von Zagora nach Dunes de Tinfou


Tag 65 - 20.03.2023 Montag

Aber dieses „Morgen“ hier in Zagora bringt zunächst die Erkenntnis, dass das „Klopfen“ trotz Prüfung und Ausbau und Austausch aller möglichen Teile immer noch da ist, aber auch die Gewissheit, dass das komplette Fahrwerk astrein und absolut zweifelsfrei Atlas-tauglich ist und bei der Gelegenheit auch die Bremsen gleich mitgemacht wurden. Das beruhigt insbesondere Wim ungemein. Dann müssen wir mal sehn, ob wir nicht doch eine Konservendose, dann aber noch vom Vorbesitzer, irgendwo trollen haben. Zufrieden rechnen wir ab mit Ali, zahlen für stundenlanges Arbeiten (quasi 2 Tage von 9 bis 21 Uhr) von meistens 4 Mitarbeitern, für Beschaffung und Einbau von Ersatzteilen und neuer Bremsbeläge ganze 170 €, geben 300 DH Trinkgeld und räumen das Feld oder besser gesagt die dicke Plane, die unter dem Concördchen auf dem Parkstreifen lag und natürlich sofort gefegt wird, und machen Platz für das nächste reparaturbedürftige Vehikel in der Warteschlange. 

Zur Hauptstraße hin suchen wir das „Lokal“, von dem wir unser Abendessen gestern hatten und heute das Geschirr. Bis mittags war jetzt keiner bei uns, um das Wechselgeld zurückzugeben und die Tajinen abzuholen. Wim läuft um die Gassen und findet in irgendeinem Gang jemanden, der jemanden anruft. Und siehe da, irgendwo kommt ein junger Mann raus mit dem Wechselgeld, und wir werden das Geschirr los. Mit ein paar sehr viel anderen Eindrücken, was Bebauung und Zustand anbelangt, als bei „Einreise“, verlassen wir Zagora Richtung Tamegroute. Unterwegs halten wir an, um ein paar Tomaten zu besorgen. Wir werden sofort umzingelt von bettelnden, sehr frechen fordernden, gut gekleideten Kindern und Jugendlichen und werbenden penetranten Reiseführern. So haben wir das bisher noch nie erlebt. Die Masche muss Erfolg haben, sonst würden sie es nicht tun. Ich möchte die Bitte förmlich rausschreien, aus dem Womo niemals etwas zu geben, einfach so, ein Unding eigentlich. 

Hinter Zagora schließt sich Wüstenland an mit großen Bushaltestellen mitten im Land, wo nichts ist, und Tamegroute kommt in Sicht. Es ist das Töpferstädtchen schlechthin, eigentlich qualmen hier die Töpferöfen in allen Ecken. Heute sehen wir nichts und ziehen vorbei an den Auslagen mit den für Tamegroute typischen herrlich grünen Töpferwaren. 

Schnell erreichen wir die Abfahrt nach links auf eine Piste zum „Sky Hotel“ bzw. der Dunes de Tinfou. Das Hotel mit seinem SP meiden wir allerdings. Uns zieht es etwas weiter, nämlich zu einer Stelle, an die wir wundervolle Erinnerungen haben: die erste Begegnung damals mit Dromedaren für Bazou und Chianga, und das leinenlos. Einfach für uns eine einmalig schöne Erinnerung. So gelassen und geduldig erlaubte der vorbeiziehende Dromedarführer damals das Beschnuppern und Begutachten durch die Hunde. Bazou war völlig fasziniert von ihnen, und es kam zum ersten „Kuss“ mit einem Dromedar, ja echt, einmalig schön. Und er hätte es wieder getan, heute, aber auch Chianga hat sich gemausert, wie sich später zeigt. Die Dromedare gehörten zu einem Biwak in der Nähe, den wir nach einem Spaziergang auch besuchten. Damals standen wir auf einem CP in Zagora und drehten nur eine Runde mit unserem kleinen Tjaffer zu der Düne. Seither wünsche ich mir, mal dort mit dem Womo zu stehen. Und nun tun wir es. Die Zelte und Hütten gibt es noch. Es könnte also klappen. Mit meinem ipad und geöffneter Seite unserer Homepage und einem Foto vom Berber-Mann sitze ich da, jemand kommt auf mich zu, natürlich ist er es! Er ist es! Und was gibt das jetzt ein Hallo und eine Freude und eine Begrüßung und eine Umarmung und ein Rufen nach seinen Cousins, die mit ihm das Biwak betreiben. So klasse, einfach nur herzerwärmend schön. 

Wir positionieren uns auf diesem herrlichen Stückchen Erde. Sonnig heiß, aber sehr erträglich ist es. Die winzige Dünenlandschaft hat erheblich weniger Sandkörner als der Erg Chebbi, kein Vergleich, aber dennoch sehr reichlich von allem für uns. 

Brav gurgelnd, wie ich es liebe, liegen die Dromedare im Sand. Es sind so beruhigende Tiere, die Langsamkeit schwappt sofort über. Es sind alles männliche Tiere. Zusammen mit Mohamed und seinen Cousins ist das also reine Männerwirtschaft hier, oder wie mein Schwager sagen würde: ein Bullenkloster. Egal, ich fühle mich als Frau hier sauwohl.

Chianga-Mäuschen wird nun auch an diese nordafrikanische Tierwelt herangeführt, ohne Leine. Mal sehn, ob sie sich noch erinnert an ihre ersten Begegnungen damals, wobei Bazou ja voran ging. Zunächst macht sie einen auf „dicke Hose“, als ich ihr aber versichere, dass das Dromedar weder mir noch ihr etwas tun wird und das Dromedar seinerseits auch einem Kennenlernen nicht abgeneigt scheint, lässt sie sich sogar recht entspannt bis auf 10 cm Abstand ein. Wir haben Spaß. Hundemenschen wissen, wieviel Spaß sowas macht. 

Hinter meinem Rücken quasi wird schon alles für die Tea-Time gerichtet. Teppiche werden auf der „Terrasse“ ausgelegt, Tisch und Stühle stehen bereit, das Tablett mit Gläschen und Kännchen wird serviert. Wim dreht schnell eine Gassi-Runde mit Chianga, während man mir im Berber-Zelt den Turban windet und bindet, was mich dazu verleitet, mich nochmal an Selfies zu versuchen. So übel ist das Ergebnis gar nicht, „ich hatte eine Farm in Afrika“ oder „vom Winde verweht“, sollte ich häufiger tragen, sieht nach vollem Haar aus und verschafft auf der Stelle so ein „Marlboro Man“-Feeling, aber eins für Frauen. Wir verplaudern mit süßem Tee die Zeit über dies und das in allen möglichen Sprachen und mit allen möglichen Verständigungsmitteln. 

Mit diesem glücklichen Gefühl und Zufriedenheit mit sich und der Welt starte ich und starten wir in den Abend. Solch ein „Camp“ ist herrlich, es schwingt so viel Ruhe zwischen jeder einzelnen gewebten Bahn der schweren Kamelhaardecken. Und im „Salon“ des Biwaks wird gedeckt für uns. Sie bieten auch Essen an, und an solch einer Stelle würden wir niemals unsere Bordküche bemühen, sondern gönnen gerne den Verdienst. Und es ist köstlich. Sehr lecker und reichlich verspeisen wir den marokkanischen Salat, schwarze und grüne Oliven, frisches Brot, würzige Brochettes und eine echt orientalisch schmeckende Tajine Legumes, dazu Wasser und einen Obstteller mit Orangen, Bananen und Äpfel und trollen uns hier, „wo sich Fuchs und Has‘ gute Nacht sagen“ in die Kojen. Und auch die Frage „Wohin Herr Graf“ klärt sich heute Abend: der Erg Chebbi wird es sein - muss es einfach sein.