzenden uralten Gasthofs gibt‘s eine Erklärung. Der Sage nach sorgte man sich in England damals natürlich sehr um seinen vermissten König, woraufhin der Sänger Blondel auszog, um ihn zu finden. Er wanderte von Burg zu Burg, stimmte überall die erste Strophe eines Liedes an, das er und Richard Löwenherz einst gemeinsam gesungen hatten, und hörte endlich unter den Mauern von Dürnstein aus dem Verließ die Stimme seines Herrn, der die zweite Strophe sang.
Noch schmunzelnd über die Sage entdecken wir glücklicherweise die Anzuggasse, rollen hinab zum Ufer und kommen nach rechts rüber in beste Aussichtsposition auf die wunderschönen Teile des Klosters, vor allem den Turm.
Zufrieden treten wir den Rückweg an und genießen noch lange den Blick auf die Donau, den regen Betrieb darauf und einen mückenfreien Abend. Und leise singt es in meinem Kopf: „Wien, Wien, nur Du allein …“ … und morgen werd‘ ich bei Dir sein ;-).