von Tiznit nach Sidi Ifni


Tag 46 - 01.03.2023 Mittwoch

Etwas wie Reisefieber lässt uns früh auf die Beine kommen. Die Sonne lacht vom blauen Himmel, perfektes Wetter, so dass wir für die weitere Route gen Süden die Küstenstraße wählen. Es besteht große Hoffnung, dass atlantischer Nebel nicht wieder alles schluckt und verhüllt, wie wir das auch schon erlebt haben. Unserem sehr hilfsbereiten „Pförtner“ am Schlagbaum des CP in Tiznit, der übrigens sehr gut Deutsch spricht, stecken wir noch eine Kleinigkeit zu und werden aufs Herzlichste von ihm verabschiedet. Der nette Bursche strahlt. Kurz nochmal hinterm Stadttor bei Momo und den nächsten Strahlemännern vorbei, winken, und ab geht‘s. Irgendeine große Veranstaltung läuft offensichtlich, eine Schlange Schulbusse reiht sich auf der rechten Fahrspur, Polizei und Ambulancen ebenfalls. Es geht wohl um Nutzen und Risiken von Technologie, die riesigen Scharen von Schulkindern präsentiert werden. Nun denn, lassen wir Tiznit hinter uns.

Bis Aglou geht es über die P1909 ca.15 km durch steiniges Wüstenland. Allerdings grünt es überall. Dankbar nutzen Euphorbien das Wasser, um sicher in den nächsten Tagen voll aufzublühen. Champignons sieht man. Nein, Spaß beiseite, aber die treuen virtuell Mitreisenden wissen, dass ich Schafe in der Landschaft gerne so bezeichne, weil sie sich farblich kaum abheben vom Untergrund und so klein wirken in der Weite, als wären sie kleine helle Pilze. Da machen Ziegen mit dunklem Fell richtig Sinn, die nimmt man eher wahr. Wie dem auch sei, für alle ist der Tisch momentan gut gedeckt. Leicht abschüssig geht’s hinab, und Atlantik und Aglou liegen vor uns, dem wir nichts abgewinnen können, perfekter Strand hin oder her, einfach nichts für uns. So lassen wir die Delfine am Ortseingang rechts liegen und folgen der kurvigen Straße P1905 links in die Berge hinauf, von der man immer wieder wunderbare Blicke auf den Atlantik hat, wenn auch nicht diese spektakulären Aussichten, die die vielen herum schwirrenden Paragleiter vor den Berghängen haben. 

Es wird viel gebaut und instandgesetzt, Rohre werden verlegt, und an den Furten werkelt man herum. Mirleft erreichen wir. Es ist ein großer Ort, der, wie auch schon bisher, sehr sauber ist. Selbst vor der Stadt liegt sozusagen kein Müll. Erstaunlich ist das und lässt hoffen. Wir sind uns aber sicher, dass diese Region hier kein Maßstab ist. Eine holländische Karawane aus alten „Hündchen“ kurbelt sich vor uns im Schneckentempo auf die Höhen hinauf und wieder in die Senken hinab, angeführt von einem ellenlangen amerikanischen Schulbus. Wir sahen diese ganze Meute schon in Rabat. 

Die Felsentore von Leghzira steuern wir dieses Jahr nicht an, sondern zielen auf Sidi Ifni, was schnell erreicht ist und uns mit breiter perfekt ausgebauter Straße begrüßt. Schlammfarbene Überzüge überall lassen ahnen, wie das Unwetter auch hier getobt haben muss.

Im Ort wollen wir mal nicht den CP am Meer anfahren, sondern einen Parkplatz im Ort hoch oben. Also nix wie rauf. Wo er ist, ist uns noch nicht ganz klar, aber er wird sich finden lassen. Wir folgen dem Schild „Marché“, und da ist er. Eine riesige sandige Fläche tut sich auf, in einer Ecke parken viele Taxen, weit hinten stehen ein paar LKW. Ein älterer einzahniger Warnwestenmann informiert uns in bestem Englisch, dass man hier leider nicht übernachten könne, aber er würde mal auf uns achten, und wenn wir uns nach hinten zu den LKW stellen könnten, ja dann … es koste nichts, aber ein wenig, evtl., so für ihn, aber wir brauchten nichts zahlen, so druckst er rum. Wir parken, schön brav bei den LKW, überlegen kurz, ob wir tatsächlich bleiben wollen, aber wir wollen, für eine Nacht völlig ok, so können wir später ohne großen Anstieg Sidi Ifni durchkreuzen, und drücken dem Wachmann 20 DH in die Hand, was ihm sichtlich gefällt. 

Gerade angekommen hören wir die Vollbremsung von Fahrrädern vor unserer Tür. Ein Blick nach draußen, schon presst mein Hirn unweigerlich die beiden Gesichter in Facebook-Profilfotorahmen, und natürlich: wir kennen uns, wir sind sogar Freunde. Dank Polarsteps bleibt ja nichts mehr verschleiert, man findet sich. So nun Sabine und Chabo. Das ist aber eine Überraschung, jedenfalls für uns, sie wussten ja, wohin sie wollten. Sehr lustig verquatschen wir eine ganze Zeit. Es ist, so zeigt uns diese Reise, immer toll, wenn sich von dem Eindruck, den man sich in FB über einen Menschen zwangsläufig bildet, etwas wiederfinden lässt, wenn man leibhaftig voreinander steht. So folgen wir auch gern dem Rat der beiden, nehmen das Rad und kreuzen etwas durch die Gassen der sehr sauberen kleinen Stadt, die fast 100 Jahre bis 1969 von Spanien besetzt war und demnach deutliche Spuren in der Bebauung zeigt mit einem in Marokko fast einzigartig lebendigen maurischen Stil mit z. B. Keramikwänden, blau-weiß gestrichenen Häusern und gekachelten Sitzbänken. Sind die Straßenbilder auch ausgesprochen schön, abwechslungsreich und in durchweg sehr gutem Zustand, verfallen die architektonischen Perlen im Art-déco-Stil heimlich und still vor sich hin. Ich las, dass bisher nichts Nachhaltiges zur Erhaltung der prächtigen Gebäude getan wird. So bleibt zu hoffen, dass die Patina alles noch eine Zeitlang zusammenhält und der morbide Charme noch lange verströmt. 

Mit einem vorzüglichen Grillhähnchen aus dem Souk (80 DH inkl. großer Portion Fritten) im Fahrradkörbchen schieben wir ab zum Womo und beschließen damit den heutigen Reisetag und unseren Kurzbesuch des Städtchens Sidi Ifni. Morgen geht's weiter.